Buch der Woche: Der vierfache Kristof

Der 46-jährige katalanische Autor Jordi Punti erzählt in seinem neuen Roman die aufregende Lebensgeschichte des Umzugshelfers Gabriel Delacruz. Ein Mann mit vielen charakterlichen Facetten - ein treuer Freund, aber auch ein lasterhafter Frauenheld und Falschspieler.

Mit seinen Arbeitskollegen Bundo und Petroli bildet er ein fest verschweißtes Freundestrio. Sein großes Laster sind die Frauen und das Kartenspiel. Er lügt und betrügt, wie es schlimmer kaum sein könnte. In jedes Sakko hat er Spielkarten eingenäht, und mit seiner Treue zu Frauen ist es auch nicht weit her.
Die leicht märchenhaft anmutende Handlung kreist um die vier Söhne des Protagonisten, die zunächst voneinander nichts wussten und in London, Paris, Frankfurt und Barcelona lebten. In vier verschiedenen europäischen Metropolen hat Gabriel Delacruz einst einen Sohn gezeugt, hat die Mütter schmählich im Stich gelassen, aber (und hier wird es dann sehr märchenhaft!) irgendwie dafür gesorgt, dass alle Söhne den Namen Christof bekommen – in den abgewandelten Varianten der jeweiligen Landessprache.
Irgendwann hat der in Barcelona lebende Sohn Christòfol einen Zettel mit den Namen seiner Halbbrüder (alle inzwischen um die vierzig) gefunden und sich mit ihnen verbündet, um den gemeinsamen Vater finden zu wollen, der seit einem Unfall auf der Fahrt von Hamburg nach Barcelona spurlos verschwunden zu sein scheint.
Obwohl hinter ihren „vaterlosen“ Biografien auch noch die Schicksale von vier verlassenen, betrogenen Müttern stehen, wird das Christof-Quartett keineswegs von Hassgefühlen angetrieben. „Ist euch klar, dass euer Vater ein passiver Don Juan war? In Liebesdingen konnte er schlicht und einfach nicht Nein sagen“, wirbt Petroli, der Freund und Arbeitskollege um Verständnis für die Hauptfigur.
Man wird bei der Lektüre hin- und hergerissen, schwankt zwischen tiefer Abneigung und stiller Sympathie für den Lebenskünstler, Falschspieler, Betrüger und Dieb Gabriel Delacruz. Jordi Punti erzählt extrem schwungvoll und mit einer gehörigen Portion augenzwinkerndem Humor: ein modernes Märchen mit überbordender südeuropäischer Lebenslust ausstaffiert. An einem Pokertisch endet dieses fantasievolle „Schurkenstück“ etwas überraschend. Im Märchen ist eben (fast) alles erlaubt.

Jordi Punti: Die irren Fahrten des Gabriel Delacruz. Roman. Aus dem Katalanischen von Michael Ebmeyer. Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2013, 603 Seiten, 19,99 Euro

Autor:

Peter Mohr aus Wattenscheid

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