Erster Stolperstein für Homosexuellen in Unna

Würdiges Gedenken ermöglicht die Aktion Stolpersteine.   Bilder: St. Reimet
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Von St. Reimet Der Aktionskünstler Gunter Demnig verlegte jetzt einen weiteren Stolperstein in der Hellwegstadt. Im Gedenken an Reinhard Drücke (geb. 25.4.1912, gest. 31.8.1970), Sohn eines erfolgreichen  Bauunternehmers, lenkt die Aidshilfe Unna damit den Blick auf die Verfolgung von über 50.000 Homosexuellen durch das Naziregime. Nur seiner beruflichen Einsatzfähigkeit als Baumeister verdankte es Reinhard Drücke, der in der Vaersthausener Str. 38 in Königsborn den letzten Wohnsitz hatte, dass er den Weg durch mehrere Konzentrations- und Außenlager überlebte. 

 

Gewohnt dezent führte Gunter Demnig die Vorarbeiten zur Einpassung des mit einer Metallplatte versehenen Stolpersteins durch. in 1099 Orten Deutschlands und in zwanzig Ländern Europas hat er bereits die Steine der Erinnerung verlegt. Für einen Homosexuellen ist es der erste in Unna. Die 1. stellv. Bürgermeisterin von Unna,  Renate Nick, betonte die Aufgabe für künftige Generationen, Zeichen gegen das Vergessen zu setzen. "Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist." Manuel Idzebski von der Aids-Hilfe im Kreis Unna skizziert die Stationen des Lebens von Reinhard Drücke. Um in die Fußstapfen des Vaters Friedrich Drücke zu treten erlernte Reinhard Drücke den Beruf des Baumeisters, heute Architekt. Die bürgerliche Familie genoss in Unna hohes Ansehen. Nachdem Reinhard Drücke die Ev. Volksschule besucht, das Real-Gymnasium mit einjähriger Reife verließ und eine Ausbildung zum Maurer bestanden hatte, studierte er in Hannover an der technischen Hochschule. In einem Prozess nach Paragraph 175 (Vergehen Homosexueller) wurde er zu sieben Monaten Gefängnis verurteilt.
Vorbeugehaft
Aus dem Gefängnis in Duisburg wurde er 1941 entlassen, wurde aber sofort in sog. Vorbeugehaft genommen. Mit 29 Jahren wurde er verschleppt in das KZ Sachsenhausen, von wo er nach einigen Wochen ins Lager nach Groß-Rosen in Niederschlesien überstellt wurde. Seine Tätigkeit in der bauverwaltung bewahrte ihn vielleicht vor dem Tode. Noch Anfang 1945 kam Drücke nach Hersbruck, einem Außenlager des KZ Flossenbürg und dann nach Dachau. Bereits 1942 und 1943 hatte sein vater vergeblich versucht, ihn frei zu bekommen. Am 29. April 1945 wurde das KZ von der 7. US-Armee befreit. Reinhard Drücke zog wieder in seinem Elternhaus in der Vaersthausener Straße 38, das er nach dem Tod des Vaters 1949 zusammen mit der Baufirma geerbt hatte. 1948 heiratete er eine Witwe, die drei Kinder aus erster Ehe mitbrachte. Reinhard Drücke spielte im Tennisclub Grün-Weiß Unna und brachte sich im Vorstand ein. Allgemein galt er als „passabler Mann“. Die Gerüchte um seine Neigung wurde aber in Königsborn immer stärker, was auch die Entwicklung der Baufirma beeinflusste. Reinhard Drücke lebte bis zu seinem Tode am 31. August 1970 in der Vaersthausener Straße 38.
Schweigen
Im Laufe der Recherchen zu Reinhard Drücke stellte Manuel Izdebski fest, dass in der Familie zunächst großes Schweigen über die Verfolgung eines Familienmitgliedes geherrscht habe. Dies sei mit den Nachforschungen für den Stolperstein aufgebrochen. Jüngere Mitglieder hätten gar nichts zu dem Schicksal gewusst.
Oberstufenschüler des Ernst-Barlach-Gymnasiums gestalteten die musikalische Begleitung des Festaktes mit den Stücken "Tears in Heaven" und "Still in love". Der Verlegung wohnten auch Schüler des Förderzentrums Unna sowie einige Vertreter der lokalen Parteien bei.Bei der Verlegung war unter anderem die Nichte Reinhard Drückes, Brigitte Saalfeld anwesend. Sie erklärte: „Es ist mir eine Genugtuung, dass mein Onkel heute als rehabilitiert gilt. Mich bewegt es sehr, dass ein Stolperstein an sein Schicksal erinnern wird.“

Info
Fast 100 Jahre lang, von 1872 bis 1969, stand Homosexualität unter Männern in Deutschland unter Strafe. Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, legte unter Paragraph 175 fest: „Die widernatürliche Unzucht, welche zwischen Personen männlichen Geschlechts oder von Menschen mit Thieren begangen wird, ist mit Gefängniß zu bestrafen.“ Ab der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten wurden die Strafen deutlich verschärft, bis zur Verfolgung und Deportation der Beteiligten. 

Autor:

Stefan Reimet aus Holzwickede

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