Mehr Abnehmer seit Corona - Foodsharing Unna sucht Kooperationspartner
Fair teilen statt Vernichten

Die Box in Hemmerde stellte Sonja Bonin auf. Regelmäßig wird der "Faierteiler" mit Obst, Gemüse und Backwaren bestückt.   | Foto: privat
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  • Die Box in Hemmerde stellte Sonja Bonin auf. Regelmäßig wird der "Faierteiler" mit Obst, Gemüse und Backwaren bestückt.
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Unfassbar: Rund 30 % aller Lebensmittel landen im Müll. „Nichts mehr wegwerfen!“ ist daher ein Leitsatz der weltweiten Initiative Foodsharing. Verantwortungsvoller Umgang mit Lebensmitteln steht im Vordergrund. Die Pandemie bescherte der Initiative Aufwind. Der Zulauf ist größer geworden. B ereits vor einem Jahr gab es einen riesigen Ansturm auf die Boxen (Fairteiler). Als Grund sieht Jenny Beyersdorf, Botschafterin im Team Foodsharing Unna, die Umstellung auf Kurzarbeit und teilweise Arbeitslosigkeit.

Genau anders entwickelte sich die Situation der Foodsaver, die für Sammlung und Verteilung sorgen. Wegen der Kontaktbeschränkungen konnten neue Interessenten nicht eingearbeitet werden. Ab dem Sommer schließlich meldeten sich wieder neue Helfer an. Vor einigen Tagen wurden zehn neue Foodsaver hinzu gewonnen. Und die Fairteiler sind ruckzuck leer. Etwa „Sammy“ wird regelmäßig befüllt. Binnen einer Stunde sei die Kiste wieder leer. „Sammy wird gut angenommen und hat dort gefehlt“, ist Jenny Beyersdorf überzeugt.
DEn in Unna-Hemmerde richtete Sonja Bonin auf. Ein erschreckendes Erlebnis brachte sie zum Foodsharing: Ihr Neffe beteilgte sich am sog "Containern", dem herausholen brauchbarer Lebensmittel aus den Entsorgungscontainern der Lebensmitteldisounter. Sonja Bonin wurde neugierig und ging mit. "Dann habe ich heulend davor gestanden, das konnte ich nicht fassen, welche Mengen vernichtet werden." Sie erfuhr von der Initiative Foodsharing und stellte kurz darauf den Fairteiler in Hemmerde auf. Das ist über zwei Jahre her. Aus "Stiefmutti" holten sich seitdem hunderte Abnehmer genießbares  Obst, Gemüse, Brot und Brötchen.  Kühlware wird in sozialen Netzwerken gepostet und privat verteilt. 80 aktive Teilnehmer zählt die größte Gruppe, darunter über 20 "Stammkunden", weiß Sonja Bonin. Sie leitet auch den Bezirk Werl. Und hat festgestellt: Viele Läden achten mehr darauf, dass weniger weggeworfen wird. In den zwei Jahren habe sich die Menge fats halbiert. Extrem seien die Übermengen aber nach den Feiertagen. Einmal musste sie von 150 Kilo Flesch etwa ein Drittel entsorgen. "Das bricht einem das Herz."
Im Gebiet von Unna sind die Boxen derzeit gut vertreten. Weitere Faierteiler machen nur Sinn, wenn die Logistik darauf abgestimmt ist, also Foodsaver regelmäßig dort vorbeikommen und die Box im Gebiet mit hoher Nachfrage liegt. Ein weiterer Verteiler Richtung Uelzen etwa wäre problematisch, da die meisten Lebensmittelbetriebe in Massen, Königsborn und der Innenstadt liegen. „Aber grundsätzlich sind immer Standorte wichtig.“
Einen
Mithelfer sind willkommen
