"Glüxxit" - Wege aus der Spielsucht
Immer und an jedem Ort aktiv an Glücksspielen teilnehmen zu können, stellt sich für viele Jugendliche als wachsende Gefahr heraus. Mit einem Präventionsprogramm geht der Arbeitskreis gegen Spielsucht Unna jetzt das Problem an. Am Hansa-Berufskolleg informierte jetzt ein Psychologe der Universität Bremen rund 60 Schüler über Risiken
Die Zielgruppe hat sich in den letzten zehn Jahren stark verändert. Die Hauptgruppe sei heute 18 bis 20 Jahre alt, die meisten regelmäßigen Spieler haben viel früher angefangen zu zocken. Stark gestiegen sei der Anteil der Frauen. Möglich macht es der Wandel der Spielhallen hin zum Freizeittreff mit teils edlem Charakter. Hinzu kommen Internetspiele und Wettangebote verschiedenster Art. Die Zugangsschwelle ist deutlich gesunken. Das Präventions-Projekt mit dem Titel "Glüxxit - wer nicht zockt gewinnt" setzt auf frühzeitiges Erkennen der Suchtgefahr vom Erstkontakt bis zum übermäßigen Geldspiel. Anlass ist eine Studie der Universität Bremen, wonach mindestens jeder zweite Jugendliche bereits den Reiz des Glücksspiels erlebt hat. "Die Spieler werden immer jünger, was damit zu tun hat, dass neue Spielmedien auf den Markt gekommen sind", erklärt Jürgen Trümper, Leiter des Arbeitskreis (AK)Gegen Spielesucht Unna. Er nennt als Beispiel die Sportwetten. "Viele Menschen glauben, es ist kein Glücksspiel." Der Übergang verschwimme zunehmend. Jugendlichen werde eine Kompetenz zugesprochen, die sie eigentlich nicht haben.
Wetten als Kultur
Sein Fachwissen rund um Fußball zu Geld zu machen, sei verlockend. Der Glücksspielcharakter werde verschleiert. Um so mehr, wenn Sport- und Werbeidole wie Oliver Kahn behaupteten, Sportwetten gehörten zur Fußballkultur. Die Beratungsstelle in Unna wird von immer jüngeren Betroffenen aufgesucht, erklärt Susanne Matern vom AK Unna. "Wir wollen sie früher über das Gefahrenpotenzial informieren." Dass Jugendliche sich zunehmend auf Einsatz und Quoten konzentrieren anstatt auf den sportlichen Wettbewerb beobachtet Jürgen Trümper: "Wenn die erste Wette gut läuft ist die nächste schon im Visier." Jungen Menschen fehle die Kompetenz, die Risiken einzuschätzen. Auch in manchen sog. "Kulturvereinen" habe man eher den Eindruck, der Zweck sei die Pflege des Automatenspiels.
Ein weiteres Feld sei die "Casinoisierung" der Spielhallen. In Annoncen werde zur Feier des 18. Geburtstag eingeladen. Frei zugängliche Geldspielgeräte würden meist gar nicht kontrolliert. Dabei genüge oft die visuelle Wahrnehmung, dass jemand Geld gewinnt, um das Interesse jüngerer Spieler zu wecken. "Das trifft auf manche Schüler massiv zu", hat Julia Stroscher, Sozialarbeiterin Am Hansa-Berufskolleg erfahren. Von Glüxxit erwartet sie mehr Möglichkeiten, Kontakt über das Thema zu knüpfen. Viele Pädagogen hätten erklärt, das Glücksspiel sei ein "Riesenproblem in den Klassen". Bei manchen Schülern führe dies sogar zur Verschuldung oder auffälligem Sozialverhalten. Susanne matern: "Gerade Berufsschulschüler sind eine Hauptzielgruppe." Dem pflichtete Schulleiter Günter Schmidt bei: "Wir beschulen eine Risikogruppe." Das Interesse des 120 Pädagogen umfassenden Kollegiums möchte er auf das Thema fokussieren und mit Glüxxit mehr Multiplikatoren schulen. In der Auftaktveranstaltung vor 60 Schülern des Hansa-Berufskolleg
"Glüxxit", das zunächst auf drei Jahre ausgelegt ist, wird begleitet von Dr. Tobias Hayer vom Institut für Psychologie und Bewusstseinsforschung der Universität Bremen. Untersuchungen haben gezeigt, dass es sich bei Glücksspiel um eine verborgene Sucht handele, weil Jugendliche diese lange geheim halten können. "Man kann das überall machen und als Lehrkraft bekommt man das nicht ohne weiteres mit." Es gehe zunächst um Kommunikation mit den Jugendlichen. Auch Eltern sollten sich dafür interessieren, was spielt mein Kind eigentlich, als mit erhobenem Zeigefinger zu warnen. daraum Junge Leute kommen selbst nicht. Über "Glüxxit" erkennen sie, dass ein Automatenspiel ein reines Zufallsprodukt ist und dass Knöpfe keinen Einfluss auf den Spielausgang haben.
Info
Die Landeskoordinierungsstelle Glücksspielsucht NRW und die Schwerpunktberatungsstellen Neuss, Herford und Unna haben im Auftrag des NRW- Gesundheitsministeriums das Präventionsprojekt "Glüxxit - wer nicht zockt, gewinnt!" für Berufskollegs entwickelt.Das Präventionssprojekt umfasst eine "Glüxxbox", die neben Unterrichtsmaterialien vor allem beispielhafte Glücksspiele enthält. Sie verschaffen einen Überblick zu Aufbau, Risiken und Gefahren von Wett- und Pokerspielen. Anhand von "Quotenspielen" wird die Chance verdeutlicht, bei Wetten wirklich reich zu werden. Das Hansa-Berufskolleg wird das Projekt vor allem im Bereich Fachlageristen und Logistik durchführen. Religions-Pädagogin Maike Imort wird Glüxxit im Relgionsunterricht und Lehrfach Lebensmanagement besprechen.
Autor:Stefan Reimet aus Holzwickede |
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