Schauspielerin Sinja Dieks aus Unna plant Ruhrpott-Kinofilm
Urvertrauen fürs Leben im Circus Travados trainiert
Als junges Mädchen trainierte sie im Circus Travados hart für Sprung-, Seil- und Luftakrobatik, im Tatort “Tanzmariechen” verkörperte sie später eine ehrgeizige Karneval-Gardistin, die unter Mordverdacht gerät. “Hätte ich ohne das Urvertrauen aus der Travadoszeit nie spielen und ohne Double performen können” erinnert sich Schauspielerin Sinja Dieks (33) aus Unna. Mit Filmgrößen wie dem Kommissar-Duo Bär/Behrendt oder Theo Gärtner (“Matula”) steht sie vor der Kamera und jetzt auch im Bozen-Krimi. Mit ihrer Heimatstadt verbindet sie jedoch einmalige Erinnerungen.
Besonders mit den Besuchen im Zirkusrund. “Zur Weihnachtszeit stand der Zirkus fest auf dem Programm”, erinnert sie sich. Zum Circus Travados kam sie kurz nach Gründung der Truppe. Aufgewachsen in Lenningsen wechselte sie zum PGU und verbrachte ab dann “extrem viel Zeit in der Manege”.Ihrem Wunsch Artistin zu werden, rückte sie damit näher. “Ich hatte klare Vorstellungen, niemals Tierärztin oder Postbotin zu werden. ” Mit dem Schulwechsel nach Unna und über eine enge Freundin kam sie zum Circus. Dort erlernte sie die Grundlagen und erwischte genau die Zeit, schnell Ehrgeiz zu entwickeln. Direkt nach der Schule und oft bis in den Abend trainierte sie. Boden- und Luftakrobatik. Mit einer Freundin zeigte sie die anspruchsvolle Luftringnummer und Seiltanz. Ihre Sportlichkeit ist bis heute Basis auch für die Schauspielerei. Als Kind probierte sie viel aus: Schwimmen, Badminton und Ballett bei der VHS wechselten sich ab. “Aber der Circus hat mich total eingenommen.” Mit der Zeit als PGU-Pennälerin verbindet sie Leichtathletik und Weitspringen. Vor allem die Tartanbahn sorgte aber für etwas schmerzhafte Erinnerungen. Ihr Herz schlug für Artistik und Tanz. Um frühzeitig Schule und Ausbildung unter einen Hut zu bringen, wechselte sie mit der 10. Klasse an das Musische Gymnasium Essen Werden. In einer Kooperation mit der Folkwang Hochschule Essen absolvierte sie eine Tanzausbildung und bestand das Abitur. Der Abschied vom PGU markiert auch ihr „Goodbye“ an Unna. Da ist Sinja Dieks 16 Jahre jung.
"Vier Minuten"
Doch bis zur Schauspielerei sollte es noch dauern. Trotz Kino- und Theaterbesuchen fehlten die Berührungspunkte, spielte sie zwar mit ihrer Mutter in einer freien Theatergruppe, aber schrieb sich nach der Tanzausbildung zunächst zum Medizin-Studium in Hamburg ein. “Weil ich den Kopf mit Wissen füttern wollte.” Aber das Künstlerisch-Darstellende wollte sie nicht aufgeben. “Bühnenerlebnisse sind etwas Besonderes.” Den Kick gab ihr schließlich der Film “Vier Minuten” von Chris Kraus, in dem sich eine Gefängnismusiklehrerin und eine begabte Gefangene trotz unterschiedlichster Lebensgeschichten annähern. “Der Film hat mich körperlich durch und durch aktiviert, Schauspielerin zu werden.” Nur wusste sie nicht, wie der Weg zur Schauspielerei führt. Als Kellnerin überbrückte sie die Zeit bis zur Aufnahmeprüfung an der Schauspielschule Hamburg und erhielt einen Platz an der Hochschule für Film und Fernsehen in Babelsberg. Einen ersten Kontakt mit Filmproduktionen hatte sie aber als Teenager in Unna. Als sie an der Sparkasse Geld abheben wollte stand sie vor verschlossenen Türen. Peter Thorwarth drehte soeben den Bankraub-Krimi “BangBoomBang”. “Da habe ich zum ersten Mal ein Set gesehen.”
