Wie weiter nach Corona? Lebhafter Austausch beim Netzwerktreffen der Ehrenamtagentur
"Pausenmodus wirft uns nicht aus der Bahn"
Von Stefan Reimet. Gemeinschaft, Freude und Unterstützung sind die stärkste Motivation für Ehrenämtler, wie eine kurze Umfrage am Beginn des Netzwerktreffens der Ehrenamtsagentur ergab. Beides finden Aktive derzeit nur eingeschränkt, daher machten sich die rund 30 Teilnehmer aus sozialen Gruppen und Vereinen Gedanken, wie es jetzt und nach der Pandemie weitergehen kann. Fazit: Austausch tut Not, viele Engagement ist ausgebremst und alle sehnen sich nach einem Neustart.
Denn nach 15 Monaten „Minimalprogramm“ stellt sich für zahlreiche Gruppen die Frage, wie sie künftig nicht nur ihr eigenes Team halten können, sondern ob die Zielgruppe überhaupt noch Bedarf hat. Maria Bastian, Organisatorin der Gruppen „Weltoffen“ und des Treffpunkt für Flüchtlinge in der Gerhardt-Hauptmann-Straße: „Wir bezweifeln, dass die frühere Zahl der Flüchtlinge wiederkommt.“ Durch „Nichttreffen“ wurde besonders die direkte persönliche Betreuungs- und Unterstützungsarbeit „trockengelegt“. Denkbar sei, dass viele eigene Wege gefunden haben und in ihr „Milieu“ zurückgekehrt seien. Zudem schwinde die Anzahl der Helfer in der knapp 60 Mitglieder zählenden Gruppe, die derzeit weitgehend über digitale Wege kommuniziert.
Optimierung der Kommunikation
Problemen und Chancen für die Zeit nach dem Lockdown ging ein Workshop auf den Grund. Moderiert von Klaus Koppenberg, Ambulanter Hospizdienst Unna und Runder Tisch gegen Rassismus, und Andreas Voß, Ehrenamtlicher Betreuer und in der Kirchengemeinde Unna engagiert, entwickelten die Teilnehmer Möglichkeiten, künftig Mitglieder und Betroffene besser zu erreichen. Jede Gruppe sei gefordert, Ziele zu formulieren. Oft hake es schon bei der online-Präsenz: Wer mehr Teilnehmer aktivieren möchte komme an Optimierung für mobile Endgeräte, Facebook und Co. und Werbung kaum vorbei. Als „positiven“ Effekt der Krise nehmen die Ehrenamtler eine höhere Affinität zur modernen Kommunikation durchaus mit. Chatgruppen und Videotreffen seien für viele Aktive selbstverständlich geworden und sollten auch künftig genutzt werden. Mit dem Thema befasst sich bei dem Netzwerktreffen eine Arbeitsgruppe, in der auch verschiedene digitale Instrumente direkt ausprobiert wurden.
Strategien gegen die "Lähmung"
Wichtiger für alle Engagierten ist aber die Suche nach einem Weg aus der „Inaktivität“. Da helfe es, sich die Krisensituation bewusst zu machen, erklärte Klaus Koppenberg und veranschaulichte dies am Motiv „Sterbebett“ des Malers Edward Munch. „Jeder ist auf sich selbst zurückgeworfen.“ Hilfreich sei, in der Gruppe Schnittmengen für die gemeinsame Motivation zu finden. Mit Information, Interaktion und Kommunikation könne Zuversicht und Gelassenheit erzeugt werden. „Die Mitglieder fragen, was fehlt Euch.“ Wie stark sich die Ehrenämtler „zwischen den Welten“ befinden machte der Austausch deutlich. Neue Formen des Engagements zeichnen sich vage ab. Ute Fischer vom TV Unna und Ute Fischer, Professorin für Politik- und Sozialwissenschaften an der FH Dortmund, sprach Klartext: „In der Lehre an der Uni wird es nicht weitergehen wie früher, das Gleiche gilt vielleicht auch beim Ehrenamt.“ Die Entwicklung zur digitalen Kommunikation und Vernetzung werde auch hier einziehen.
Ideen in der Pandemie
Aber auch Positives konnte sich in der Coronazeit entwickeln. So berichtete Uwe Hermanski, engagiert in Umweltprojekten, von der Schaffung neuer Sitzgelegenheiten im öffentlichen Raum
(Grüne Insel Unna) oder von der Unverpackt-Aktion „Einmal ohne bitte“ und dem neuen „Ernährungsrat Unna“. Ehrenamt funktioniere immer dann, wenn Betroffenheit und Beziehung geschaffen werden. Das klappt oft in den Stadtteilen recht gut, berichtete Andreas Voß.
