Corona-Ferien - wenn der Drucker auf die Probe gestellt wird
„Eltern erklären irgendwie anders“
Als die Schüler in die Corona-Ferien geschickt wurden, wurden auch zahlreiche Eltern über Nacht in ihre neuen Jobs befördert. Zwei Wochen dauern die Schulschließungen schon – und stellen viele vor große Herausforderungen.
Denn statt langer Ferien ist nun Unterricht zuhause angesagt. Die Lehrer versorgen ihre Schüler auf digitalen Wegen mit Inhalten und Aufgaben, verinnerlicht und bewältigt werden sollen diese zu Hause.
Jeden Morgen wird der Rechner angemacht, um neue Aufgaben per E-Mail abzurufen. „Hallo liebe Klasse, damit ihr euch nicht langweilt…“, flattert es ins Haus. Corona-Ferien haben sich manche Kinder anders vorgestellt. In einigen Familien läuft es gut, in anderen nicht. Motivation? Oftmals Fehlanzeige! Da wird dann schonmal gerne diskutiert, bis es ans Schreiben und Rechnen geht. Ein Vormittag kann sich dann wie Kaugummi ziehen. Wer sich gut organisiert ist hier klar im Vorteil. Viele Familien haben für das Homeschooling feste Zeiten eingeplant, um nicht zuletzt für die Kinder eine feste Alltagsstruktur zu etablieren. Denn auch für die Eltern läuft der Beruf im Home-Office weiter.
Viele Kinder, viele E-Mails
„Mit zwei Jobs und drei Kindern ist man Improvisation gewohnt, aber nicht in diesem Ausmaß“, erzählt eine dreifache Mutter, die in einem systemrelevanten Beruf im medizinischen Bereich arbeitet. „Mein Mann arbeitet im Moment von zu Hause. Von morgens bis abends ist er in Telefonkonferenzen mit seinen Mitarbeitern, da bleibt kaum Zeit für die Kinder“, sagt sie. „Wenn ich aus der Praxis komme, wird Schule gemacht. Für Eltern mit mehreren Kindern ist es eine logistische Meisterleistung, alles zu kontrollieren und zu organisieren. Hinzu kommt, dass auch die Kinder Ängste und Sorgen in dieser Zeit haben. So kann Schule nicht ‚normal‘ zu Hause weiterlaufen“, beschreibt sie die besondere Situation.
Ältere und leistungsstarke Schülerinnen und Schüler werden die Situation sicherlich gut meistern und in der Lage sein, sich zu organisieren. Vor allem die Kinder der jüngeren Jahrgangsstufen benötigen bei der Organisation Unterstützung und bei den Aufgaben Hilfestellung. „Wie war das noch mit den Dezimalbrüchen?“, raucht es in den Köpfen einiger Eltern.
Die meisten Kinder haben sich mittlerweile mit der Situation arrangiert. „Gefühlt bekomme ich mehr Aufgaben als in der Schule. Ich schaffe aber auch mehr, weil ich mehr Zeit habe. Gut ist, dass ich etwas länger schlafen kann und das Wetter schön ist“, erzählt Liv, die die siebte Klasse am Gymnasium-Voerde besucht. „Bei Rückfragen, warte ich lieber länger auf die Antwort der Lehrer. Die Art, wie sie erklären ist man gewohnt. Die Eltern erklären irgendwie anders - komplizierter.“ Das sei manchmal nervig, sagt sie.
Auch die Lehrer stehen vor einer neuen Herausforderung und führen das „Distanzlehren“ unterschiedlich durch. Sie müssen die Balance finden zwischen zu viel und zu wenig Input. Die einen lassen die Schülerinnen und Schüler den bereits durchgenommenen Stoff wiederholen, andere gehen langsam im Lehrplan weiter. Die Kommunikation wird ebenfalls unterschiedlich gehandhabt. Es gibt Lehrer, die beispielsweise per WhatsApp in engem Kontakt bleiben. Welche, die virtuellen Unterricht anbieten. Und andere, die einen Wochenplan mit Rückmeldung der Schüler verlangen oder gar einen Plan für die gesamte Schulschließzeit per Mail schicken. Die Aufgaben inklusive dazugehörigem Material werden meist per E-Mail verschickt und die Lösungen auf demselben Wege angefordert. Da macht schon mal der eine oder andere Rechner schlapp und Druckerpapier und -patronen entwickeln sich zu neuen Luxusgütern.
Positive Rückmeldungen
Gerd Kube, Schulleiter am Gymnasium-Voerde, erhält durchweg positive Rückmeldungen aus dem Kollegium. „Die Lehrer sind sehr zufrieden und haben insgesamt den Eindruck, dass die Schüler gut mitarbeiten“, erzählt er. Auch seitens der Eltern erhalte man verständnisvolle und positive Rückmeldungen. Was die Schüler erarbeiten sei nicht prüfungsrelevant. „Wir registrieren die Rückmeldungen der Schüler und werden diese positiv bewerten. Was sie erarbeiten ist kein Prüfungsstoff“, so Kube. Noch ist nicht klar, ob die Schulen nach den Osterferien wie gewohnt starten. Je nach Dauer der Schulschließung werde die Schule prüfungstechnisch das unterbringen, was zeitlich machbar ist.
Kommentar:
Wie viel ist nötig, um beim Lernen eine gewisse Kontinuität zu gewährleisten, um die Lücke nicht zu groß werden zu lassen? Doch wo liegt die Grenze, was übersteigt die Kapazitäten von Schülern und Eltern in Zeiten von Corona? Auch für die Lehrer ist die Situation neu und nicht einfach. Sie müssen die Balance zwischen zu viel und zu wenig Input finden. Hilfreich für alle Beteiligten wäre es in den letzten Wochen gewesen, wenn die Digitalisierung an den Schulen auf dem neuesten Stand wäre. Das hätte die Vorgänge enorm erleichtert. Aber: Sicherlich finden noch nicht mal von der Digitalisierung begeisterte Lehrer, dass E-Learning die Schule ersetzen kann. Schon gar nicht in einer für alle Beteiligten angespannten Situation. Die pädagogischen Fachkräfte haben zu Recht eine intensive und lange Ausbildung. Es braucht Bildungspläne, Fachleute, es braucht Räume, Klassenzimmer, Kollegen, einen Stundenplan, Mitschüler und außerdem andere Kinder. All das kann man nicht ersetzen in einer Nacht und auch in mehreren Wochen Schulschließungen nicht.
Autor:Dunja Vogel aus Voerde (Niederrhein) |
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