Taubensport - ein tierisch schönes Hobby
Von Jörg Prochnow
Kreis Unna. Als Kasper möchte eigentlich keiner gerne tituliert werden. Der Begriff „Taubenkasper“ hingegen hat sich schon lang in unseren Sprachgebrauch eingebürgert und meint eher liebevoll die noch verbliebenen Taubenzüchter des Ruhrgebiets. Jemand, der dieses Hobby bereits seit 1960 intensiv betreibt, ist Gerd Wiese aus Bönen.
Wiese stammt aus Unna, lebt heute in einer ehemaligen Bergarbeitersiedlung in Altenbögge. Seit drei Jahren ist er Vorsitzender der Reisevereinigung 07 Unna-Haarstrang und hat damit an vielen Wochenenden die Verantwortung für mehrere hundert Brieftauben.
Dort, wo sein Haus heute steht, befand sich früher eines der typischen Bergarbeiterhäuser aus rotem Backstein. Wiese selbst war nie Bergmann, sein Vater schon. So ist zumindest der Bezug zum Bergbau gegeben. Brieftauben war lange Jahre ein Hobby der Arbeiterklasse, und die bestand in unserer Region überwiegend aus Männern, die in der Tiefe nach dem schwarzen Gold gruben. Die Brieftaube wurde das „Rennpferd des kleinen Mannes“ oder „Renner der Lüfte“ genannt.
Die Bezeichnung „Ratten der Lüfte“ mag Wiese allerdings überhaupt nicht. „Die vielen Wildtauben bringen unsere Tiere leider immer wieder in Misskredit“, erklärt er. „Brieftauben“, so fährt er fort, „ drehen abends lediglich ihre Trainingsrunden und kehren danach sofort wieder in den heimischen Schlag zurück“. Alles andere wäre sowieso zu gefährlich für sie.
Was Naturschützer begeistert, sehen die Taubenzüchter mit Besorgnis. Die Zunahme von Wanderfalken sorgt zunehmend für steigende Verluste unter den Tauben. Hinzu kommen Habichte und Sperber, auf deren Speisezetteln leider auch die Brieftauben stehen. „Wildtauben seltsamerweise eher weniger“, wundert sich Wiese. Weitere Verluste gibt es beim Reisen.
Bei schlechten Wetterverhältnissen verirren sich die Vögel gelegentlich und kehren nicht mehr heim. Aus diesem Grund steht auf einem der beiden Ringe an den Füßen der Tauben auch die Telefonnummer des Züchters mit der Bitte, ihn zu kontaktieren, falls jemand einen verletzten oder geschwächten Vogel findet. „Diese Nummer ist Pflicht. Ohne sie dulde ich kein Einsetzten in den Kabinenexpress“, sagt Wiese. Stimmt das Wetter nicht, werden Reisen auch abgesagt oder der Ort des Auslassens verschoben. Hierfür hält Wiese ständig Kontakt zu den Betreuern vor Ort. Dieser „Ort“ kann unter Umständen mehrere hundert Kilometer vom heimischen Schlag entfernt sein. Bei Alttauben kann die maximale Distanz bis zu 600 Kilometern betragen, bei Jungtauben sind es bis zu 300.
Auf dem Heimflug bis zu 100 km/h schnell
Am Anfang stehen zunächst vier Trainingsflüge, dann erst folgen die Preisflüge, die bei den Alttauben erst 170, bei den Jungtauben 117 Kilometer betragen. Im Laufe der Saison wird die Entfernung des Auslasspunktes dann kontinuierlich erweitert. Die Reisesaison beginnt für Altvögel im April und endet Ende Juli, Jungvögel werden bis zum 7. September geschickt. Bei ihren Heimreisen können die Tauben eine Geschwindigkeit von bis zu 100 km/h erreichen und sind in Wieses Augen durchaus mit Hochleistungssportlern zu vergleichen.
Wie viele andere Vereine auch, leidet der Brieftaubensport unter Nachwuchsmangel.
Die Reisevereinigung Haarstrang besteht seit 1924 und bestand früher aus 32 Vereinen, heute sind es nur noch 14. Von den ehemals 150 Mitgliedern sind noch 80 übrig geblieben. „Mit meinen 67 Jahren bin ich einer der jüngsten“, flachst Wiese. Einer der Gründe dafür sind seiner Meinung nach auch die hohen Kosten, die dieses Hobby mit sich bringt. „50 Tauben im Schlag kosten im Monat auch rund 50 Euro“, sagt er. „Wenn man dann noch Zusätze füttert – und von denen gibt es reichlich – gehen die Kosten kräftig nach oben“. Hinzu kommt die moderne Technik für die Zeiterfassung der heimkehrenden Tauben.
Die Zeiten, in denen die Ringe der Tauben in einen Holzkasten mit Uhr gesteckt wurden, sind längst vorbei -auch hier hat Kollege Computer bereits Einzug gehalten. Die Preise für einen Vogel variieren. Eine Taube soll bei einer Auktion sogar für 340.000 Euro ersteigert worden sein. Sie ging nach Asien und wurde dort zur Zucht eingesetzt.
Im Taubenschlag ist Hygiene oberstes Gebot
Die Schläge müssen zweimal am Tag gereinigt werden. Das nimmt morgens bei Gerd Wiese drei Stunden und abends noch einmal zwei Stunden in Anspruch. Die Tauben absolvieren in dieser Zeit ihre Trainingsflüge. Auch kann man die Tauben im Urlaub nicht jedem anvertrauen.
Erkrankt eine Taube ernsthaft, geht es nach Essen in die weltweit einzige Taubenklinik. Die Liebe zur Brieftaube geht selbst bei den dort tätigen Tierärzten über das berufliche Maß hinaus – einige von ihnen sind selbst aktive Züchter und schicken ihre Tiere in der Saison auf Reisen.
Autor:Jörg Stengl aus Unna |
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