Zeit zum Leben
Max auf der Reise seines Lebens - Teil 1
10.000 Kilometer Luftlinie vom heimischen Voerde entfernt, lebt Max Knebel seit fast zwei Jahren in Kolumbien. Eine Entscheidung, die er bis heute nicht bereut und ihn die Welt mit anderen Augen sehen lässt. Von Heimweh keine Spur.
Mit einem "das kann doch nicht alles gewesen sein" fing es an. Max, damals 22 Jahre alt, hatte eine Festanstellung als Tischler mit geregelten Arbeitszeiten und all den dazugehörigen Sicherheiten. Irgendwann hatte er das Gefühl, in einer Blase zu leben. Alles war da, alles war bekannt, alles wiederholte sich. So sollte sein Leben nicht verstreichen. Er brauchte unbedingt was Neues und ganz Anderes.
Raus in die Welt
Raus in die Welt wollte Max schon immer. Also: Job gekündigt und Mitte Juli 2018 mit einem One-Way-Ticket, etwas Gespartem in der Tasche und vielen Erwartungen in den Flieger nach Kolumbien gestiegen. Sein Plan: Arbeiten, Reisen, Land und Leute kennenlernen. „Kolumbien war von Anfang an mein Plan“, erzählt er. Sein erstes Ziel: Cartagena an der Karibikküste. Bei Max ist es gerade acht Uhr morgens, als wir telefonieren. Bei uns ist es bereits sieben Stunden später. Ich spreche mit einem selbstbewussten jungen Mann, der voll und ganz hinter seiner Entscheidung, seiner Heimat in Voerde den Rücken zu kehren, steht. Er trinkt gerade seinen ersten Kaffee - aus eigenem Anbau versteht sich. Im Hintergrund höre ich so allerhand exotische Naturgeräusche und Tierstimmen. Fernsucht steigt in mir auf …
Aber zurück zum Anfang: Über die Organisation WWOOF hatte er sich bereits in Deutschland einen Tischler-Job als Volunteerworker gesucht und zu Beginn seiner Reise zwei Wochen in einem Hostel im Tayrona Nationalpark gearbeitet. Vor ihm die Karibikküste, hinter ihm der Regenwald. Anschließend ging es dann drei Wochen über mehrere Orte und Dörfer in Richtung Hauptstadt Bogotá. „Eine hässliche Stadt, nicht erwähnenswert“, meint Max. Dort suchte er sich schnell wieder Arbeit über WWOOF.
Genau Max' Ding
Ein entscheidender Punkt auf „seiner Reise“, wie Max seine Zeit in Kolumbien nennt. Denn dort habe er Sergio, einen mittlerweile sehr guten Freund, kennengelernt. Über die Organisation hat er bei ihm Arbeit gefunden. Der 42-jährige Autor und Literaturwissenschaftler hatte das Großstadtleben satt und kündigte seinen gutbezahlten Job in einer Bibliothek. Außerhalb von Bogotá, im zweistündig entfernten Subia an der Panamericana, kaufte er sich ein Stück Land in den Bergen und baute darauf in Eigenleistung von seinen Ersparnissen ein Haus. Dort versorgt er sich zum größten Teil selbst, versucht sämtliche Materialien zu recyceln. Genau Max' Ding. „Alles andere, was wir benötigen, gibt es in der kleinen ‚Tienda‘ unten an der Panamericana. Eine Art Kiosk, in dem es alles gibt, was man so braucht“, sagt er. Zwei Wege führen dorthin: 40 Minuten zu Fuß den Berg runter und wieder hoch. Ein Auto gibt es nicht. „In diese Art Lebensstil habe ich mich direkt verliebt. Das führte auch zu meiner Inspiration, dass ich viel über das Leben in Deutschland nachgedacht habe. Dort dreht sich alles um Materielles, für mich hat das gar nicht mehr viel Wert“, reflektiert er.
Auch die Liebe zu seinem Beruf hat er dort wiederentdeckt. „Wir arbeiten hier ausschließlich mit Massivholz und einfachen Werkzeugen“, erzählt der gelernte Tischler begeistert. Da mache kreativ. „Ich muss mit dem arbeiten, was mir zur Verfügung steht.“ Und erklärt, dass er ohne die großen Maschinen, mit denen man in Deutschland arbeitet, wieder einen ganz anderen Zugang zu seinem Beruf erlangt habe. Zwei Monate war er bei Sergio, hat Geld verdient, um dann erstmal weiter Richtung Süden zu reisen. „Die Zeit bei ihm, hat mich enorm geprägt“, ist sich Max sicher. Es sollte nicht das letzte Mal sein, dass die beiden aufeinander treffen.
Beeindruckende Natur
Mit einem Jeep ging es durch die Tatacoa-Wüste in Neiva, nur ca. 3° nördlich des Äquators, um zum Fluss Caño Cristales, dessen Wasser für eine kurze Zeit im Jahr wegen des Pflanzenbewuchs auf dem Flussgrund in allen Farben des Regenbogens leuchtet, zukommen. Extreme Hitze, extreme Luftfeuchtigkeit, aber: „Diesen Fluss zu sehen, war eines der schönsten Erlebnisse auf meiner Reise. Bis jetzt mein absoluter Lieblingsort“, schwärmt Max von der beeindruckenden Natur Kolumbiens. Allein durch die vielen Fotos, die er mir geschickt hat, kann ich dem nur zustimmen. „Das ist auch ein Grund, warum ich in dieses Land so verliebt bin.“ Der Fluss liegt im Bundesstaat Meta, einem ehemaligen Guerillagebiet mit enormer Militärpräsenz. „Klingt gefährlich“, sage ich. „In der Ecke hatte ich auch zum ersten Mal ein mulmiges Gefühl“, erzählt er, denn das Militär sei sehr korrupt und versuche schon mal bei Straßensperren jemanden was unterzujubeln. So richtig Angst habe er aber zu keiner Zeit gehabt. „Mein Auftreten gibt mir Sicherheit“, sagt er. Man müsse selbstbewusst auftreten, „dann passiert einem nichts. Das habe ich hier schnell gelernt.“ Nicht nur das. Ohne Spanischkenntnisse ist er damals los, mittlerweile spricht er die Sprache fließend.
Max reiste wieder Richtung Norden in die „Kaffee-Zone“ und weiter nach Cartagena, dem Startpunkt seiner Reise. Vorübergehend hat er dort bei deutschen Studentinnen gewohnt, die er zu Beginn kennenlernte. Sein Plan vom Arbeiten, Reisen, Land und Leute kennenlernen ist definitiv aufgegangen.
Kolumbien - und dann?
Ende 2018 wurde das Geld wieder knapp. „Hast du in solchen Momenten daran gedacht zurückzukommen?“, möchte ich wissen. „Ja, aber das wollte ich nicht. Soweit war ich nicht“, antwortet er. Max suchte sich erneut einen Job, „um sich länger über Wasser zu halten“ und trifft nochmals auf einen Menschen, der sich einen Lebenstraum erfüllen wollte. Ein kanadischer Kapitän hat sich ein altes Boot aus den 60ern gekauft, wollte es für sich restaurieren - Angebot angenommen. „Ich wusste allerdings nicht, dass er damit das Land verlässt“, schmunzelt er.
Einen Tag, bevor Bogota wegen Corona abgeriegelt wurde, ist Max zu Sergio gezogen. Was bis dahin alles passiert ist, lesen Sie in der nächsten Folge.
Autor:Dunja Vogel aus Voerde (Niederrhein) |
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