Buchtipp der Woche: Das Licht im Dachfenster
Anrufen und gewinnen
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„Er versucht in Gleichnissen, eine fliehende Wirklichkeit sichtbar zu machen“, hieß es in der Begründung des Stockholmer Nobelpreiskommitees, als José Saramago 1998 die wichtigste Auszeichnung der literarischen Welt verliehen wurde. Bis zur Krönung seiner künstlerischen Laufbahn war es ein dornenreicher und von Rückschlägen geprägter Weg.
Einem wunderbaren Gleichnis begegnen wir in Saramagos vor fünfzig Jahren fertig gestellten, dann verschwundenen und erst 1999 wieder aufgetauchten Roman „Claraboia“, über den der 2010 auf Lanzarote verstorbene Autor verfügt hatte, dass er erst nach seinem Tod veröffentlicht werden darf. Zwanzig Jahre brauchte Saramago damals um die Enttäuschung über die Nichtveröffentlichung zu überwinden.
„Claraboia“ steht in deutscher Übersetzung für ein Dachfenster, durch das Licht in ein Haus einfällt. Ein großes Lissaboner Mehrfamilienhaus der frühen 1950er Jahre ist der Handlungsschauplatz, und Saramago scheint durch eben diese Dachluke ins Innere zu blicken und die kleinen und großen Schicksale hinter den Wohnungstüren zu beleuchten – ganz nach dem Motto des Tolstoj-Satzes aus „Anna Karenina“: „Alle glücklichen Familien sind einander ähnlich, jede unglückliche Familie ist unglücklich auf ihre Weise.“
Armut und Angst
Ständig hüllt Nebel oder Dunst die portugiesische Hauptstadt ein, das Wetter passt zum Milieu, zur politischen Situation und zur Gemütslage der Figuren.
Es ist die Zeit der Salazar-Diktatur, Armut und Angst prägen den Alltag im Mikrokosmos des Mietshauses - ob beim Schuster Silvestre, seiner Ehefrau Mariane und deren Untermieter Abel, bei der herrlich anrüchig gezeichneten Prostituierten Lidia, beim Ehepaar Emilio und Carmen, aus dessen heißer Liebe der reinste Ehe-Horror geworden ist oder bei Isaura, Adriana und ihrer kunstbeflissenen Tante Amélia, die sündhaft viel Geld für eine Beethoven-Maske als Geschenk ausgibt. Ein wenig dickschädelig setzt sie auf die Kraft der Kultur als Rettungsanker gegen die Armut.
Dieses erzählerische Frühwerk, das Saramago seinem Großvater gewidmet hat, der weder lesen noch schreiben konnte, ist bunt und bisweilen etwas ausschweifend erzählt.
Ungestüm, idealistisch und schwärmerisch begegnen wir hier dem späteren Nobelpreisträger, der uns mit reichlich Pathos aus dem Roman entlässt: „Der Tag, an dem es möglich sein wird, auf Liebe zu bauen, ist noch nicht gekommen…“ Das war ganz gewiss noch keine Weltliteratur, aber eine mehr als beachtliche Talentprobe eines jungen Mannes, der es sich in den Kopf gesetzt hatte, die Welt schreibend etwas verändern zu wollen.
José Saramago: Claraboia. Roman. Aus dem Portugiesischen von Karin von Schweder-Schreiner. Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2013, 352 Seiten, 22,99 Euro
Autor:Peter Mohr aus Wattenscheid |
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