Schöpfer des Kommissar Maigret

Zum 25. Todestag des Schriftstellers Georges Simenon am 4. September

Georges Simenon war ein Mann der Superlative: Fast 200 Ro­mane und mehr als 50 Erzählungen hat er unter seinem Namen geschrieben und noch ein­mal rund 200 Romane unter 18 ver­schiedenen Pseud­o­nymen. Seine Werke wurden in 200 Spra­chen übersetzt, er­reichten weltweit eine Auflage von über 500 Mil­lio­nen Ex­emplaren und wurden 55mal ver­filmt. Zudem wech­selte er 33mal seinen Wohnsitz.

Der „Großmeister“ des Krimi­nalro­mans des 20. Jahrhun­derts und Schöpfer des un­ver­gesslichen Kom­missars Maigret wurde von so unter­schiedlichen Schrift­stellercha­rakteren wie André Gide, Patricia Highsmith, William Faulkner, Peter Handke, Ga­briel Gar­cía Már­quez, und Walter Kempowski verehrt.
„Welch großer Ro­mancier, das nenne ich ein wahres Talent“, lobte Gide schon Anfang der Dreißiger Jahre den damals noch relativ un­be­kannten Si­menon. Schon um die Geburt des Autors rankt sich eine beinahe dichterische Anekdote. Der Aberglaube soll Simenons Mutter angetrieben haben, um das Geburtsdatum einen Tag vordatieren zu lassen. Der Vater, ein gewissenhafter Versicherungsangestellter, legte allerdings in Veto ein, und so blieb es beim 13. Februar 1903.

Geschärften Blick bei der Zeitung gelernt
Georges Simenon war ein begabter Schüler, der die katholische Ele­mentarschule mit 294 von 315 möglichen Punkten beendete. Das später besuchte Jesuitenkolleg musste er wegen einer schweren Er­krankung seines Vaters verlassen. Danach brach er eine Konditor­lehre ebenso ab wie eine Ausbildung zum Buchhändler und ver­schlang stattdessen die Werke der großen russischen Autoren Dos­tojewski, Gogol, Gorki und Tschechow.
Sein enormes Selbstbewusstsein ebnete ihm den Weg zum Schrei­ben; mit 16 Jahren stellte er sich - ohne Referenzen - bei der „Gazette de Liege“ vor. Der Chefredakteur war vom Auftreten des jungen Man­nes beeindruckt und gab ihm einen Job als Lokalreporter. Drei Jahre lang lieferte Simenon täglich seine Arbeit ab, erhielt so einen „ge­schärften Blick für das Leben“ und genügend Stoff für seinen ersten Roman „Au pont des arches“ (1920). „Alles, was wir intensiv an Ge­fühlen und Eindrücken in uns speichern, tun wir bis zum Alter von 17, höchstens 18 Jahren“, erklärte Simenon im Rückblick auf seine starke Prägung durch seine Heimatstadt Lüttich.

In Paris zum Vielschreiber geworden
1922 ging er nach Paris, wo er sich zum Vielschreiber entwickelte. In dieser Zeit entstanden Hunderte von „Groschenromanen“ und kurzen Erzählungen, die in zahlreichen Tageszeitungen veröffentlicht wurden. Ein Jahr später heiratete Simenon die Malerin Régine Renchon. Trotz zahlreicher Affären (u.a. mit Josephine Baker und seiner langjährigen Haushälterin Boule) hielt die Ehe, aus der Sohn Marc stammt, bis 1950. Aus der zweiten Ehe mit seiner Sekretärin Denyse Ouimet stammen drei weitere Kinder.
Auf einem Hausboot im niederländischen Delfzijl (wo ihm 1966 ein Denkmal gewidmet wurde) schrieb Simenon im Herbst 1929 in weni­gen Tagen seinen ersten (unter seinem Namen veröffentlichen) Maigret-Roman „Pietr, der Lette“. Es folgten noch über 70 Romane mit dem pfeiferauchenden Protagonisten Maigret, die nicht nur Krimi-­Fans, sondern auch Filmregisseure und Psychologen in ihren Bann zogen. Zur Popularität haben in nicht unerheblichem Maße die zahl­reichen Verfilmungen (u.a. mit Jean Gabin, Heinz Rühmann und Ru­pert Davies) und die realitätsnahen Stoffe beigetragen.

