Hubert Hüppe (MdB) im Exklusiv-Interview
Hat Lauterbach keine Zeit für den Gesundheitsausschuss?
Die Pandemie ist das beherrschende Thema des Bundestags-Gesundheitsausschusses, den der heimische Abgeordnete Hubert Hüppe (65) nun kommissarisch leitet. Nie zuvor war die Arbeit dort so wichtig wie in den letzten zwei Jahren. Anlass für ein Stadtspiegel-Exklusiv-Interview.
Ist Corona immer noch das beherrschende Thema bei den Sitzungen?
Hubert Hüppe: „In der konstituierenden Sitzung waren wir uns einig, den Gesundheitsminister Karl Lauterbach aufzufordern, den Ausschuss in einer kurzfristigen Sondersitzung über die aktuelle Situation bei Corona zu informieren - insbesondere zur Verfügbarkeit der Impfstoffe.“
Was muss jetzt schnellstens auf den Tisch?
Hubert Hüppe: „Über die aktuellen Entwicklungen bei Corona, z.B. die Impfstoffdebatte, will der Ausschuss mit dem Minister selber reden. Lauterbach wollte aber nur einen seiner Staatssekretäre schicken. Er selbst würde bei der nächsten regulären Sitzung zur Verfügung stehen – das wäre erst am 12. Januar 2022. Das wollte der Ausschuss nicht hinnehmen und hat beschlossen, dass Karl Lauterbach um einen Termin zu Anfang der Woche vor Weihnachten gebeten wird.
Meine Wahrnehmung ist, dass es viel Irritation gibt, weil er sich zwar gegenüber der Presse und in Talkshows äußert, aber seit Tagen keine Zeit findet, den zuständigen Ausschuss zu informieren.“
Wann kommt der neue Impfstoff, der künftige Corona-Varianten ausbremsen könnte?
Hubert Hüppe: „Genau das wäre eine der Fragen, die der Gesundheitsausschuss und auch ich gerne zeitnah mit dem Gesundheitsminister diskutieren würde. Lauterbach hat ja schon angekündigt, dass es möglicherweise einen auf die Omikron-Variante angepassten Impfstoff geben könnte.“
Wie stehen Sie zur Impfpflicht?
Hubert Hüppe: „Ich bin selbst vollständig geimpft und bekomme nächste Woche meine Auffrischungsimpfung.
Die Frage der Impfpflicht werden wir innerhalb meiner Fraktion in einer Sondersitzung noch vor Weihnachten beraten. Ich persönlich tendiere nicht zu einer allgemeinen Corona-Impfpflicht, weil ich nicht sehe, dass alle denkbaren anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind, die Impfquote zu erhöhen. Auch stellt sich mir die Frage nach der Durchsetzbarkeit, also mit welchen Maßnahmen von der Geldbuße bis zu Freiheitsentzug oder Anwendung unmittelbaren Zwangs das gehen soll.“
Eine Strategie, wie man Impfgegner überzeugen könnte…
Hubert Hüppe: „Dort, wo am Anfang der Corona-Pandemie eine hohe Sterblichkeit zu beklagen war (z.B. Pflegeeinrichtungen), hat das Impfen der Bewohner sichtbare Wirkung gebracht. Die Impfung bietet Schutz für die Geimpften.
Wenn Geimpfte erkranken, dann deutlich seltener als Ungeimpfte und nur sehr selten so schwer, dass sie ins Krankenhaus oder sogar in die Intensivstation müssen. Dadurch werden Engpässe vermieden, und die Krankenhäuser müssen nicht die Behandlung anderer Patienten verschieben. Das hilft diesen anderen Patienten.
Schließlich gibt es Indizien dafür, dass die Impfung das Übertragungsrisiko senkt, wenn jemand sich trotz Impfung mit Corona infiziert. Das hilft gerade älteren und immunsupprimierten Menschen, bei denen eine Impfung nicht immer eine Erkrankung verhindert.“
Ist die Finanzierung der Impfstoffe ein Problem?
Hubert Hüppe: „Auch unter der alten Regierung haben wir bisher jeden Preis gezahlt, um an Impfstoff zu gelangen. Aber auch hier wäre wichtig, dass Herr Lauterbach dem zuständigen Gesundheitsausschuss erklärt, was er tun will, für welche Fälle er vorsorglich Reserven in welcher Menge vorhalten will, wie viel Geld das kostet und aus welchen Töpfen das entnommen werden soll.
Natürlich muss man bedenken, dass wenn nicht geimpft würde Lockdown, Kurzarbeit, Betriebsschließung etc. für uns alle und den Staat schnell teurer würden als der Impfstoff.
Allerdings hätte ich ein ethisches Problem, Impfstoffmengen von ärmeren Ländern wie Rumänien oder Bulgarien aufzukaufen, die dringend auf Impfstoff angewiesen sind und eine wesentliche niedrigere Impfquote haben.“
Wann kommen dazu wichtige Medikamente (auch rezeptfrei) auf den deutschen Markt?
Hubert Hüppe: „Bei der Beantwortung so einer Frage müssen alle Politiker aus meiner Sicht äußerst zurückhaltend sein. Denn das Gefährlichste wäre, wenn die Politik mittels Mehrheitsbeschluss Arzneimittel zulässt. Wir haben eine nationale bzw. europäische Arzneimittelzulassung, und dort wird ein Medikament nach strikten Regeln für den Markt zugelassen. Die dafür nötigen Daten zu Nutzen und Risiken eines Medikaments werden in klinischen Studien gewonnen – und zu COVID-19 findet man für Deutschland über 200 klinische Studien im amerikanischen NIH-Register. Mir ist auch bekannt, dass die deutschen Ethikkommissionen seit Beginn der Pandemie Studien zu COVID-19 besonders zügig bearbeiten.“
Wie kann man den Pflegeberuf attraktiver machen?
Hubert Hüppe: „Meine eigene Tochter arbeitet in der Pflege, sie macht das gerne und liebt ihren Beruf, und auch der Verdienst ist nicht so schlecht, wie es manchmal dargestellt wird.
Wenn man die Pflegeberufe attraktiver machen will, muss das langfristig und nachhaltig angelegt sein. Eine einmalige Zulage verpufft schnell. Man muss z.B. schon in den Schulen für Pflegeberufe werben und Schülerbetriebspraktika ermöglichen. Einkommen, Weiterbildungsmöglichkeiten und Aufstiegschancen müssen langfristig attraktiv sein.
Wer langfristig etwas für die Pflegeberufe verbessern will, muss bei der Pflegeausbildung anfangen - gerade Minister Karl-Josef Laumann hat hier in Nordrhein-Westfalen in den letzten Jahren vorbildliches geleistet. So hat das Land Nordrhein-Westfalen durchgesetzt, dass in den Gesundheitsberufen kein Schulgeld mehr anfällt. Darüber hinaus hat das Land 350 Millionen Euro in den Aufbau und die Modernisierung von Ausbildungskapazitäten investiert.“
Lauterbach im TV
MEEDIA hat sich die Gästeliste von "Markus Lanz" angesehen. 2021 liegt Karl Lauterbach auf Platz 2, auf Platz 1 landet ein Journalist der WELT: Hier der Bericht dazu.
Autor:Anja Jungvogel aus Unna |
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