Kunst mit finsterstem Ernst
Adam Soboczynskis Roman „Fabelhafte Eigenschaften“
Er ist ein Profi-Schreiber und in der Kulturszene eine feste Größe. Als Romanautor dagegen hat der 40-jährige Adam Soboczynski, seit einigen Jahren Feuilletonchef der „Zeit“, noch keine bleibenden Spuren in der literarischen Landschaft hinterlassen. Umso erstaunlicher ist es, dass sich der in Polen geborene und später in Koblenz aufgewachsene Autor nach mehreren erzählerischen Essays nun ausgerechnet die Kulturszene als Sujet für sein erstes lupenreines Erzählwerk ausgewählt hat.
Soboczynski inszeniert eine kunterbunte Satire auf den Kunstbetrieb, in dem die Selbstverwirklichung das höchste Lebensziel zu sein scheint, tatsächlich aber das exzessive Ausleben eines unreflektierten Egoismus praktiziert wird: „Er betrieb daher seine Kunst mit finsterstem Ernst . Alles durfte ironisiert werden, nur sie, die Kunst, nicht“, heißt es über die männliche Hauptfigur Hans Weinling. Der Maler steht im Mittelpunkt der Handlung, ist ein ziemlich verschlossener und schroffer Typ, der nur noch Tiere am Strand malt. „Ein großformatiges Bild, das einen Ochsen am Strand zeigte, hatte ihn in der Kunstwelt halbwegs bekannt gemacht.“
Wir leben eine Dreiecksgeschichte aus dem Milieu der Kultur-Schickeria, in dem unendlich viele bedeutungsschwangere Sprechblasen produziert werden und man sich immer wieder freundlich mit einem Gläschen Crémant zuprostet. Wir hören auf den Kulturpartys, „dass Geld in Übermaßen traurig macht“, „dass die Öffentlichkeit mittlerweile nichts anderes war als ein riesiges Großraumbüro, in dem Unnützes verrichtet wurde“, und ein in die Jahre gekommener Kunsthistoriker beklagt den Niedergang der intellektuellen Welt und die „Dumm- und Frechheit junger Journalisten.“
Sie sind alle hoch veranlagt, umfassend gebildet, aber dennoch auf eine liebenswerte Art und Weise lebensuntüchtig. Adam Soboczynskis Roman liest sich wie die Beschreibung eines skurrilen Maskenballs, denn wirklich glücklich scheint hier niemand zu sein. Die Kunst der Verstellung und Täuschung wird hier zur Perfektion getrieben, und jeder treibt mit jedem seinen Schabernack. Vielleicht hat sich der Autor hier sogar selbst als Mitglied dieses bunten Treibens ein klein wenig unter die ironische Lupe genommen, frei nach dem Motto: Nur wer über sich selbst lachen kann, hat auch Humor. Je nach Mentalität des Lesers bietet die Lektüre von „Fabelhafte Eigenschaften“ auf ansprechendem Niveau Anlässe en masse zum Schmunzeln oder gar zum herzhaften Lachen.
Adam Soboczynski: Fabelhafte Eigenschaften. Roman. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2015, 206 Seiten, 18,95 Euro
Autor:Peter Mohr aus Wattenscheid |
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