Bücher sind zum Lesen da
Zum 80. Geburtstag von Hansjörg Schneider (am 27. März*) erschien Autobiografie „Kind der Aare“
Er liest gern Chandler, Simenon und Dürrenmatt und gehört selbst zu den meistgelesenen deutschsprachigen Kriminalschriftstellern. Die Rede ist vom Schweizer Hansjörg Schneider, der mit dem Aargauer und dem Basler Literaturpreis, später mit einem Preis der Schweizer Schillerstiftung für sein Gesamtwerk und 2005 mit dem Friedrich-Glauser-Preis für den besten deutschsprachigen Kriminalroman ausgezeichnet wurde.
Einem breiten Publikum wurde der Brecht-Liebhaber erst seit den 1990er Jahren mit seinen Romanen um den kauzig-introvertierten Kommissär Peter Hunkeler bekannt. Ihren speziellen Reiz beziehen diese Romane durch den unkonventionellen Protagonisten, durch dessen eigentümliche Charakter-Mischung aus Starrsinn und Charme. Ein Ermittler, der allen Klischees zuwider läuft und über den die junge Türkin Dilara in „Hunkeler und der Fall Livius“ (2007) (beinahe liebevoll) befand: „Man müsste sie ins Museum stellen.“
Hansjörg Schneider, der heute* vor 80 Jahren in Aarau geboren wurde, arbeitete nach dem Studium, das er 1966 mit der Promotion über den expressionistischen Lyriker Jakob van Hoddis abschloss, zunächst als Lehrer, Journalist und Regieassistent am Theater Basel. Obwohl er schon in jungen Jahren kontinuierlich Theaterstücke (die erste Aufführung war 1972 „Sennentuntschi“ in Zürich), Romane und Gedichte geschrieben hatte, folgte der Karriere-Schub erst mit dem ersten Hunkeler-Roman „Silberkiesel“ (1993).
Schneiders Protagonist, der in seinen Ermittlungsmethoden ein wenig an Simenons Maigret erinnert, trägt unübersehbare autobiografische Züge. Wie sein Schöpfer ist er in Aarau geboren, lebt nun aber auch in der Mittleren Straße in Basel, und wie Schneider selbst ist auch sein Hunkeler ein Liebhaber der guten Küche und des erlesenen Weines, sie „teilen“ überdies noch das Wochenend-Domizil im benachbarten Elsass, die Liebe zur Natur, die Abneigung gegen moderne Technik (Schneider schreibt immer noch auf einer Schreibmaschine) und ihre sozialdemokratische Gesinnung.
Im neunten Fall mit dem Titel „Hunkelers Geheimnis“ (2015) hat Schneider zuletzt das unruhige Rentnerdasein des Kommissars beschrieben, der auch auf dem Krankenbett noch von seinem unstillbaren Ermittlungseifer gepackt wird.
Wie in den Vorgängerwerken lieferte Hansjörg Schneider auch darin wieder weit mehr als nur einen Kriminalfall. Eine Vielzahl subtil gezeichneter Menschenbilder, jede Menge Lokalkolorit und eine selbstkritische Lebensbilanz seines Protagonisten Peter Hunkeler prägten den neunten Band. „Im Moment weiß ich nicht, ob es noch ein weiteres Hunkeler-Buch gibt. Er ist schließlich im Pensionsalter“, hatte Schneider in einem Interview erklärt.
Uneitle Autobiografie
Pünktlich zum 80. Geburtstag ist nun unter dem Titel „Kind der Aare“ Schneiders Autobiografie erschienen. Ein uneitles Buch, in dem sich der Autor relativ wenig über sein Privatleben (seine früh verstorbene Frau und seine Kinder) äußerst, sondern sich selbst stets in den Kontext der Zeit einbringt: die entbehrungsreiche Nachkriegszeit, die Studentenjahre und seine Anfänge am Theater.
„Die Wörter verloren ihren Wert, ihren Sinn. Ich wurde zu einem Menschen ohne Wörter, ich wurde stumm“, heißt es an einer Stelle über seine harte Jugend unter der Knute eines zur Gewalt neigenden Vaters und einer Mutter, die den Freitod wählte. Peu à peu hat sich Schneider von dieser Form der Sprachlosigkeit erholt und wurde zu einem erfolgreichen Romanautor. Diese Zeit kommt in der Autobiografie nur marginal vor. „Neben meiner Theaterarbeit habe ich regelmäßig auch Romane und Tagebücher geschrieben und veröffentlicht. Dazu will ich nichts sagen. Bücher sind zum Lesen da, nicht zum darüber Reden.“ Lesenswert sind sie auf jeden Fall – egal, ob die neue Autobiografie oder seine neun Hunkeler-Romane.
Hansjörg Schneider: Kind der Aare. Autobiografie. Diogenes Verlag, Zürich 2018, 338 Seiten, 22 Euro.
Autor:Peter Mohr aus Wattenscheid |
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