BUCHTIPP DER WOCHE: Offene Rechnungen

Alfred Neven DuMont: Vaters Rückkehr. Roman. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2011, 160 Seiten, 17,99 Euro

„Du brauchst nicht zu erschrecken, mein Sohn! Ich tue dir nichts, keine Angst!“ Mit diesen Worten taucht eine totgewähnte Person nach 13-jähriger „Auszeit“ wieder auf der Familienbühne auf. Es ist der Vater des erfolgreichen Bankers Karl, der gerade in den Vorstand seines Unternehmens berufen wurde, einigermaßen glücklich verheiratet und Vater von sechsjährigen Zwillingsmädchen ist.

Vater-Sohn-Konflikte gehören fraglos zu den ältesten literarischen Motiven, dennoch haben wir es hier mit einem außergewöhnlichen „Fall“ zu tun, der für eine Menge Zündstoff im außerkünstlerischen Bereich sorgte. Autor Alfred Neven DuMont ist schließlich nicht irgendwer, sondern der Regent eines gigantischen Medienimperiums (Kölner Stadt-Anzeiger, Berliner Zeitung, Mitteldeutsche Zeitung, Frankfurter Rundschau, Express). Und vor etwas mehr als einem Jahr waren die familiären Scharmützel im Hause Neven DuMont vor allem von den Konkurrenzmedien kräftig ausgeschlachtet worden. Alfred Neven DuMont hatte seinen Sohn Konstantin in den Vorstand berufen, ihm das Terrain für die Nachfolge bereiten wollen, um ihn dann später zunächst zu beurlauben und dann zu entlassen.
Um es gleich vorwegzunehmen: Wir haben es hier mit keinem Schlüsselroman und keiner versteckten Abrechnung zu tun. Gleichwohl werden Insider nicht müde, auf die durchaus vorhandenen Parallelen zwischen den realen DuMonts und den Romanfiguren hinzuweisen. Wer allerdings Skandalpotenzial zwischen den Buchdeckeln vermutete, wird das schmale Bändchen arg enttäuscht zur Seite legen.
Der mittlerweile 84-jährige Alfred Neven DuMont erzählt seine klug konstruierte Geschichte um Vater und Sohn in einer leicht altmodisch-steif anmutenden Sprache und bemüht sich um emotionale Neutralität.
Sohn Karl leidet unter Vaters Vereinnahmung seines sozialen Umfeldes. Plötzlich ist der erfolgreiche Banker nicht mehr Herr seines eigenen Lebens. Sein Vater Hans (einst nur Abteilungsleiter im gleichen Unternehmen) ist ein Charmeur alter Schule, gewinnt alle Herzen im Sturm, scheint überhaupt nicht älter geworden zu sein und erfreut sich mit seinen achtzig Jahren noch einer außergewöhnlichen Vitalität.
Doch seit seinem Auftreten geht ein tiefer Riss durch Karls Leben. Ausgerechnet an seinem 42. Geburtstag gerät sein Familienglück aus den Fugen, bezichtigt ihn seine Frau Marie der Lüge und schenkt all ihre Sympathie dem Senior.
Über allen Animositäten zwischen Vater und Sohn schwebt das tragische Ende von Karls Mutter, die im Meer ertrunken ist und für deren frühen Tod er seinen Vater stets mitverantwortlich gemacht hat.
„Du hattest einen Vater, der sich immer um Dich bemüht hat“, heißt es an einer Stelle rückblickend. Doch die Fronten sind offensichtlich auf ewig verhärtet: „Sein Bemühen ist nicht zu mir durchgedrungen.“#

Offene Rechnungen

Offene Rechnungen werden knallhart gegenüber gestellt. Der Vater hält seinem Sohn nicht beglichene Spielschulden und sein Fernbleiben auf der inszenierten Beerdigung vor, die ihrerseits ein geschmackloser Betrug war.
Alfred Neven DuMonts Roman trägt trotz des absolut realistischen Grundtenors auch märchenhafte Züge. Der Vater taucht vom anderen Ende der Welt auf wie Phönix aus der Asche und verschwindet nach einer Woche ebenso plötzlich wieder, und auf der letzten Seite lässt der Autor seine Geschichte in ein völlig offenes Ende kippen.
War alles nur ein schrecklicher Albtraum? Jedenfalls fragt die vor etlichen Jahren ertrunkene Mutter: „Sag‘ mir, warum hast Du um Gottes willen Deinen Vater erschlagen? Warum? Sag mir die Wahrheit.“ Nein, das ist kein Skandalroman, sondern „nur“ eine exzellent gebaute, anspruchsvolle Vater-Sohn-Geschichte.

Autor:

Peter Mohr aus Wattenscheid

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