Adjektive gestrichen
„Simenon ist Teil der Geschichten, die wir im Traum erleben“, schwärmte der Regisseur Federico Fellini, den eine langjährige Freundschaft mit dem Autor verband - ausgelöst durch Simenons En­gagement als Jury-Präsident in Cannes. In dieser Funktion setzte er die Auszeichnung von Fellinis „La dolce vita“ durch.
Stilistisch geprägt wurde er von der Schriftstellerin Colette (in den 1930er Jahren literarische Leiterin des „Le Matin“), die ihm riet, alles Li­terarische aus seinen Werken zu tilgen. Simenons Resultat war, dass er in vielen Manuskripten fast sämtliche Adjektive strich und später mit deren Verwendung äußerst sparsam war. „Ich kenne keinen blenden­den Stil, der seinen Glanz nicht mehr oder weniger von der Wahrheit entlehnt“, charakterisierte Simenon seine eigenen Werke.

Charakteristisch für die Erfolgsromane ist die augenfällige Seelenver­wandtschaft zwischen Autor und Maigret. Pfeife, Hüte, lange Mäntel und die Affinität zur guten Küche teilen Schöpfer und „Kunstfigur“. Si­menons Methode, in die Haut des Verbrechers zu schlüpfen, hat auch Maigret bei seinen Ermittlungen beherzigt. Nicht nur die Taten, son­dern auch die Motive spielen eine große Rolle. Überdies war Simenon ein peinlich genauer Beobachter, dem auch subtile Milieuschilderun­gen gelungen sind. „Wenn ich mit der Arbeit an einem Roman be­ginne, werde ich zur Hauptfigur. Ich trete in den Roman ein, wie man in eine Glaubensgemeinschaft eintritt“, beschrieb Simenon selbst seine Nähe zum „Stoff.“
Darüber hinaus verarbeitete Simenon (wie er freimütig einräumte) viele eigene Probleme in seinen Romanen: „Wenn ich mich in meiner Haut nicht recht wohl fühle, schreibe ich einen Roman: Das ersetzte die Psychoanalyse.“
Als ihm die Einfälle ausgingen und er zudem einige negative Kritiken erntete, beschloss er 1972 nach der Veröffentlichung von „Maigret und Monsieur Charles“, keine Romane mehr zu schreiben. Es er­schienen danach nur noch die „Intimen Memoiren“ (1981).

Liebte den Luxus
Der wohlhabende Georges Simenon, der am 4. September 1989 in Lausanne starb und der verfügte, dass seine Asche unter einer Zeder in seinem Garten verstreut wird, liebte den Luxus und umgab sich zeitlebens gern mit jungen Frauen. „Ich hatte Hunger auf alle Frauen, deren Weg ich kreuzte und deren wippender Hintern genügte, um bei mir fast schmerzhafte Erektionen zu verursachen“, notierte Simenon, der mit 56 Jahren zum vierten Mal Vater wurde. Seine letzten Le­bensjahre verbrachte er an der Seite seiner Lebensgefährtin Teresa in seinem „kleinen rosa Häuschen“ in Lausanne, nachdem er seine 30-Zimmer-Villa mit Blick auf den Genfer See, seine Picasso-Gemälde und zahlreiche Luxusautos 1973 verkauft hatte. Die Figur des Kom­missar Maigret hat ihm nicht nur literarischen Ruhm beschert, sondern ihn auch zum Multi-Millionär werden lassen.

Autor:

Peter Mohr aus Wattenscheid

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