Immer mehr Frauen suchen Schutz und Beratung
Kreis Unna. Im Frauenhaus ist eine steigende Nachfrage nach Zuflucht und Unterstützung bei erlebter oder drohender häuslicher Gewalt feststellbar. 86 Frauen mit 58 Kindern fanden hier im vergangenen Jahr Schutz, insgesamt 94 Frauen mit 60 Kindern mussten jedoch an andere Frauenhäuser weiterverwiesen werden.
„Insbesondere in der zweiten Jahreshälfte waren wir über lange Zeiträume voll belegt,“ berichtet die leitende Sozialarbeiterin Martina Ricks-Osei. „Sicher wenden sich Anfragende auch an mehrere Frauenhäuser. Dennoch hat sich die Zahl der Frauen, die wir wegen fehlender Plätze nicht aufnehmen konnten, im Vergleich zu Vorjahren fast verdoppelt.“
Jede vierte Frau erlebt "Angehörigengewalt"
In 72 Prozent der Aufnahmen übte der Partner Gewalt aus. Jede vierte Frau suchte jedoch Schutz vor sog. Angehörigengewalt, nicht unbedingt nur in Familien mit Migrationshintergrund vorkommend. Karin Gottwald, Leiterin der Frauen- und Mädchenberatungsstelle: „Dazu passend blieb die Zahl der Frauen bis 25 Jahren im Frauenhaus auf dem hohem Niveau von 40 Prozent. Auch 20 Prozent der 339 Frauen, die 2012 in der Beratungsstelle begleitet wurden, waren mit 18 bis 25 Jahren junge Frauen. Gewalt in der Familie durch Partner oder Andere wurde in 61 Prozent aller unserer Beratungsfälle als dominierendes Thema benannt. Dank der sehr guten Zusammenarbeit mit der Polizeibehörde in Unna wurden wir über jede polizeiliche Wegweisung nach dem Gewaltschutzgesetz informiert. Nicht jede Frau lässt eine Unterstützung unsererseits zu, von den 139 Wegweisungen im gesamten Kreis Unna konnten wir jedoch jede dritte Frau erreichen.“
Ein bis heute besonders großes Thema war und ist das der auch im Kreis Unna ansteigenden Wohnungslosigkeit von Frauen. 35 Anfragen auf einen Platz mussten vergangenes Jahr wegen voller Belegung der Frauenübernachtungsstelle abgewiesen werden - in früheren Jahren waren es durchschnittlich fünf Frauen, die weitervermittelt werden mussten. Im laufenden Jahr wächst das Problem weiter, es konnten bereits 28 Frauen nicht aufgenommen werden. „Auch hier sind mehr als der Hälfte der Nutzerinnen junge Frauen zwischen 18 und 27 Jahren - landesweit sind „nur“ 43 Prozent der wohnungslosen Frauen unter 25 Jahren alt,“ berichtet Ingrid Scheibe, Leiterin der Frauenwohnungslosenhilfe. „Etwa die Hälfte der Frauen lebt bei der Aufnahme ohne eigenes Einkommen und schlägt sich im wahrsten Sinne des Wortes durch, fast jede dritte Frau hat Erfahrungen mit Gewalt gemacht. Immer mehr Frauen sind verschuldet, haben Schufa-Einträge, halten psychisch die Situation kaum aus, sind oder werden körperlich oder psychisch krank.“
Plätze in der Übernachtungsstelle waren voll belegt
Ausgesprochen schwierig ist es, im sehr engen Wohnungsmarkt für die meist alleinlebenden Frauen Wohnungen in angemessener Größe und Preislage zu finden. So waren die sieben Plätze in der Übernachtungsstelle an 365 Tagen belegt, jede dritte Frau blieb zwischen drei und sechs Monaten, manche noch länger in der Übernachtungsstelle. Nur acht Frauen konnten in eine eigene Wohnung umziehen, es gab zu wenig Luft für weitere Frauen ohne Dach über dem Kopf.
Die Überlegungen mit der Ebene von Politik und Sozialverwaltung, ein zusätzliches ausdrücklich nur Übernachtungsangebot für Frauen zu schaffen, wurden zum Jahresende verworfen. „Ohne Mietvertrag genehmigt der Landschaftsverband Westfalen-Lippe keinen Hilfeplan im ambulant betreuten Wohnen, die notwendige Betreuung und Begleitung verzögert sich,“ so Ingrid Scheibe. „Da wo es geklappt hat, konnten wir in 2012 als teilstationäres Angebot Frauenräume und als ambulant betreutes Wohnen insgesamt 23 Frauen auf ihrem Weg aus der Obdachlosigkeit begleiten, um eine stabile Perspektive in der neuen eigenen Mietwohnung zu finden. Mit beiden Angeboten können wir bis zu zwei Jahre unterstützen, z.B. zu Behörden begleiten, finanzielle Lebensgrundlagen sichern, Schuldnerberatungen vorbereiten, in das soziale Umfeld und eventuell noch vorhandene familiäre Zusammenhänge integrieren, mögliche Wege in Ausbildung und Beruf begleiten usw..“
Das Frauenforum ist in weiteren Gesprächen mit dem Kreis, um z.B. auch mit der Wohnungswirtschaft Lösungen für die fehlenden Übernachtungsplätze sowie zu langen Aufenthaltszeiten in der Übernachtungsstelle zu entwickeln.
Autor:Jörg Stengl aus Unna |
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