Netzwerkkonferenz "Bürgerschaftliches Engagement" blickt auf Zeit nach der Krise
"Nichts ersetzt das Persönliche"

Reibungslos lief die Netzwerkkonferenz "Bürgerschaftliches Engagement", zu der sich fast 40 Teilnehmer aufgeschaltet hatten.  | Foto: Alle Bilder: Stefan Reimet
8Bilder
  • Reibungslos lief die Netzwerkkonferenz "Bürgerschaftliches Engagement", zu der sich fast 40 Teilnehmer aufgeschaltet hatten.
  • Foto: Alle Bilder: Stefan Reimet
  • hochgeladen von Stefan Reimet

„Was braucht Unnas Engagement“ wurden rund 7.800 Bürger im März befragt. Die Antworten geben einen tieferen Einblick in die Situation und vor allem die gewünschten Inhalte ehrenamtlicher, bürgerschaftlicher Tätigkeit in der Hellwegstadt. Denn die muss sich, nicht zuletzt unter Pandemie-Bedingungen, neu definieren. In einer Netzwerkkonferenz wurde die Kurzstudie unter Leitung der Sozialwissenschaftlerin Prof. Dr. Ute Fischer (FH Dortmund) am Montag den hiesigen Akteuren per Videokonferenz vorgestellt.

Dazu bedurfte es zunächst eines Überblicks: Denn unterteilt in eher städtisch geprägte Ortsteile wie die Gartenvorstadt und in die dörflichen Ostgemeinden ergeben sich unterschiedlich geprägte Sozialräume. In ländlichen Gebieten gehöre demnach ehrenamtliches Engagement traditionell zum Selbstverständnis, im städtisch gegliederten Bereich eher seltener. „Je geringer Bildungs- und Einkommensniveau desto weniger Engagement ist zu finden. Das bedarf dann anderer Zugänge“, so Dr. Ute Fischer zu der Befragung, die insgesamt eine Rücklaufquote von etwa 8 Prozent in der Gartenvorstadt und 14 Prozent in den Ostgemeinden aufweist, auch bedingt durch den Rückzug vieler Bürger im Lockdown. Insgesamt sei das Interesse von Frauen höher gewesen als bei Männern, zunehmend auch mit dem Alter. Alleinerziehende und Befragte mit geringerem Bildungsstand antworteten seltener, Mangel an Zeit, Energie und Interesse wurden als Gründe erkannt. Und doch: Fast jeder zweite Befragte engagiert sich, ob im Verein, kulturell, sozial oder in der Angehörigenpflege, erkennbar ist ein höherer Anteil bei den Frauen. Der Anteil der Jugendlichen ist laut der Erhebung erfreulich hoch. Wer städtisch lebt ist dauerhafter dabei, oft bei Kirche oder Verein engagiert. In den Dörfern ist die Unterstützung eher auf Anlässe oder Projekte bezogen. Wer ein Ehrenamt übernimmt tut dies auch aus Freude, erwartet aber auch Anerkennung. „Die fehlt häufig auf Seiten von Stadt oder Politik“, gibt Ute Fischer zu bedenken. Mancher fühle sich als „billige Arbeitskraft“, häufig schwinge die Angst mit, zu stark vereinnahmt zu werden oder „aus der Nummer nicht rauszukommen“.
60 Tsd. Euro "Bürgerbudget"
Auf die Frage was sich beim bürgerschaftlichen Engagement ändern müsse, wünschten viele Vergünstigungen wie Fahrtkostenbeteiligungen, Ehrenamtsausweise für verbilligte Eintritte oder Zurechnungen etwa zum Studenten-Bafög. In diesem Zusammenhang erwähnte Claudia Keuchel (Die Grünen), dass die Stadt ein sog. „Bürgerbudget“ in Höhe von 60 Tsd. Euro plane, das den Ortsteilen zur Gestaltung ehrenamtlicher Arbeit zur Verfügung gestellt werden solle.
Ernst nehmen
Wer sich einbringen wolle, dem mangele es oft an Zeit und weiteren Informationen. Hier sieht die Studie vor allem in der Gartenvorstadt Handlungsbedarf. Viele forderten auch mehr Möglichkeiten eigener Entscheidung und Mitsprache. „Wer freiwillig mitarbeitet möchte ernst genommen werden“, erklärte auch Sina Marie Levenig (VHS). „Aber Gutes tun macht Spaß“, ergänzte sie. Was auf den Dörfern zum Selbstverständnis zähle scheitere in der Stadt häufig an Zeit und Kraft. Wobei gerade hier das Ehrenamt etwa für Zugezogene ein Modul zur Integration sein könne. Rund 3000 Neubürger zähle Unna pro Jahr. Hier gelte es, die „erste Schwelle“ niedrig zu halten.
Schockstarre
Denn die wurde durch Corona empfindlich höher. Sophia Schnettler (Koordination Netzwerk Bürgerengagement)) berichtete in einem Schlaglicht von der Situation ehrenamtlicher Arbeit während der Pandemie in Politik, Kirchengemeinden, Jugend- und Sportvereinen sowie Hilfseinrichtungen. „Schockstarre, Absagen, Rat- und Machtlosigkeiten prägten das Bild.“ Nach dem Rückzug folgte aber oft die Öffnung in Richtung Vernetzung. Progressive Vereine lagen hier im Vorteil, stellten sich rasch auf die Lage ein. Für alle stellte sich akut die Frage der Umstrukturierung.
Ideen
Genau dazu entwickelten die rund 40 Teilnehmer der Netzwerkkonferenz, straff moderiert von Gabriele Müller-Vorholt (Ehrenamts-Agentur)  in der Gruppenphase neue Ideen. Persönliche Ansprache, Vorbehalte auflösen und verstärkt auch soziale und digitale Medien zu nutzen lauteten die Vorschläge. Die Auswirkungen der Corona-Pandemie bieten auch die Chance, mit Online-Angeboten wie etwa Bewegungs- und E-Learning-Kursen neue Wege zu gehen. Viele Teilnehmer berichteten von positiven Erfahrungen im Umgang mit digitalen Kommunikationsmitteln. Eben damit seien auch die Jugendlichen in ihren Sozialräumen zu erreichen und dann vielleicht für ein Ehrenamt zu begeistern. Dazu seien aber gemeinsame Anstrengungen auch von Seiten der Politik (z.B. Ortsvorsteher) nötig. Wie die Ideen umgesetzt werden, darüber geht die Diskussion wohl weiter. Schlussendlich teilten sie das Statement eines Schülers, das ein Teilnehmer in die Runde warf: „Nichts geht über das Persönliche.“

Autor:

Stefan Reimet aus Holzwickede

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

8 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.