Voerde-Friedrichsfeld: Gefangenschaft in Friedrichsfeld
1914 bis 1918 gab es hier eines der größten deutschen Kriegsgefangenlager. Von der B8 in Friedrichsfeld kurz vor der Brücke biegt man rechts in die kleine Siedlung ab, da wo links der Offizierspark liegt. Kurz nach Kriegsbeginn am 1. August 1914 hatten hier die ersten Gefangenen mit Hand anzulegen, beim Bau der eigenen Baracken.
Auf dem Gelände östlich, heute zwischen Sportplatz, Sparkasse und Kanal wurde vor genau 100 Jahren das zweitgrößte Kriegsgefangenenlager des Deutschen Kaiserreiches ausgebaut.
Am Gedenktag selbst gedachte man 2014 abends im Bürgerhaus mit der Eröffnung einer kleinen Ausstellung, einer Einführung durch das Preußen-Museum und der Vorstellung einer auch hier erhältlichen Broschüre mit vielen Fotos dieser besonderen Rolle des früheren Militärstandorts Friedrichsfeld. Bekanntlich Teil der preußischen Rheinprovinz war dieses Gelände südlich von Wesel lange schon Truppenübungsplatz, der insgesamt südlichste Teil der Spellener Heide bis hin zu den leichten Erhöhungen sogar Artillerieschießplatz von Preußens Gloria. Am östlichen Nordrand gab´s schon den Franzosenfriedhof vom vorigen, dem gewonnen Krieg mit dem Erzfeind...
Heute, auf den Tag hundert Jahre danach deutet an Ort und Stelle wenig bis nichts hin auf die Vergangenheit des Ortes. Still ruhen die Ein- und Mehrfamilienhäuschen in der Sommersonne, die Straßen asphaltiert, ein paar mittelständische Betriebe, Richtung Kanal ein stillgelegter. Zum Datum 2014: fast alle Bewohner in den Schulferien.
30.000 Pakete im Monat für die Gefangenen
Vor hundert Jahren war der Wesel-Datteln-Kanal schon geplant, aber noch nicht gegraben. Im Bereich des heutigen Sportplatzes war von der Landstraße Wesel-Dinslaken aus das Haupt-Tor aus hölzernen Pfosten mit großer Uhr darüber zu erreichen, kurz dahinter schon damals die Sportfläche.
Hier aber auch das zentrale Lagerhaus, in den Kriegsjahren dann auch mit einer Schmalspur-Lorenbahn belieferbar. Nahe auch die Baracke mit der umfangreichen Postverteilung (etwa 30.000 Pakete im Monat!), es gab sogar eine eigene Bank für die Geldsendungen (monatlich oft 200 Tausend RM) über die Schweiz und für die Ausgabe des eigenen Lager-Geldes.
Lager-Druckerei und Lager-Theater
Wer am heutigen Wissen über die NS-deutschen Gefangenlager 39-45 all das misst, was man zu 14-18 aus Preußens Friedrichsfeld in Erfahrung bringen und auf Bildern anschauen kann, kommt ins Staunen:
Ein selbstverwaltetes Komitee der Gefangenen organisierte (zensierte) Veröffentlichungen, Theater- und Konzert-Aufführungen.
Eine eigene Druckerei mit Lithografie veröffentlichte diese ebenso wie einen genauen Barackenplan und mit einem Weseler Verlag die Lager-Zeitung „Blätter des Exils“. Künstlerisch begabte Gefangene gestalteten diese, aber auch Brunnen, ein großes Denkmal, andere schufen Ölgemälde und Zeichnungen, errichteten multireligiöse Kirchenräume für Christen, Juden, Muselmanen, Orthodoxe. Eine Art Fitnessraum zur auch körperlichen Erbauung gab es ebenfalls, sogar eine Art überdachtes Gartenlokal inmitten der über 30 Baracken (mit separaten Toilettenbauten).
Berufsausbildung für die Versehrten
Körperversehrte konnten in eigenen Kursen und Lehrwerkstätten Berufsabschlüsse für die Zeit nach der Gefangenschaft erwerben, nach und nach ersetzte die Gefangenen-Schreinerei soldatische Lederstiefel in Zeiten knapp werdender Rohstoffe durch damals am Niederrhein noch übliche Holzschuhe – darin wäre auch schlechter zu fliehen gewesen.
Als die Zahl der eingelieferten Verwundeten zunahm und Seuchen an den Fronten grassierten, errichtete man im Nordosten des Lagerfünfecks, Richtung Lippe, ein außen liegendes Lazarett. In Friedrichsfeld und den Außenlagern im Ruhrgebiet nahe der Arbeitseinsätze waren im I. Weltkrieg bis zu 25.000 Gefangene festgesetzt.
Förderverein-Vorstand Karl Göllmann hatte vor Jahren noch die hochbetagte jüngere Tochter des Lagerkommandanten Generalmajor Leo Cederholm aus Düsseldorf zu vielen Details befragen können: Die kleine Gisela vom Foto aus dem Jahre 1915 konnte so noch genau dies Foto und andere Aufnahmen an künftige Generationen weitergeben.
Als eine fast völlig verwehte Erinnerung an eine Zeit, als neben der erst später so genannten Hindenburgstraße in Friedrichsfeld über die Jahre des I. Weltkriegs hin tausende Soldaten aus feindlichen Ländern ihre Gefangenschaft verbrachten, darunter Belgier, Franzosen, Serben und Russen, ja sogar Asiaten aus der französischen Kolonie Indochine, heute Vietnam. Zu einer Zeit vor hundert Jahren, als man schon bald „der Weltkrieg“ sagte. Aber noch nicht wusste, warum man eine I. davor setzen sollte. (Text: Caro Dai).
Autor:Lokalkompass Dinslaken-Voerde-Hünxe aus Dinslaken |
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