Buchtipp der Woche: Weiße Socken sieht man immer

Paul Ingendaay: Die romantischen Jahre. Roman. Piper Verlag, München 2011, 467 Seiten, 19,99 Euro

Als Schriftsteller ist der 50-jährige Paul Ingendaay ein Spätentwickler. Erst vor sechs Jahren hat er seinen ersten Roman vorgelegt, für den er sogleich mit dem angesehenen „Aspekte“-Literaturpreis des ZDF ausgezeichnet wurde.

Kein Wunder, denn Ingendaay ist ein Literaturprofi, war sechs Jahre Literaturredakteur bei der FAZ, wurde 1997 mit dem Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik ausgezeichnet und ist seit 1998 Feuilletonkorrespondent der FAZ für Spanien und Portugal. Beinahe nebenbei hat er noch über den US-Autor William Gaddis promoviert und einen Band mit Erzählungen des spanischen Star-Autors Javier Marías herausgegeben.
Mit seinem zweiten Roman knüpft Ingendaay nahtlos an sein Vorgängerwerk „Warum du mich verlassen hast“ an. Wieder steht Marko Theunissen im Mittelpunkt der Handlung. Aus dem niederrheinischen Internatsschüler des Romandebüts ist ein desillusionierter Enddreißiger geworden, der nach abgebrochenem Literaturstudium eine Versicherungsagentur im ländlichen Umfeld von Krefeld betreibt. „Eines Tages wachte ich auf“, heißt es zu Beginn in Anspielung auf Franz Kafka, „und fand mich in einen Versicherungsvertreter verwandelt.“ War das wirklich eine schicksalhafte Wendung in Theunissens Leben? Oder hat er sich nicht vielmehr den Weg in die Mittelmäßigkeit selbst gewählt?
Weite Passagen des Romans gestaltet Ingendaay als inneren Monolog seines Protagonisten und hebt den Text dadurch formal aus den thematischen Untiefen des auf den ersten Blick biederen Stoffs empor. Theunissen ist gleichzeitig Handelnder und kritischer Beobachter seiner selbst und seines Gewerbes. „Manche von uns sind Drücker, die zuhause nur einen Schlafsack haben. Männer mit unmöglichen Schnurrbärten, Proleten mit Lederjacken, weißen Tennissocken und Kettchen am Handgelenk. Und irgendwie sieht man die weißen Socken auch noch, wenn sie zur Feier des Tages schwarz oder braun sind.“
Theunissen, der eine Affäre mit der Frau eines Kunden hat, bekommt mit einem seiner Kollegen handfesten Ärger. Jener Hermann Pooten ist ein extrem unseriöses „Exemplar“ der Spezies Versicherungskaufmann. Er plündert Theunissens Kundenkartei und scheut auch vor einer Erpressung nicht zurück.
Auch im privaten Bereich läuft längst nicht alles nach Plan. Theunissens Vater, der sich im Anfangsstadium der Demenz befindet und fast völlig erblindet ist, hat es sich in den Kopf gesetzt, zu seinem anstehenden 75. Geburtstag eine patriarchalisch angeordnete Familienzusammenführung durchzuziehen. Markos verheiratete Schwester widersetzt sich; sie hat den Eltern auch nach 22 Jahren die Trennung noch nicht verziehen.
Paul Ingendaay hat in seinem zweiten Roman einige Rückgriffe auf das Vorgängerbuch eingeflochten. Das verursacht einige unnötige erzählerische Längen. Ansonsten präsentiert uns der Autor einen geradezu liebenswert gezeichneten Verlierer, eine Hauptfigur, die irgendwo auf der Strecke geblieben ist, die vertanen Lebenschancen nachtrauert und sich die Frage stellt, ob das Dorf am Niederrhein tatsächlich schon die Endstation ist.
„Ich glaubte, dass es eine Art Bedeutung oder tieferen Sinn in dem Beruf gibt, der mit Tod und Leben, Krankheit und Katastrophen zu tun hat“, erklärte Autor Paul Ingendaay, der trotzdem kaum ein gutes Haar an diesem Gewerbe lässt und einen knallharten Verdrängungskampf um die Provisionen beschreibt.
Der Buchtitel ist pure Ironie, denn romantisch geht es bei Ingendaay ganz und gar nicht zu. Der Roman changiert federleicht zwischen Tragik und Komik und hält die schwierige Balance zwischen Tiefsinn und Unterhaltung.

ANRUFEN UND GEWINNEN
Wir verlosen 3 Exemplare dieses Buches. Wer sich dafür interessiert, rufe zwischen Samstag (21.1.) 10 Uhr und Sonntag (22.1) 22 Uhr unsere Gewinnhotline (01379/220009) an. Nennen sie uns dann den Autor des oben vorgestellten Buches. Der Anruf kostet 50 Cent/Minute aus dem dt. Festnetz. Mobilfunk-Anrufe können teurer sein.

Autor:

Peter Mohr aus Wattenscheid

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