Tierschützer entsetzt über Vorgehen der Stadt Unna
"Aushungern" oder "Umsetzen" - Stadttauben erhitzen die Gemüter
Auf Dachrinnen, Gebäudesimsen, Laternen oder Brunnen sitzen sie gerne und prägen das Stadtbild wie kein anderes Tier. Hungersnot macht sie zutraulich, was besonders Vogelfreunde und Kinder oft zum Füttern veranlasst. Unschön sind die Hinterlassenschaften der grauweißen Flieger, egal an welcher Stelle. Zu viel wird es jetzt Markthändlern und City-Werbering, sie fordern die strikte Durchsetzung des geltenden Fütterungsverbot. Doch wer kontrolliert die Einhaltung. Was etwa beim Hundekot schon nicht funktioniert soll beim “Taubenschiss” wirken. Die Stadt setzt auf Einsicht und Einhaltung von Sauberkeit.
Von Körnerfressern entwickelten sich die Wildtauben im Laufe der Jahrzehnte zu Allesfressern. Ihre Zahl stieg steil an, seitdem Feinde wie etwa Greifvögel stark reduziert sind. Abgesehen vom Kot, pro Taube bis zu 12 Kilo/Jahr, sind es Krankheitsgefahren und schlicht das Unwohlsein vieler Bürger bei hoher Anzahl teils sehr “zutraulicher” Vögel. Dem Problem im Stadtgebiet möchten Verwaltung und Tierschutz mit unterschiedlichen Maßnahmen begegnen.
Die Stadt Unna betont, es gebe keine Probleme mit übermäßiger Zufütterung und weist in einem Flyer darauf hin, dass Tauben- und Entenfütterung oder auch das Hinterlassen von Unrat und Speiseresten eine Geldbuße von bis zu 1000 Euro nach sich ziehen kann. In der Infobroschüre wird die Entwicklung der Tauben dargestellt, die Nist- und Brutorte beschrieben und Gegen- bzw. Schutzmaßnahmen, etwa bei Sanierung von Tauben-Geschossen, empfohlen. Demnach suchen sich sich die Tiere aus Unrat und arglos zurück gelassenen Speiseresten, und seien sie noch so klein, ihre Nahrung. Eiswaffel- und Pizzareste, Brot- und Kuchenkrümmel sind wie ein gedeckter Tisch. Daher setzt die Stadt Unna auf das Bewusstsein und Sauberkeitsgefühl der Bevölkerung. Das Ordnungsamt gehe auch Hinweisen nach, die seien aber spärlich.
Taubentürme
Als Experten zog die Stadt den Tauben- und Ortskenner Harald Köhnemann hinzu. Er war 28 Jahre Vorsitzender des Verband Deutscher Rassetaubenzüchter. Um in Unna die Gelege mit Gipseiern zu manipulieren sieht er nur wenige Möglichkeiten. Das Problem sei der Zugang zu den Orten, die oft an Gesimsen in lichter Höhe sind. Für das regelmäßige Entfernen tatsächlich Helfer zu finden dürfte nicht leicht sein, zumal die Maßnahme über zwei bis fünf Jahre laufen müsste.
Dem Vorschlag der Tierschützer, die Tauben zu zentralisieren, steht die Stadt skeptisch gegenüber und erwähnt die Möglichkeit eher am Rande. „Es müssten stadtnahe Standorte sein, sonst ziehen die Vögel nicht um“, erklärt Pressesprecher Christoph Ueberfeld. Zwei mögliche Standorte für Taubentürme seien zwar denkbar, aber mit Widerstand der Anwohner sei zu rechnen, der Zugang ungeklärt. Ideale Möglichkeiten wie im Hammer Bahnhof, wo ein Taubenhaus unweit des ursprünglichen Taubenortes aufgestellt wurde, seien hier nicht gegeben. Hingegen sei bei Futterentzug eine „natürliche Regelung durch Reduzierung der Population zu erwarten – Ohne Futter keine Brut. “Wenn wir eine bessere Lösung hätten würden wir die nehmen”, so Christoph Ueberfeld.
“Aushungern”
Alamiert ist der Tierschutzverein Unna (TSV), dass der Versuch des “Aushungerns” der Tiere eine Reduzierung der Tierzahl oder gar Vertreibung erzielen soll. “Das vergrößert nur das Leid der Tiere”, erklärt Stephanie Schmidt, Geschäftsführerin des TSV Unna. Nagelleisten an Simsen, sog. Vergrämungsbauten, erhöhten nur die Verletzungsgefahr und schreckten nicht wirklich ab. Daher verschaffen sich die Mitglieder jetzt einen Überblick in anderen Kommunen wie Oer-Erkenschwick, Hamm und Dortmund sollen folgen. Grundlage weiterer Maßnahmen könnte, so die Tierexperten, eine Kartierung der Nistplätze sein. Unter Balkonen, an Mauerüberständen und in Nischen nisten die Felsenbrüter besonders gerne. Um die Tauben aus dem Innenstadtbereich und insbesondere der Einkaufszone herauszuhalten, könnten Futterplätze nahe der Nistplätze eingerichtet werden, an denen täglich gefüttert werde. Erkrankungen und Veränderungen der Population ließen sich so beobachten. Eine weitere Möglichkeit sieht der Tierschutzverein in der Aufstellung eines “Taubenturms” in der Innenstadt. In Frankreich sind sie auch in gemauerter Form verbreitet, hier häufiger als Holzhäuschen in Parkanlagen zu sehen. Der wie ein kleines Taubenhaus auf Stelzen aussehende Turm “lade” die Tauben an diesen Standort ein. Auch hier wäre eine regelmäßige Betreuung erforderlich.
"Geburtenkontrolle"
Zentralisierung und Begrenzung der Eiablage sind die Hauptziele der Tierschützer. So könnte durch ständigen Ersatz der Gelege durch Gipseier eine “Geburtenkontrolle” erfolgen.
Bei einem Besuch in Oer-Erkenschwick wurden die Tierschützer darüber informiert, dass man die “Standorttreue” der Vögel nutzen könne, um sie aus den Innenstadt- und Fußgängerbereichen herauszuhalten. Nahrungsmangel hingegen führer bei den bis zu ihrem Lebensende treu ihrem Partner ergebenen Vögel zu vermehrter Eiablage und später zu dem abstoßenden Durchfall, auch „Hungerkot“ genannt.
Helfersuche
Klar ist dem Tierschutzverein, dass die Betreuung der Futterstellen und Brutplätze ohne ehrenamtliche Helfer nicht zu schaffen wäre. “Ein- bis drei Mal pro Woche sind die Gelege zu kontrollieren, die Betreuung der Futterstelle sollte einmal am Tag, immer zur selben Uhrzeit erfolgen”, sagt Stephanie Schmidt. Dafür werden noch Helfer gesucht. Eine endgültige, für alle Seiten zufriedenstellende Lösung, ist nicht in Sicht. Daher “freue sich der Tierschutzverein, um so mehr, dass die Verantwortlichen der Stadt Unna weitere Gespräche mit uns Tierschützerinnen führen möchten, um gemeinsam im Sinne der Stadttauben erfolgreich sein zu können.” Der Streit um die Zukunft der Vögel geht wohl in die nächste Runde.
Autor:Stefan Reimet aus Holzwickede |
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