Offener Brief an Superintendent Moselewski zur Forensikdebatte in Lünen
Sehr geehrter Herr Superintendent Moselewski,
eingangs möchte ich ausdrücklich betonen, dass ich von der Standortauswahl einer Forensischen Klinik in Lünen nicht unmittelbar betroffen bin. Ich halte aber die Standortentscheidung aus Gründen einer erfolgversprechenden Stadtentwicklung und insbesondere unter integrationspolitischen Gesichtspunkten für vollkommen falsch, ja geradezu fatal.
Sehr geehrter Herr Superintendent,
ihre Bekundungen zur Standortdebatte eines Forensikstandortes in Lünen stoßen größtenteils auf Unverständnis und hinterlassen bereits jetzt in den Herzen der Gläubigen tiefe Spuren. Die Kritik lässt sich etwa wie folgt in nachstehenden Thesen zusammenfassen:
1. Sie haben augenscheinlich von der Landesregierung eine Rolle zugewiesen bekommen und lassen sich fraglos in deren Sinne instrumentalisieren. Ihr Auftritt im Hansesaal, als Sie zur Überraschung aller teilnehmenden Bürger aus dem Publikum auftauchten und dieser im Kern schon schwierigen Veranstaltung eine weitere Dimension, nämlich die der Fassungslosigkeit und Erschütterung angesichts Ihrer blindgläubigen Obrigkeitshörigkeit, hinzufügten, lässt sich gar nicht anders interpretieren (Die „Störungen“ und „Buhrufe“ wären dann Ausdruck dieses Verdachts und damit rational verständlich). Vielleicht sind Ohnmachtsgefühle angesichts der falschen Entscheidung in Verbindung mit der Befürchtung ,dass Sie eine politische Theologie vertreten, die per Augenzwinkern mit der Staatsmacht paktiert und politische Emanzipation auf der Grundlage des Glaubens verhindert, der Grund dafür.
2.
Sie brechen bewusst durch Ihre Stellungnahmen in der Öffentlichkeit den Widerstand bereits zu einem Zeitpunkt, in dem die politische Auseinandersetzung gerade erst begonnen hat. Dies erzeugt bei den Betroffenen „Ohnmachtsgefühle“, zumal eine Vielzahl sachlicher Gründe gegen den ausgewählten Standort sprechen, zu deren umfassender Beurteilung einem Theologen naturgemäß die fachlichen Voraussetzungen fehlen.
Ich denke dabei u.a. an wirtschaftliche und soziale Auswirkungen bzw. Folgen einer solchen Standortentscheidung.
3. Sie maßen sich mit Ihren Äußerungen eine Deutungshoheit und Autorität an, die Ihnen aus den bereits erwähnten sachlichen, vor allem aber auch theologischen Gründen, nicht zusteht.
Sollte meine letzte These zutreffen, hätten Sie sich durch ein in Teilen falsch interpretiertes Kirchenverständnis von Luther und seiner Lehre ein gutes Stück getrennt.
Man muss sich an dieser Stelle leider wirklich die Frage stellen: Gehen Sie noch in vollem Umfange mit der evangelischen Theologie konform? Oder vertreten Sie ungewollt die Anschauungen einer anderen Glaubensgemeinschaft? Etwas provokant formuliert könnte man fragen: Fühlen Sie sich den Ansichten der kath. Kirche näher ?
Ausdrücklich möchte ich betonen, dass ich Ihren „Appell zur Besonnenheit“ als private, moralisch motivierte Meinungsäußerung zwar zu würdigen weiß, dieselbe Aufforderung aber „von der Kanzel herab“, im Gleichklang mit Ihrer selbstgerechten und vordergründig politisch motivierten „Infragestellung“ des Widerstandes gegen den Forensikstandort mit Ihrer Funktion eines Pfarrers und Superintendenten der Ev. Kirche, noch dazu am Reformationstag, für nicht vereinbar halte. Sie beanspruchen hier meines Erachtens eine Autorität „ex cathedra“, die Ihnen auf der Grundlage der protestantischen Glaubenslehre nicht zusteht.
Können Sie übrigens guten Gewissens bejahen, dass Luther heute in einer ähnlichen Situation keinen Widerstand geleistet hätte bei einer Entscheidung einer Landesregierung, die sich über „die Köpfe des Volks“ hinwegsetzt und eine offenkundig falsche Entscheidung zum Leid der Bevölkerung trifft ? Schade, dass die Reformation für Sie heute scheinbar nicht mehr als nur ein historisches Ereignis ist!
Steht Leben und Lehre Luthers nicht für Protest „par excellence“. Verdankt der Protestant dem Widerstand nicht seinen Namen?
Ich halte es für richtig und gut, wenn ein Christ sich mit den Entscheidungen seiner Kirche auch beizeiten kritisch auseinandersetzt, sein Gewissen befragt und daraus Konsequenzen zieht. Widerstand ist eine grundlegende Kategorie der evangelischen Kirche, die durch das Leben Jesu Christi und natürlich gerade durch die Lehre und vor allem durch das Leben Martin Luthers bezeugt sind. Wenn Sie übrigens dieses dynamische Element „von der Kanzel herab“ infrage stellen, ja sozusagen die Gemeinde „abkanzeln“, wird der Protestantismus seiner Rolle nicht mehr gerecht.
Sehr geehrter Herr Superintendent,
Deshalb mein dringender Appell an Sie, versuchen Sie, den bereits entstandenen Schaden hinsichtlich Ihrer theologischen Glaubwürdigkeit und der Ihrer Kirche zu erkennen und weitere Äußerungen zu der Forensikdiskussion in Lünen zu unterlassen.
Bitte tragen Sie nicht weiter von der Kanzel herab und in seelsorgerischen Gesprächen zur Verunsicherung der Gemeinde bei.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Gorski
Autor:Thomas Gorski aus Unna |
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