Stadtarchivar Dr. Frank Ahland kämpft gegen "Papierfresser"
Bewahrer der Stadtgeschichte
„Kennen Sie das Stadtarchiv Unna?“ - Die Antwort lautet wohl regelmäßig „Nein“. „Schade“, findet Dr. Frank Ahland (53). Der Historiker übernahm die Leitung von Thomas Warenga, der in den Ruhestand wechselte. Die wichtigste Dokumentationsstelle der Stadt möchte er weiter öffnen, für private Ahnenforscher ebenso wie für Schüler, Studenten und Ortshistoriker. Und kämpft dafür an mehreren Fronten.
Eigentlich hatte Dr. Frank Ahland mit Unna wenig zu tun, war eher selten in der Hellwegstadt. Der Zufall spielte mit, als er vor zehn Jahren anlässlich der „Ruhr 2010“ an einem Projekt mit dem Jüd. Altersheim arbeitete, ein Denkmalprojekt des Landschaftsverband Rheinland. Dr. Ahland lernte die Stadt mehr kennen. Dann sprach ihn vor einem Jahr ein lokaler Historiker an, ob er ein Buch über die Aktion Stolpersteine schreiben könne. Der freiberufliche Publizist, der bisher Bücher zur Lokal- und Regionalgeschichte, Gewerkschaften und Jüdische Geschichte verfasste, leitet heute das Stadtarchiv.
Geteilter Standort
Gleich zu Beginn seiner Tätigkeit stellte er fest: „Sehr, sehr viel zu tun hier.“ Denn die geballte Geschichte der Hellwegstadt ist verteilt auf zwei Standorte, die eigentlich getauscht gehören. Als das Archiv vor 15 Jahren aus dem Standesamt auszog, wurde es auf ein Magazin im Rathaus und im ZIB aufgeteilt. Ausgerechnet Dokumente, die am häufigsten nachgefragt werden, befinden sich im Rathaus, nämlich die sog. verzeichneten Bestände. In einer Art Verzeichnisbuch zum Amt Unna/Kamen sind jeweils die Akten mit Titeln aufgeführt. Für Nutzer muss DR. Ahland daher immer vorbestellen. „Das ist mit Zeitverlust verbunden und unpraktisch.“ Der Zahn der Zeit könnte bei der Umstrukturierung helfen. Denn Dokumente zwischen 1850 und 1950 trocknen aus, das Papier zerfällt, auch weil Säure drin steckt. Seine Planung ist, die Akten zunächst zu entsäuern. Das kostet Geld, doch er habe die Hoffnung, dass die Stadt die Gelder zur „Substanzerhaltung von Geschichtswissen“ investiert. Die Entsäuerung könnte Etwa beim LWL in Münster in Auftrag gegeben werden. „Das dauert einige Jahre, bis alle Bestände in die Entsäuerung gehen.“ Und dann eben direkt ins ZiB zurückkehren. Dort wird es dann trotzdem nicht eng, denn hier sind bisher Zwischenarchive, die Registratur der Ämter. Der Kreis hat ein eigenes Zwischenarchiv. Direkt in den Ämtern liegen die Akten nur noch wegen der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist. „Wenn die abgelaufen sind kommen sie zu uns“, so Dr. Ahland. Derzeit verzeichnet eine Praktikantin den Bestand. Von den Akten werden rund fünf Prozent aufbewahrt, der größte Teil wird später vernichtet. „Dadurch wird hier mehr Platz sein.“
6.700 Akten
Eineinhalb Kilometer Regalreihen stehen ihm zur Verfügung. Allein die verzeichneten Bestände bis 1945 umfassen 216 Regalmeter. 789 Kartons und rund 6.700 Akten: „Das ist nur der alte Teil.“ Alles was nach 1945 enstanden ist dürfte weitaus mehr sein. „Was heute in der Stadt Unna produziert wird, hätte für das Römische Reich vermutlich mehrere Jahre zum Regieren gereicht.“
Alte Stadturkunden, Gewerbeordnungen, Bekanntmachungen, Standesamtverzeichnisse, Fotos und ganze Redaktionsarchive zählen zu den aufbewahrten Dokumenten . Darunter ein Einwohnerverzeichnis aus der Mitte des 19. Jahrhundert, in dem sich Berufe wie Blaufärber, Notarius oder Bader, die auch Hühneraugen entfernten, finden lassen.
Ahnenforschung
Die Dienste des Stadtarchivs werden in Anspruch genommen von der Verwaltung wie von Privatpersonen. Aktuell hat er eine Anfrage aus dem Büro des Bürgermeisters. Man möchte die Schränke leeren und Akten abgeben. Dann misst Dr. Ahland erst Mal nach. 37 Meter Akten sind es, die vollständig behalten werden. Darunter Rats- und Ausschussprotokolle. Fast alles wird aufbewahrt. Dann kommt die Anfrage einer Recherche zu einer Person. Im Archiv lassen sich politische Anfragen, etwa bei der Diskussion der Straßenbeschilderung, nachvollziehen.
Meist sind es private Nutzer, die zur Öffnungszeit ins Archiv kommen. Derzeit viele Familienforscher, die mehr über die Herkunft ihrer Namen erfahren möchten. Dann sind die Einträge des Standeamtes gefragt. „Aber ich möchte auch die ortsgeschichtlich arbeitenden Bürger hier haben“. Schüler und Studenten, etwa von der Fakultät Geschichte Bochum.
Plagegeister fressen Papier
Die Neuordnung der beiden Magazine erschwert aber ein tierisches Problem. Als Dr. Ahland einen Aktendeckel aufschlug fielen sie heraus. Kleine Krabbeltierchen, Silberfischchen nicht unähnlich, mögen die Wärme und Luftfeuchtigkeit eines Magazins. Sichtbart sind sie nicht, scheuen Licht und Geräusche. Mit Klebefallen versucht er sie einzudämmen, hat bereits einige erwischt. Die „ Papierfischchen“ breiten sich in Europa immer weiter aus. Begasen kann man sie bisher nicht, eindämmen kann man sie nur durch Fallen. Maßnahme: Alle Kartons müssen vom Boden weg und die Regalböden werden höher gesetzt. „Das ist viel Arbeit und ich hoffe auf Unterstützung des Hausmeisters.“
Digitalisierung
Mit der elektronischen Akte wird wohl alles anders fürs Archiv. Doch bestehende Akten bleiben erhalten. Digital gespeichert werden nach und nach Standesamtsurkunden, und Adressbücher. Fotos möchte er in jedem Falle digitalisieren. Davon sind in Unna sehr viele vorhanden. Aus redaktionellen Beständen der Zeitungen. Viele Bestände sind zudem auf Mikrofilm verfügbar, allerdings sei die Qualität sehr miserabel, weil die Technik damals nicht ausgereift war.
Die Arbeit wird Stadtarchivar Dr. Frank Ahland so rasch nicht ausgehen. Unterstützung bekommt er seit einigen Wochen von Praktikantin Stephanie Vogt. Sie absolviert beim Berufsförderungswerk Hamm eine Umschulung, zur Fachangestellten für Medien und Informationsdienste. „Im zweiten Jahr haben wir das Thema Bibliothek und Archiv, das ist spannender als ich dachte“, erklärt die Praktikantin. Berufstipp: Nach der Ausbildung bestehen derzeit in der Fachrichtung Archiv sehr gute Arbeitschancen.
Autor:Stefan Reimet aus Holzwickede |
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