Podiumsdiskussion zum Thema: Migration, Integration und Teilhabe
Montag, 06. März 2017 I 18:00 Uhr
„Vielfalt schätzen - Rassismus ächten“
Ohne kulturelle und religiöse Vielfalt ist Deutschland heute nicht mehr denkbar: Aus Zuwanderern werden deutsche Staatsbürger, verschiedene Kulturen und Religionen leben in direkter Nachbarschaft und sind für ihre Zukunft aufeinander angewiesen. Die Globalisierung ist kein abstraktes Phänomen mehr. Sie ist bei uns vor Ort angekommen.
Im Rahmen der Kampagne „Vielfalt schätzen - Rassismus ächten“ und 5 Jahre nach dem Teilhabe- und Integrationsgesetz in Nordrhein-Westfalen hatte der Integrationsrat der Kreistadt Unna in Kooperation mit dem Kultur- und Kommunikationszentrum Lindenbrauerei Unna die Politiker:
Hartmut Ganzke, MdL SPD »Bianca Dausend, CDU » Herbert Goldmann MdL, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN » Susanne Schneider MdL, FDP » Hanns-Jörg Rohwedder MdL PIRATENPARTEI » und Walter Wendt-Kleinberg, DIE LINKE, eingeladen.
Moderiert wurde der Abend von der Bereichsleiterin Weiter- und Fortbildung Rita Weißenberg und der Vorsitzenden des Integrationsrates Ksenija Sakelšek und durch eine Band musikalisch eingestimmt.
Es waren viele Fragen - Wahlprüfsteine 2017 an unsere Politiker
» 1. Integration - Eine Querschnittsaufgabe
Integration ist ein beidseitiger Prozess, der sowohl den Menschen mit Migrationshintergrund wie auch der Mehrheitsgesellschaft aufgegeben ist. Welche Aufgaben kommen Ihrer Meinung nach auf die Alteingesessenen zu und welchen Beitrag müssen die Einwanderer im Integrationsprozess leisten? Wie können die mitgebrachen Kompetenzen der Einwanderer in diesem Prozess für die Gesamtgesellschaft von Nutzen sein?
» 2. Bildung
Welche Vorschläge haben Sie zur Verbesserung der Schulerfolge der Migrantenkinder?
» 3. Förderung der natürlichen Mehrsprachigkeit Sprachenförderung in der Einwanderungsgesellschaft
Welche Bedeutung haben für Sie die Herkunftssprachen der Migrantenkinder in unseren Bildungseinrichtungen?
» 4. Gemeindeordnung
Welchen Stellenwert haben die Integrationsräte für Sie und welchen Status haben diese in der Kommunalpolitik? Welche Änderungsvorschläge zur Stärkung der Integrationsräte und Verbesserung ihrer Arbeit haben Sie in Bezug auf § 27 der Gemeindeordnung NRW?
» 5. Teilhabe- und Integrationsgesetz
Wie können die Integrationsräte stärker in die Arbeit und die Entscheidungen der Kommunalen Integrationszentren einbezogen werden? Wie können die bereits bestehenden Teilhabemöglichkeiten des Landesintegrationsrates NRW bei Gesetzesvorhaben gestärkt werden?
» 6. Mehrstaatigkeit und politische Teilhabe
Der Großteil der Menschen mit Migrationshintergrund möchte die Staatsangehörigkeit des Herkunftslandes behalten und über die Hälfte der Einbürgerungen geschieht unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit. Sollte Ihrer Meinung nach Mehrstaatigkeit für alle grundsätzlich möglich sein?
» 7. Ausbildungs- und Arbeitsmarkt
Zahlen und Erfahrungen belegen, dass die Migrantenjugendlichen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt benachteiligt sind. Welche Maßnahmen schlagen Sie vor, um diese Benachteiligung zu beseitigen?
» 8. Rassismus und Rechtsextremismus
Welche langfristigen Maßnahmen halten Sie für sinnvoll, um den Boden, auf dem Rassismus gedeiht, trocken zu legen?
