BUCH DER WOCHE: Rettung auf einer kleinen Insel

Isabel Allende: Mayas Tagebuch. Roman. Aus dem Spanischen von Svenja Becker. Suhrkamp Verlag, Berlin 2012, 445 Seiten, 24,95 Euro

„Ich wollte den Roman als Detektivgeschichte anlegen“, erklärte Isabel Allende, die am Donnerstag ihren 70. Geburtstag feierte, über ihren neuen Roman „Mayas Tagebuch“. Um es gleich vorwegzunehmen: Es ist alles andere als eine Detektivgeschichte, und dennoch unterscheidet es sich gewaltig von den letzten Allende-Büchern, die zumeist um historische Figuren kreisten.

Im Zentrum steht diesmal die 19-jährige Maya Vidal, die nach einer wohlbehüteten Kindheit und Jugend bei ihren Großeltern durch den Tod des Großvaters auf die schiefe Bahn gerät. Alkohol, Drogen und Prostitution führen sie ins kriminelle Milieu von Las Vegas, und irgendwann wird das Mädchen sowohl von der Polizei als auch von kriminellen Gangs gejagt. Ihre chilenische Großmutter kommt dann wie ein rettender Engel daher. Mit deren Hilfe gelingt es Maya, auf einer kleinen chilenischen Insel unterzutauchen. Nicht nur einige tausend Kilometer von ihrer Heimat, sondern auch „Lichtjahre“ von der modernen Zivilisation entfernt. Maya führt auf dem kleinen Archipel ein beinahe archaisches Leben, abseits von Internet und Mobiltelefonen. Ihre Flucht aus der lasterhaften Sphäre der grell-bunten, ständig pulsierenden Metropole Las Vegas in die Einöde der Insel wirkt wie eine symbolische Arreststrafe, eine Zwangsberuhigung und radikale Entschleunigung des Lebens im Jahr 2009. Das ist spannend erzählt und mit großem dramaturgischen Geschick konstruiert, doch Isabel Allendes erhobener, moralisierender Zeigefinger thront allzu dominant über der gesamten Geschichte
Manchmal ist es mehr Fluch als Segen, wenn einem Schriftsteller mit dem Debütwerk gleich ein ganz großer Wurf gelingt. Günter Grass machte diese Erfahrung, weil er über lange Zeit stets an der „Blechtrommel“ gemessen wurde. Nicht anders erging es Isabel Allende, die mit ihrem Erstling „Das Geisterhaus“ (1982) auch gleich einen Weltbestseller landete. Die über einen Zeitraum von rund 50 Jahren angesiedelte, mit autobiografischen Elementen versehene chilenische Familiensaga um den Protagonisten Esteban Trueba reicht bis in die politisch turbulenten 70er Jahre, als die Militärs unter Pinochets Führung putschten und Staatspräsident Salvador Allende (ein Onkel der Autorin) unter nie restlos geklärten Umständen ums Leben kam. Als Bille August 1993 den Roman mit Starbesetzung (Jeremy Irons, Meryl Streep, Winona Ryder, Glenn Close, Antonio Banderas, Vanessa Redgrave und Armin Müller-Stahl) kongenial verfilmte, schnellten die Verkaufszahlen des Buches noch einmal in die Höhe. Weltweit sind knapp 40 Millionen Exemplare von Isabel Allendes Büchern verkauft worden - allein 7 Millionen im deutschsprachigen Raum.
Nach Erscheinen des „Geisterhauses“ hat sich Isabel Allendes Leben schlagartig verändert. Und die „Geschichtenjägerin“ (wie sie sich einmal selbst nannte) schrieb - angespornt durch den Erfolg ihres Debütwerks - wie besessen weiter. Ihre Nachfolgeromane „Von Liebe und Schatten“, „Eva Luna“, und „Der unendliche Plan“ wurden zwar auch zu Bestsellern, aber von der Literaturkritik eher zurückhaltend aufgenommen.

Autor:

Peter Mohr aus Wattenscheid

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