Die Qualifizierung als Foodsaver erfolgt durch einen Quiz, um zu zeigen, dass man dem Motto selbst auch gerecht wird. Danach begleitet man im Kreis Unna drei Einführungsbesuche. Botschafter erklären die Abholung und Belieferung der Boxen. Danach erhält man einen Ausweis und kann sich für den Laden, bei dem man abholen möchte, eintragen. Erst dann ist man berechtigt, die Ware abzuholen. Je zwei Personen sind unterwegs, aufgeteilt wird zu gleichen Mengen. Auf der Suche sind die Foodsaver eher nach Betrieben die kooperieren würden. Denn Discounterketten dürfen nicht angesprochen werden. Bleiben nur eigenständige Läden, Supermärkte, Metzgereien, Großküchen und kleinere Markets. Künftig möchten die Botschafter evtl. auch die Händler auf den hiesigen Wochenmärkten ansprechen.
Mühselige Suche nach Händlern
Die Lebensmittelretter hoffen, dass Betreiber mitmachen möchten. Denn für sie bedeutet es Mehrarbeit. Die Lebensmittel müssen beiseite gestellt und gekühlt, nach Terminabsprache auch ausgegeben werden an die Foodsaver. Mit dem Engagement der Tafel kommt die Organisation dabei nicht in Konflikt. „Wir sind hinter der Tafel“, erklärt Foodsaver Sabine Kwiatkowski. Die hat strengere Vorgaben an Abholung und Lagerung und Frist der Haltbarkeit. Bei Foodsharung kann es sein, dass die Lebensmittel exakt an dem Tag ablaufen, aber eben teils lange darüber hinaus genießbar sind. Bei der Abholung, die zwischen 18 und 19 Uhr bei den Händlern erfolgt, sortieren die Foodsaver direkt aus.
Die Abgabemengen sind nicht größer geworden. Nach den Feiertagen profitierten die Foodsaver zwar von Überbestellungen. „Aber jetzt haben sich Größenordnungen wieder eingestellt.“ Spürbar sei nur, dass die Boxen schnell leer sind.
Weitergeben
Auf Nachhaltigkeit achten die Foodsaver. Bananen dürfen braun sei, sofern nicht matschig, aus Verpackungen werden ungenießbare Tomaten entnommen. Bei den Abnehmern spiele Nachhaltigkeit eine untergeordnete Rolle, viele Bürger müssten mehr auf das Geld achten und würden sparen. Die Abholung an den Boxen geschieht ohne Legitimation. Sich bedienen und wieder gehen lautet das Prinzip. Interessant: Auch von Privatpersonen dürfen Lebensmittel hineingelegt werden. „Wem also Omas Kekse selbst nicht schmecken kann anderen eine Freude damit machen.
Der gestiegenen Nachfrage möchte Foodsharing mit einem engeren Takt an Befüllungen begegnen und sucht neue Kooperationen im Lebensmittelhandel. Kontakt und Standorte der Boxen: foodsharing.de o. unna@foodsharing.network bzw. kamen@foodsharing.network

Info
Im Kreis Unna wird bisher bei zehn eingetragenen Händlern abgeholt. Zwischen 17 und 19 Uhr nehmen die Foodsaver die Lebensmittel von den Läden in Empfang und bringen sie  zu folgenden Fair-Teiler-Stationen:
Biene Maja: Auflagenbox Friedrich-Ebert-Str. 64 (Bft-Tankstelle), 59425 Unna
Holly:  Hauptstr. 25, 59439 Holzwickede
Lunchbox: Fahrradanhänger Winkelweg 24, 59427 Unna
Sammy: Kamener Straße 74, 59425 Unna
Stiefmutti: Oststraße 10, 59427 Unna
Emma: Lastenradanhänger, Lessingstraße 41, 59423 Unna
Der Kumpel: Auflagenbox Lünener Str. 23, 59192 Bergkamen
Karlchen: Box Ludwig-Schröder-Str. 18, 59174 Kamen
Futterkiste: Bachweg 14 59174 Kamen
Vollständige Übersicht auf  foodsharing.de

Autor:

Stefan Reimet aus Holzwickede

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