» 9. Interkulturelle Öffnung
Für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands ist die interkulturelle Öffnung der öffentlichen Verwaltungen und anderer Einrichtungen unabdingbar. Sie muss in allen administrativen, kulturellen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereichen realisiert werden. Mit welchen Konzepten kann der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund in den genannten Bereichen erhöht werden?
» 10. Flüchtlinge
Viele Menschen, die zu uns geflüchtet sind, werden unabhängig von ihrer Bleibeperspektive dauerhaft bei uns leben. Sind Sie der Ansicht, dass allen Flüchtlinge die gleichen Integrationsangebote gemacht werden sollten? Welche Aufenthaltsperspektiven sollten Ihrer Meinung nach Geduldeten gegeben werden, die nicht abgeschoben werden können?NRW hat auf Grundlage von § 12a des Aufenthaltsgesetzes eine Wohnsitzauflage für anerkannte Flüchtlinge beschlossen, obwohl andere Bundesländer wie Rheinland-Pfalz, Niedersachen oder Brandenburg keine Notwendigkeit für eine Wohnsitzauflage sehen. Welche Meinung haben Sie zu diesem Thema?
» 11. Globalisierung - Chancen Erkennen und nutzen
Ohne Zweifel ist Deutschland ein von Vielfalt geprägtes Einwanderungsland, das im globalen Wettbewerb steht. Sind Sie der Ansicht, dass wir als solches ein Einwanderungsgesetz brauchen?
Zu den vielen Fragen gab viele Antworten - Überwiegend parteiübergreifende Einigkeit
Dazu bat ich die Politiker um ein kurzes Statement, was ihnen an diesem Abend wichtig war:
» Hartmut Ganzke, MdL SPD
In 52 Kreisen und kreisfreien Städten unseres Landes gibt es ein Kommunales Integrationszentrum. Integration steht und fällt mit der Chance zur Teilhabe und auf Chancengleichheit. Das Land NRW hat dazu seinen Integrationsplan aufgestellt, um die Stärken eines jeden Einzelnen zu fördern.
» Bianca Dausend, CDU
Integration ist keine Einbahnstraße. Diejenigen, die zu uns kommen, sollten unsere Kultur wertschätzen und unsere Sprache lernen, damit sie teilhaben können und Teil unserer Gesellschaft werden. Diejenigen, die bereits hier leben, sollten den zu uns Kommenden eine Chance geben, sich zu integrieren. Dabei sollten Kultur- und sprachvermittelnde Angebote gemacht und genutzt werden. Zu einer gelingenden Integration, insbesondere von Schülerinnen und Schülern gehört die Optimierung unseres Bildungssystems insgesamt. Dort, wo Unterrichtsausfall an der Tagesordnung ist, werden Schüler aus bildungsfernen Familien ebenso wie Integrativkinder benachteiligt. Insofern sollten unsere Forderungen nicht auf ein Mehr an Leistungen gerichtet sein, sondern das Bestehende sollte ins Gute hinein optimiert werden. Fördern und fordern sollte dabei die Grundlage bilden.
» Herbert Goldmann MdL, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
„Wenn man die Ziele und Grundsätze des Teilhabe- und Integrationsgesetzes wie „das Bewusstsein der Menschen mit und ohne Migrationshintergrund für gegenseitige Offenheit, Toleranz, Respekt und Veränderungsbereitschaft ist zu fördern“ wirklich ernst nehmen würde, wäre mir um eine gelingende Integration nicht bange; leider sieht die politische Realität insbesondere der Parteien im Alltag häufig anders aus.“
» Wenn ich den Familiennachzug von Flüchtlingen über Jahre ausschließe (wie aktuell bei den Syrern), wie soll da eine Integration gelingen?
» Susanne Schneider MdL, FDP
Die FDP steht für Weltoffenheit und Toleranz, Diskriminierung verurteilen wir. Integration darf keine Einbahnstraße sein. Wir müssen die Menschen die zu uns kommen respektieren und unterstützen. Es muss aber klar sein, dass die „Gebrauchsanweisung" für unser Land unser Grundgesetz ist, das regelt, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind und dass es z. B. selbstverständlich ist, dass zwei Männer händchenhaltend durch die Straßen gehen.
