Unna: Pfarrstelle in Hemmerde wird nicht mehr besetzt
Die evangelische Gemeinde schrumpft
Ein Pfarrer, der auf allen Hochzeiten tanzt, ist bestimmt eine schöne Vorstellung. Wenn die Gemeinde aber über 3.500 Mitglieder zählt, hätte er bestimmt bald zertanzte Schuhe.
Unna-Hemmerde hat demnächst keinen eigenen Pfarrer mehr. Gerhard Ebmeier geht in den wohlverdienten Ruhestand und seine Stelle im Dorf (60 Prozent) wird nicht neu besetzt.
Volker Jeck muss die Gemeinde Hemmerde-Lünern in Zukunft alleine betreuen. Unterstützen sollen zum Teil die zahlreichen Ehrenamtler, „denn die Gemeindearbeit versteht sich mit jedem einzelnen Mitglied“, erklärt Superintendent Dr. Karsten Schneider vom evangelischen Kirchenkreis Unna, der am Tag der Gemeindeversammlung gleichzeitig auch zum ersten Mal in der schönen Hemmerder Dorfkirche zu Gast war.
Die Pfarrstelle zu streichen, sei die Konsequenz, die sich aus der Prognose ergebe, dass die Gemeinde Hemmerde-Lünern weiter schrumpfen werde. Zum 1. Juni zählte sie noch 3.563 „Schäfchen“ - Tendenz fallend. „Diese Anzahl an Mitgliedern würde eine 20-Prozent-Stelle für das Unnaer Dorf legitimieren, aber so etwas gibt es ja gar nicht“, erklärt er.
Und da Pfarrer Volker Jeck sich nicht teilen kann, sollten Ehrenamtliche noch mehr als bisher eingebunden werden. „Zudem sind Theologen knapp gesät“, meint Dr. Schneider. „Wir müssen also sehen, wie die Gemeindearbeit hier weitergeht.“
Der Kirchenkreis Unna werde auf jeden Fall aushelfen. Die insgesamt sieben verbliebenen Pfarrer sollen in Zukunft für kirchliche Aktivitäten in der gesamten Region Sorge tragen. Ein Pfarrer verbliebe für Hemmerde-Lünern, zwei in Massen und vier in Unna.
“Gemeinsam sind wir stark“, untermauert Dr. Schneider diesen Standpunkt. „Vor diesem Hintergrund sollten wir die Zukunft gestalten.“
Das Bild von PfarrerInnen werde sich verändern. Um nicht im Großen und Ganzen zu fusionieren, müsse man einen anderen Blickwinkel einnehmen.
„Die Kirche im Dorf lassen“
Manche Gemeindemitglieder können sich das allerdings nicht so recht vorstellen. Kirchmeister Ulrich Schmidt leitete daher im zweiten Teil der Versammlung die Diskussion ein. „Es ist das erste Mal seit 500 Jahren, dass kein Pfarrer vor Ort eingesetzt werden soll“, meint er zu wissen.
Und Gemeindemitglied Cornelius Blanke sorgt sich beispielsweise, dass einige sich allein gelassen fühlen könnten. „Sind die Erfahrungen des katholischen Pastoralverbundes bei dieser Entscheidung mit eingeflossen?“, fragt er. Denn er habe gehört, dass sich ähnliche Stellenstreichungen bei den Katholiken im Dorf äußerst negativ ausgewirkt hätten.
Dr. Schneiders Antwort: „Viele PfarrerInnen wohnen nicht mehr vor Ort. Kommunikation läuft oft per E-Mail oder Telefon ab und daher spielt es auch keine Rolle.“
Danach ging ein Raunen durch das Kirchenschiff in Hemmerde. Viele Gemeindemitglieder schienen diese Einschätzung des Superintendenten nicht zu teilen, denn es kamen mehr und mehr Fragen auf: Wer kümmert sich um Kindergarten und Grundschule? Denn dort gedeihe schließlich der Gemeindenachwuchs. Was ist mit Seelsorge, Beerdigungen, Taufen und den Gottesdiensten?
Volker Jeck will Seelsorger und auch Ansprechpartner für Kindergarten und Schule bleiben. Aber er kann sich nicht teilen. Die neue Konfirmandengruppe wird beispielsweise daher schon ehrenamtlich von der Prädikantin Friederike Fass betreut.
Dr. Schneider verspricht, dass sich der Kirchenkreis kümmern und dass Volker Jeck unterstützt wird. „Ich bin zuversichtlich, dass es funktioniert, aber wir müssen natürlich kreative Antworten finden“, so der Superintendent abschließend. Er will für den Herbst eine weitere Gemeindeversammlung einberufen, um dann über die Fortschritte zu berichten.
Zur Person
Dr. Karsten Schneider aus Dortmund ist seit gut einem Jahr Superintendent im Kirchenkreis Unna. Als leitender Geistlicher trägt er die Verantwortung für rund 71.000 evangelische Christen in Bergkamen, Kamen, Unna, Holzwickede und Fröndenberg.
Autor:Anja Jungvogel aus Unna |
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