BUCHTIPP DER WOCHE: Die Wahrheit des Bösen
Der Autor Ernst-Wilhelm Händler, der Ende März seinen 60. Geburtstag gefeiert hat, ist ein absolut singulärer Typ im deutschsprachigen Literaturbetrieb. Der studierte Philosoph und Ökonom leitete bis 2001 in Regensburg ein Familienunternehmen für Elektrotechnik und hat quasi nebenher sechs Romane verfasst.
Im Mittelpunkt seines neuen Erzählwerks steht ein namenloser, diabolischer Ingenieur - paradigmatischer Zyniker, emotionslos, selbstherrlich und perfide. „Ich konnte den Anblick nicht ertragen und hielt einen Schweißbrenner vor den blinden Roboter. Er verging in einem Feuerstoß“, so beschreibt der Ich-Erzähler die Vernichtung eines nicht nach seinem Gusto funktionierenden Roboters. Dabei spielen Roboter im Leben von Händlers Hauptfigur eine ganz entscheidende Rolle. Er unterhält ein geheimes Roboterlabor, das er (ohne Wissen der Konzernspitze) aus Schwarzgeld finanziert und in dem er fieberhaft an einem System interaktiver Roboter arbeitet. Das Programmieren und Steuern von Robotern ist dem Wesen nach nichts anderes als das Manipulieren von Menschen.
Ernst Wilhelm Händler zeichnet ein düsteres, ein wenig überzogenes Bild der modernen Gesellschaft zwischen High-Tech-Wahn und Renditekurven. Die Besessenheit der Hauptfigur gewinnt mit fortschreitender Handlung paranoide Züge: „Die Wirklichkeit wird nicht mehr gebraucht, sie kann verschwinden, sie muss verschwinden.“
Vor der „Abschaffung der Wirklichkeit“ werden die vermeintlich nahestehenden Personen aus dem Umfeld „eliminiert“: die Ehefrau Maren wird durch eine unheilbare Krankheit ins Jenseits katapultiert, Tochter Greta und dem Freund und engen Mitarbeiter Peter wird ebenfalls böse mitgespielt, Mitarbeiter verlieren reihenweise ihre Jobs. Händlers Hauptfigur pendelt zwischen Gott und Teufel.
Die Überzeichnung gleitet jedoch ins Parolenhafte ab. Wir wissen alle längst, wie es um den „Zustand“ dieser Figur bestellt ist. Bedarf es da noch solcher Sätze? "Ich gebe dem Bösen meinen Körper. Dafür kann der Fortschritt unbehelligt und ohne Schuldgefühle Riesenschritte machen. Die Wahrheit des Bösen, das bin ich.“ Da wird die moralische Attitüde des Autors zur Posse und der Protagonist als „Überlebender“ endgültig ins Reich der Dämonie verbannt.
Ernst-Wilhelm Händlers siebter Roman lebt fraglos von der (maßlosen) Übertreibung als Stilmittel. Doch das dargestellte Szenario, dieses furchtbare Gemisch aus Fortschrittswahn, Emotionslosigkeit und ur-kapitalistischer Gewinnmaximierung macht trotzdem angst, denn dahinter verbirgt sich als tragende Theorie, dass eine besessene, wahnhafte Elite mit Hochdruck an der Abschaffung gewohnter Lebensumstände arbeiten und damit peu à peu der Selbstzerstörung der Menschheit entgegen steuern könnte.
Das ist ganz schwere literarische Kost, durchaus reizvoll aber enorm anstrengend, nichts für den Leserhunger zwischendurch.
Ernst-Wilhelm Händler: Der Überlebende. Roman. S. Fischer Verlag, Frankfurt 2013, 319 Seiten, 19,99 Euro
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Autor:Peter Mohr aus Wattenscheid |
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