» Der wichtigste Punkt für eine erfolgreiche Integration ist das Erlernen der deutschen Sprache. Unsere Lehrer benötigen mehr Unterstützung von Seiten der Landesregierung. Mit einer Inklusion, die mit der heißen Nadel gestrickt wurde und den Migranten, die zu uns gekommen sind, kommen sie häufig an ihre persönlichen Grenzen.
» Die FDP befürwortet eine doppelte Staatsbürgerschaft aus mehreren Gründen, in manche Herkunftsländer können z. B. die Menschen nur einreisen, wenn Sie diese Staatsbürgerschaft haben.
» Wir brauchen bundesweit endlich ein vernünftiges Einwanderungsgesetz, ein abgesenktes Einkommen bei der Blue Card, wie sollen sonst z. B. Pflegassistenz-Kräfte zu uns kommen. Gut wäre ein Punktesystem, so könne man dann nach Qualifikation, Sprache, Alter... prüfen, ob eine Einwanderung sinnvoll ist.
» Hanns-Jörg Rohwedder MdL, PIRATENPARTEI
Ich habe bewusst meine eigenen persönlichen guten Erfahrungen mit Mehrsprachigkeit und Zweiströmigkeit hervorgehoben. Schön, dass ich dazu Gelegenheit bekam. Wichtig ist mir, dass Integration keine Einbahnstraße ist, dass sie auch nicht mit Assimilation verwechselt werden darf. Zur vollwertigen Aufnahme in unsere Gesellschaft gehören für mich Ausländerwahlrecht und die Option der doppelten Staatsbürgerschaft.
» Walter Wendt-Kleinberg, DIE LINKE
Für „Die Linke" ist Integration eine der wichtigsten Aufgaben heute. Sie setzt voraus, dass alle, die hier in Deutschland längerfristig leben werden, die Unterstützung erhalten, die notwendig ist, sich in unserer Gesellschaft zurechtzufinden. Das betrifft den Erwerb der deutschen Sprache, eine der wichtigsten Aufgaben. Wir brauchen in Kindergärten und Schulen und bei anderen Bildungsträgern Anstrengungen, die hierbei helfen. Die Schulen müssen mit zusätzlichen Lehrkräften und Sozialarbeitern ausgestattet werden, damit die Vermittlung von Bildung überhaupt möglich ist. Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund müssen das in ihnen steckende Potential auch entwickeln können. Unternehmen müssen ermutigt werden, für junge Menschen mit Migrationshintergrund zusätzliche Lernangebote zu entwickeln, so wie das z.B. die RAG über viele Jahrzehnte für ihre Auszubildenden immer gemacht hat.
» Nur über schulische Abschlüsse und anschließende berufliche Qualifizierung ist eine Integration möglich. Und nur so kann verhindert werden, dass sich Migranten in Niedriglohnbereichen, damit in der Armut und in der Randständigkeit wiederfinden.
» Deutschland ist de facto ein Einwanderungsland und wird das auch in der nächsten Zukunft sein. Deshalb brauchen die Menschen mit Migrationshintergrund, die Flüchtlinge Unterstützung, Beratung und Begleitung. Von vielen Freiwilligen wird diese Unterstützungsarbeit geleistet, in Schwerte sind 600 Menschen über den Arbeitskreis Asyl aktiv.
» In der nächsten Zukunft müssen auch in den Verwaltungen MitarbeiterInnen mit Migrationshintergrund tätig sein. Diese verstehen Migranten sicher besser, als andere.
Allen Rechtsentwicklungen müssen alle demokratischen Kräfte dieser Gesellschaft aktiv entgegenwirken. In der Diskussion gab es in vielen Aspekten des Integrationsthemas im Grundsatz Übereinstimmungen.
Fotos © Jürgen Thoms
08.03.17 08:19:15
Autor:Jürgen Thoms aus Unna |
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