"Ich hab´s immer supergern gemacht"
Von St. Reimet
Der Abschied fällt ihr schwer. Am Ernst-Barlach-Gymnasium lenkte Gabi Müller-Vorholt acht Jahre mit einem Kollegium aus 60 Lehrkräften die Geschicke von rund 800 Schülern. Jetzt wechselt sie in den Ruhestand. Nur mit Emotion und starkem Willen sei die Aufgabe auch mit Freude zu bewältigen gewesen. Die Schulklingel des EBG wird sie in ihrem Haus hören und dann denkt sich Gabi Müller-Vorholt: „Hoffentlich gehen alle pünktlich in den Unterricht.“
Fest überzeugt ist sie bis heute, mit Unna die richtige Wahl getroffen zu haben. Nach dem Referendariat schaute sie an einem grauen Wintertag 1981 mit ihrem Ehemann Hans-Martin die Städte Hamm, wo sie an einem Gymnasium lehrte, und Unna an. „Unna ist als mittelgroße Stadt heimelig genug und hat ein gutes Kulturleben“, das spreche bis heute für die Hellwegstadt. Während ein Teil ihrer Familie aus dem Münsterland stammt, wuchs Gabi Müller-Vorholt in Witten auf. Geboren 1954 in Witten, die Verwandtschaft kommt aus dem Münsterland. Das Wunschstudium zur Ärztin konnte sie aus Geldmangel nicht aufnehmen. Zudem war der Numerus Clausus auch damals schon sehr hoch. Die Wahl fiel auf Biologie und Sozialwissenschaften. „Das war aber kein Verzicht für mich.“ Ihr Interesse an den Sozialwissenschaften wurde durch den Einmarsch der russischen Armee in der Tschechoslowakei 1968 entfacht. „Panzer gegen Menschen“, da sei sie politisch aufgewacht. Es war auch die Zeit des Umbruchs in der Medienwelt. Politik erschien immer ausführlicher auf dem Bildschirm.
Sozialengagement
Gemeinsam mit ihrem Mann studierte sie in Bochum. Ihre erste Lehrerstelle trat sie schließlich im Februar 1981 am Märkischen Gymnasium Hamm an. Als Tochter Dorothee 1984 in die Familie kam, adoptiert aus Korea, wurde ihr bei einem Smog-Alarm im Ruhrgebiet bewusst, wie sehr Autoverkehr die Umwelt belastet und zur Gefahr für die Ökologie wird.Um an ihrem Wohnort zu arbeiten, stellte sie den Antrag auf Versetzung. Ihr Mann wechselte ins Referendariat an das Pestalozzi-Gymnasium Unna, wo er bis zur Pensionierung unterrichtete. Über die Hilfsorganisation Terre des Hommes, in der sich Gabi Müller-Vorholt engagierte, kam 1989 ihre Tochter Lisa aus Südkorea in die Familie. Die Leidenschaft für Asien kam beim Studium in Bochum. Ein Religionslehrer motivierte sie für Terre des Hommes. Nach der Zeit der Kindererziehung für Dorothee nahm Gabi Müller-Vorholt 1985 den Dienst am Ernst-Barlach-Gymnasium auf.
Wandel im Schulleben
Nach der zweiten Kinderphase hatte sie lange eine Teilzeitstelle als Biologie- und Sozialkundelehrerin. Als der damalige Leiter des EBG, Dr. Hartmut Stefan, sich aus Krankheitsgründen zurückzog, trug man ihr 2004 das Amt der Schulleitung, zunächst kommissarisch, an. Offiziell wurde sie im Februar 2009 zur Schulleiterin ernannt.
Das Schulleben habe sich sehr gewandelt. Für die Lehrkräft habe sich Schule durch G8 sehr beschleunigt. Zeit für ausserschulische Lernorte und Engagement in Vereinen oder Initiativen bleieb heute kaum. „Aber das sollte jetzt durch G9 wiederkommen“, hofft sie.
Auf viele schöne Momente blickt Gabi Müller-Vorholt zurück. Wie ein Dejavu sei ihr stets vorgekommen, wenn ältere Schüler klagten, „die Kleinen“ seien so wuselig auf dem Schulhof. „Das war zu jeder Zeit so.“ Schule habe aber mehr Erziehungsaufgaben bekommen, der Anspruch der Gesellschaft sei viel größer geworden.
Kunst
Den Schwerpunkt des Ernst-Barlach-Gymnasiums, Kunst und Kreativität, hat Gabi Müller-Vorholt weiter ausgebaut. Zahlreiche Schul-Ag`s und Kultur-Projekte haben gestalterische Themen wie Skulpturen, Bilder und Installationen. Von dem Engagement profitierten auch Ex-Absolventen wie die Film-Regisseure Peter Thorwarth und Felix-Maxim Eller. Den Eindruck und das Umfeld des Gymnasiums gestaltete Gabi Müller-Vorholt mit. In den ausladenden Flur- und Treppenbereichen umfängt ein Mix aus Projektarbeiten und Bildern die Schüler und Besucher. „ Architektur und Gestaltung des Umfeldes wirken auf den Menschen. Die Schüler sollen sagen ich habe mich wohlgefühlt.“
Während ihrer Amtszeit organisierte sie mit der Elternschaft die Essensausgabe, notwendig geworden durch die G8- Schulzeitverkürzung.
Packe gerne an
16 Stunden Arbeit pro Tag haben bei Gaby Müller-Vorholt selten ausgereicht. Als Schulleitung zählten Aufgaben im Personalmanagement zu ihrem Dienst, ein Arbeitsfeld, in das sie sich eingearbeitet hat. Aber die Vielschichtigkeit hat sie genossen. “Ich packe gerne mit an. Das ist wichtig. Ihr Amt habe sie als Verpflichtung für Schüler und Mitarbeiter empfunden und um zu zeigen: „Wir sind eine gemeinsame Schule.“ Auch mal ernstere Gespräche habe sie geführt, die Rollenverteilung sei bei ihr immer klar gewesen.
Reisen
Wenn am 31. Januar die offizielle Verabschiedung stattfindet, wird die Schulgemeinde der Stadt Unna anwesend sein. Wer die Schulleitung übernimmt ist offen, im Gespräch ist der stellv. Schulleiter Ulrich Schmitz.
An einen „Ruhezustand“ denkt Gabi Müller Vorholt aber nicht. Öfter verreisen möchte sie. Dann gerne im Mai und September, in der Unterrichtszeit. Südafrika, die Galapagos-Inseln und Europa möchte sie näher kennenlernen. Vielleicht lerne sie noch eine Sprache. Und ein caritatives Ehrenamt schwebt ihr vor, etwa als Vorleserin an Schulen, auf dem Weihnachtsmarkt oder für die Afrikahilfe. Die von ihr einst gegründete Tschernobylhilfe ist seit rund 8 Jahren beendet.
Für die Zukunft des EBG hat sie einen Wunsch: "Soziales Lernen und mit anderen umgehen können in Gemeinschaft, das soll den Schülern vermittelt werden." In jedem Falle hört sie im Eichendorffweg die Schulklingel und wird sich an die Zeit erinnern. „Viele Kollegen würden nie so nah an die Schule ziehen“, ist sie überzeugt. Sie habe es aber genossen, wenn Eltern sie treffen und begrüßen.
Autor:Stefan Reimet aus Holzwickede |
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