Buch der Woche: Die Spinne im Bernstein
Sabrina Janesch: Ambra. Roman. Aufbau Verlag, Berlin 2012, 396 Seiten, 22,99 Euro
Mit 20 Jahren belegte sie Platz eins bei einem Literaturwettbewerb, studierte kreatives Schreiben bei Hanns-Josef Ortheil an der Uni Hildesheim, 2009 erwarb sie ihr Diplom und war Stadtschreiberin von Danzig, mit 25 veröffentlichte sie ihren hochgelobten Romanerstling „Katzenberge“, kürzlich brachte sie in Münster eine Tochter zur Welt, in diesem Herbst ist ihr zweiter Roman „Ambra“ erschienen, und der dritte Roman soll im Kopf bereits fertig sein. Die Schriftstellerin Sabrina Janesch kann mit ihren heute gerade einmal 27 Jahren schon auf eine bewegte Vita zurückblicken.
Vier Jahre hat sie an „Ambra“ gearbeitet und am Ende die fast 2000 Seiten umfassende Rohfassung auf knapp 400 Seiten zusammengestrichen. Herausgekommen ist eine große deutsch-polnische Familiengeschichte, die einen Zeitraum von 150 Jahren umfasst und gleichzeitig mit Hilfe des Handlungsortes Danzig (wer denkt da nicht automatisch an die frühen Grass-Romane?) das historische Auf und Ab der deutsch-polnischen Beziehungen widerspiegelt. Am Ende der verschlungenen Handlung verschwinden sogar noch zwei Figuren.
Hauptfigur des Romans ist die junge Kinga Mischa, Tochter einer deutsch-polnischen Familie und mit diesem biografischen Background sowohl mit der Autorin selbst als auch mit Nele, der Protagonistin aus Sabrina Janeschs Erstling, „verwandt“. Sie erbt nach dem Tod ihres Vaters eine Wohnung am Danziger Wallplatz. Als sie sich in die Heimatstadt ihrer Familie begibt, stößt sie bei den polnischen Verwandten, den Myszas, auf Ablehnung. Doch allen Anfeindungen zum Trotz bleibt Kinga in Danzig und lernt die Heimatstadt ihres Vaters kennen und lieben.
Die junge Frau entwickelt peu à peu seherische Fähigkeiten, die ihr offensichtlich ein Familienamulett verliehen hat - ein Bernstein, der eine Spinne umschlossen hat und indirekt dem Roman auch den Titel verlieh, denn „Ambra“ ist ein alter volkstümlicher Name für den Bernstein.
Oft und manchmal geradezu abrupt gibt es bei Sabrina Janesch Wechsel von Raum, Zeit und Handlungsfiguren, bis hin zur Perspektive der im Bernstein eingeschlossenen Spinne. Die leicht dämonisch gezeichnete Kinga kann mit mithilfe des Amuletts in den Erinnerungen anderer Menschen lesen, so auch in den Gedanken ihres Cousins Bartosz, der seit einem Kriegseinsatz im Irak stark traumatisiert ist.
"Für mich ist Bartosz die logische Fortführung dieser Familiengeschichte", sagte Sabrina Janesch bei der Vorstellung des vorliegenden Romans, die keineswegs zufällig in Danzig stattfand. Und Danzig ist hier mehr als nur der pittoresk ausgemalte Handlungsort. Danzig steht nicht nur für einen leicht nebulösen Heimatbegriff, sondern auch für das bisweilen schmerzhafte Aufeinanderprallen deutschen und polnischen Kulturguts.
„Ich habe es immer so empfunden, dass ich über eine andere Stadt schreibe, andere Phänomene, als Grass es getan hat“, meinte Sabrina Janesch bei der Romanpräsentation. Es ist zwar in „Ambra“ das Danzig von heute, doch in den retrospektiven Passagen sind Berührungspunkte zu den frühen Grass-Werken nicht zu leugnen. Die seherische Kinga Mischa und der trommelnde Oskar Matzerath, der mit seiner schrillen Stimme Gläser zum Bersten brachte, diese beiden magisch-zauberhaften Figuren könnten durchaus Geschwister sein. Wenn es nach „Katzenberge“ noch eines Beweises für das außergewöhnliche Erzähltalent von Sabrina Janesch bedurfte: Hier ist er.
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Autor:Peter Mohr aus Wattenscheid |
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