Einigermaßen gut kommen viele Sportvereine durch die Krise, besonders die Outdoor-Sportarten verzeichnen Mitgliederzuwächse. „Aber das Drumherum danach fehlt, das Gespräch mit den Teamkollegen“, räumt Handballer Andreas Voß ein. Jetzt werde vielen bewusst, wie wichtig Gemeinschaft sei.
Manche Gruppen stellen sich die Frage, ob die Energie vorhanden ist, um einen Neustart zu beginnen. „Zuversicht ist allen zu wünschen“, erklärte Hermann Strahl, u.a. aktiv im ADFC-Unna. „Die Sehnsucht nach Gruppenleben ist groß. Das braucht Antworten.“
Harten Kern halten
„Nach der Pandemie entstehen neue Felder für Ehrenamt“, ist Klaus Kloppenberg überzeugt. „Das Potenzial ist da, nicht leiden unter dem Ausbremsen sondern das als vorübergehende Phase betrachten.“ Dazu brauche es den harten Kern der Aktiven. Hermann Strahl: „Der bringt das Schiff wieder zum Laufen.“ Der Wille bei den Ehrenämtlern ist da und die Bereitschaft, sich auch künftig im Netzwerkwerk auszutauschen ebenfalls, ergab eine kurze Umfrage nach fast 120 Minuten Videokonferenz: 86 Prozent beurteilten die Konferenz als Gewinn für ihre Arbeit.
Aktive Workshops
Im Workshop 1 stellte Sebastian Tölke zahlreiche digitale Tools vor, die für die ehrenamtliche Arbeit in aber auch nach der Pandemie durchaus interessant sind. Dazu zählen Videokonferenztools, „etherpads“, instant massengers und digitale whiteboards. Über das Erklären der Tools hinaus konnten die Teilnehmer sie aber auch selbst ausprobieren. Hier findet sich eine Zusammenfassung dieser nützlichen digitalen Werkzeuge auch unter „Praxistipps“ auf ehrenamt-unna.de.
Im Workshop 3, der von Sofia Schnettler geleitet wurde, fand ein offener Austausch zwischen den Teilnehmern statt. Ziel war hier, auf die Bedürfnisse der Teilnehmer einzugehen anstatt vorab alle Themen bereits festzulegen. Es zeigte sich, dass Austausch und Vernetzung gut taten. Über die 90 Minuten im Gruppenraum fanden sich viele Gesprächsthemen, die sich nicht nur auf Corona bezogen: So wurden noch einmal die Einkaufshilfen thematisiert, die sowohl von der Frauenhilfe als auch durch die Ehrenamtsagentur angeboten und insbesondere zu Beginn der Pandemie dankend angenommen wurden, mittlerweile aber aufgrund der aktiven Unnaer Nachbarschaft nicht mehr benötigt werden.
Ein weiteres spannendes Thema war die Frage nach dem ehrenamtlichen Engagement unter Menschen mit Migrationshintergrund. Interessant ist die Auseinandersetzung mit diesem Thema insbesondere aus dem Grund, da viele ehemalige „Gastarbeiter“ nun ins Rentenalter kommen und gerade zu diesem Zeitpunkt für viele Menschen ein Engagement ergriffen wird. Hier muss weiterhin daran gearbeitet werden, zu informieren und Kontakte zu diesen Personengruppen zu finden. Meist zeigt sich dann, so Frau Rosstem von der Caritas, dass ein Engagement genau das Richtige ist.
Weitere Gesprächsthemen waren der Bedarf Menschen mit Behinderung durch gezielte Ansprache und Abbau von Barrieren stärker ins Ehrenamt zu bekommen sowie auch der Bedarf an jüngeren Menschen, die noch nicht im Rentenalter sind. Am Schluss konnten alle Teilnehmer der Gruppe bestätigen: Wir brauchen wieder persönliche Begegnungen, aber dazugelernt haben wir trotzdem durch die Pandemie.
Ausblick
Wie man Ehrenamtliche motiviert und „bei der Stange“ hält, darüber informiert der Vortrag „Bindung von Ehrenamtlichen in Coronazeiten“. Anneke Gittermann, Trainerin im Freiwilligenmanagement gibt Tipps und zeigt Wege auf. Termin: Mittwoch, 26. Mai, 18 Uhr, Anmeldung zu dem kostenlosen Online-Seminar der VHS unter www.ehrenamt-unna.de
Plakat-Aktion der Ehrenamtsbörse: 29. Mai 2012 mit Ehr-Win Verleihung um 12 Uhr
Nächste Netzwerkkonferenz: 4. Oktober 2021
Autor:Stefan Reimet aus Holzwickede |
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