2-Tage-Rollen
Sinja Dieks absolvierte das Studium und fand eine Agentur, die Verträge für sie abschloss. Der erste Auftrag war ihr ein Vergnügen: Der Märchenfilm “ Die sechs Schwäne” brachte ihr eine Nominierung als Hauptdarstellerin beste Nachwuchsdarstellerin ein. Und dann ging es los mit Anfragen. Aus der “2-Tage-Rolle als Leiche im Krimi” kam sie heraus. Zwei Engagements als Hauptrolle im WDR Tatort folgten. Ihr Genre sind markante Figuren, die unter Spannung stehen, oft einsiedlerisch, scheu. “Das ist nicht unanstrengend”, merkt sie an. Nach einem Dreh fällt die Anspannung auf der Rückfahrt ab. “Dann gehe ich schwimmen oder dusche lange.” Das Körpergedächtnis ist für die Erschöpfung mitverantwortlich. “Wenn man extreme Angst spielt erinnert der Körper das.”
"Tanzmariechen"
Das macht den Beruf für Sinja Dieks sehr aber auch so lebendig. Am stärksten hängen geblieben sei der “Matula”-Krimi (2017), in dem sie eine Figur entgegen ihres Typus spielt, eigenbrödlerisch und zurückhaltend. Der Köln-Tatort “Tanzmariechen” (2017) erinnerte sie sehr an den Zirkus. “Ohne die Erfahrung damals hätte ich das nicht so spielen können.” Es geht um Mord im Karnevalsverein, in einer Garde verstirbt die Trainerin und Sinja Dieks gerät in Verdacht. In dem Drama um Leistungssport und Überehrgeiz spielt sie eine sehr körperliche Rolle. Dieks trainierte mit der Tanzgarde, wurde nicht gedoubelt, hoch in die Luft geworfen und hatte Urvertrauen, das alles gut gehe. “Genau das habe ich im Travados gelernt.”
„Un passo dal cielo“ (Die Bergpolizei 2018 war ihre erste Erfahrung auf italienisch. Vor dem Filmdreh gab es Sprachunterricht für Sinja Dieks. “Mein Schulitalienisch reichte nicht aus”, gibt sie zu. „Un passo dal cielo“ wird original auf italienisch gedreht. Es war über sechs Monate hinweg ihre erste Erfahrung auf italienisch. Zwar hatte sie in einem koreanischen Film mit ständiger Übersetzung arbeiten müssen, aber in einer internationalen Produktion über längeren Zeitraum sowohl Rolle als auch Sprache zu bewältigen ist eine Herausforderung. Mit Terence Hill arbeitete sie zwar nicht, sie trat nach seinem Ausscheiden in die Staffel ein, er ist ihr nur aus Kindertagen bekannt.
Im Bozen-Krimi spielt sie an der Seite von Helmfried von Lüttichau (Hubert&Staller) die zwielichtige Polizistin Sofia Lanthaler, die unter Verdacht gerät, weil sie ein schweres Geheimnis mit sich trägt, nämlich ihren Vater vor der Mafia zu beschützen.
Projekte
Stillstand ist für Sinja Dieks undenkbar. Bald probt sie am St. Pauli Theater Hamburg für das Stück “Der Sohn” von Florian Zeller. Und sie möchte ihr Schauspieltalent ergänzen im Bereich Drehbuch und Produktion. Vor einem Jahr erhielt sie das Stipendium der Drehbuchwerkstatt München, sowie das Nürnberger Autorenstipendium, vergeben vom Bayerischen Rundfunk und der Stadt Nürnberg. Der von ihr entwickelte 90-Minutenfilm “Ich sehe das, was Du nicht siehst” soll im Ruhrpott spielen. Dazu führt Sinja Dieks bald Gespräche mit Produzenten in Köln und Düsseldorf und Produktionsfirmen auch aus dem Umkreis. Den Aufenthalt verbindet sie mit einem Familienbesuch in Unna. Und vielleicht findet sie ja Zeit, ihren Lieblingsplatz hier aufzusuchen: Das Kino in Unna.
“Da hängen viele schöne Erinnerungen dran.” Sicher ist für Sinja Dieks auch: In der Weihnachtszeit besucht sie eine Vorstellung des “Circus Travados”.
Autor:Stefan Reimet aus Holzwickede |
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