In den Sand gemalt

- hochgeladen von Peter Mohr
Henning Mankells früher Afrika-Roman „Der Sandmaler“
Als Henning Mankell im Oktober 2015 im Alter von 67 Jahren gestorben ist, hat er ein gewaltiges Oeuvre hinterlassen. Neben seinen erfolgreichen Krimis um den kauzigen, stets missgelaunten Kommissar Kurt Wallander und den psychologisch ambitionierten Gesellschaftsromanen „Tiefe (2004)“, „Kennedys Hirn“ (2006), „Die italienischen Schuhe“ (2007) und „Der Chinese“ (2008) gab es auch noch die qualitativ höchst unterschiedlichen erzählerischen Ausflüge nach Afrika, wo Mankell zu Lebzeiten in Maputo über viele Jahre ein Theater leitete. Weit über 40 Millionen Exemplare seiner Bücher gingen über den Ladentisch.
Der neueste Fund führt uns zurück zu den literarischen Wurzeln des Schweden. Der Roman „Der Sandmaler“, der 1974 fertig gestellt wurde, basiert auf einem zweijährigen Sambia-Aufenthalt des damaligen Studenten Henning Mankell.
Der Autor schickt zwei junge Landsleute auf eine zweiwöchige Afrika-Reise. Zwei Teenager, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. Da ist der großmäulige, offen zum Rassismus neigende Stefan, Sohn einer begüterten Familie, der dem Alkohol in ungesunden Mengen frönt und der es sich offensichtlich zum Ziel gesetzt hat, mit möglichst vielen afrikanischen Frauen Sex zu haben.
Ganz anders seine Schulfreundin Elisabeth, eine feinfühlige aus einfachen Verhältnissen stammende junge Frau, die offenen Auges und wissbegierig den afrikanischen Alltag aufsaugt.
Ziemlich holzschnittartig hat der junge Henning Mankell hier seine Figuren angelegt, strikt getrennt zwischen gut und böse. Überhaupt wird hier ganz ausgeprägte Schwarz-Weiß-Malerei betrieben. Der titelstiftende Sandmaler hat eines seiner Gemälde am Strand mit der Botschaft „Die Zukunft ist ein sozialistisches Afrika“ versehen. Der junge, linke Weltverbesserer Mankell lässt zudem noch weiße Kleider auf der Wäscheleine „wie Fahnen der Hoffnung“ wehen.
Anfängerfehler
Hier und da hätte man sich das Eingreifen eines mutigen Lektorats gewünscht. Sätze wie „die alte Bibliothek war alt“ oder „er hatte das bestimmte Gefühl, dass sie sich kaum wiedersehen würden“ hätten in jedem VHS-Schreibkurs zu vehementem Intervenieren geführt.
Und doch gibt es in diesem Frühwerk auch eine ausgesprochen gelungene, unter die Haut gehende Sequenz. Elisabeth entdeckt am Strand die Sandgemälde eines Einheimischen, kommt mit ihm ins Gespräch und erhält zwei Bilder als Geschenk. Ein eindringliches Symbol, denn diese Sandbilder lassen sich durch die Kolonialherren nicht zu Geld machen. Nur das Meer kann sie sich aneignen. Ein Bild, das Mankell offensichtlich zeitlebens beschäftigt hat, denn „Treibsand“ heißt das kurz vor seinem Tod erschienene autobiografische Bekenntnisbuch.
Es mag handfeste kommerzielle Gründe für die Veröffentlichung dieses mehr als 40 Jahre alten Romans geben. Aber es gab damals ganz offensichtlich auch gewichtige literarische Gründe, dieses Buch nicht zu verlegen. Ja, Mankells Liebe zu Afrika lässt sich hier schon aus jeder Zeile heraus lesen. Aber der „Sandmaler“ bewegt sich sprachlich und gedanklich auf so bescheidenem Niveau, dass dieser frühe Roman für den Nachruhm dieses fraglos bedeutenden Romanciers eher abträglich ist. Ein verdammt schmaler Grat zwischen Kommerz und Kunst.
Henning Mankell: Der Sandmaler. Roman. Aus dem Schwedischen von Verena Reichel. Zsolnay Verlag, Wien 2017, 156 Seiten, 20 Euro
Autor:Peter Mohr aus Wattenscheid |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.