Dr. Alfred Pobloth zeigt uns seine Lieblingsplätze in Westhemmerde
In Westhemmerde wird die Geschichte wieder lebendig

Foto: Jörg Prochnow
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Durch sein Studium hat Dr. Alfred Pobloth einige Städte in Nordrhein-Westfalen kennen gelernt. Doch immer wieder zog es ihn in seine Heimat zurück. Hier lebt er inmitten seiner Familie und fühlt sich wohl.

Obwohl Westhemmerde mit seinen 120 Einwohnern der zweitkleinste Ortsteil der Stadt Unna ist, gibt es hier gleich zwei bekannte Adelssitze, von einem dritten gibt es noch zahlreiche Geschichten. Seit Mitte der achtziger Jahre ist Dr. Alfred Pobloth Ortsheimatpfleger in Westhemmerde und hat in dieser Zeit akribisch die Geschichte seines Heimatdorfes aufgearbeitet und archiviert. Seit Jahren schon sammelt er Zeitungsausschnitte und führt Chroniken von Unna, in seinem Arbeitszimmer türmt sich zudem eine Vielzahl von Büchern und Schriftenreihen, die sich mit der Geschichte Westhemmerdes und seiner Umgebung befassen. Warum er das tut? „Ich bin neugierig und geschichtsinteressiert. Allerdings auf das, was ich sehen kann. Mir macht es Spaß, mich in die Vergangenheit einzuarbeiten“, erklärt er begeistert. Und davon gibt es in Westhemmerde noch einiges.

Dr. Alfred Pobloth:“ Von unseren Dörfern geht ein besonderer Reiz aus.“

Westhemmerde ist ein typisches Hellwegdorf. Liebevoll renovierte Fachwerkhäuser und Bauernhöfe prägen das Bild des kleinen Ortes, dessen Chronik im Jahr 872 beginnt. In den Jahren 1023 bis 1618 erleben die Bewohner eine bewegte Geschichte mit zahlreichen Fehden und dem 30-jährigen Krieg.
Im Zuge der kommunalen Gebietsreform ist Westhemmerde seit dem 1. Januar 1968 ein Stadtteil von Unna. Bei einem Spaziergang durch den kleinen Ortsmittelpunkt, wird sehr schnell klar, was Alfred Pobloth so sehr schätzt: Hier kennt wirklich jeder jeden. „Von den 120 Einwohnern sind zudem viele verwandt“, erzählt er. Neubaugebiete und Industrieansiedlungen sucht man vergebens.

Pobloth: “Westhemmerde ist landwirtschaftlich geprägt.“ Das wird sehr schnell klar, wenn man die Bahnlinie überquert, die von Unna nach Soest führt. Die Spargelfelder der Familie Schulte scheinen fast am Horizont zu enden. Im Osten grenzen die Felder an ein Naturschutzgebiet, auf dem gelegentlich sogar Kraniche rasten. Hier scheint die Welt wirklich noch in Ordnung zu sein. Es gab allerdings auch schon Zeiten, als diese Idylle in Gefahr war. „Vor Jahren plante die Landesregierung unter Klaus Matthiesen hier die Errichtung einer riesigen Sondermülldeponie“, erzählt Dr. Alfred Pobloth.“ Wir haben damals Bürgerinitiativen gegründet und sind geschlossen auf die Straße gegangen um dagegen zu protestieren.“ Zum Glück mit Erfolg, wie man heute sieht.

Manchmal soll es in Westhemmerde sogar spuken

Keine achthundert Meter nördlich der Bahnlinie, gut versteckt zwischen alten Bäumen, liegt der Broelteich. Hier stand ursprünglich das Schloss Broel, der dritte Adelssitz. Hier wohnten die Ritter „Von dem Broel“, auch „von Plater“ genannt. Überliefert ist, dass die Burg 1388 während der Dortmunder Fehde durch eine List eingenommen und zerstört wurde. Allerdings ranken sich vier Sagen um eine bestimmte Frau, der man die Schuld an der Zerstörung zuschreibt. Mal ist es die Schwester des Schlossbesitzers, mal ist es die ältere Tochter des Grafen. In allen Sagen geht es letztendlich um Liebe und Eifersucht. Auf jeden Fall soll die besagte Frau durch Verrat den Dortmunder Truppen ermöglicht haben, das Schloss Broel in einem günstigen Moment einzunehmen. Noch heute geistert sie als „Weiße Frau vom Broel“, als „Witte Mamsell“ oder als „Witte Juffer“ von Westhemmerde durch die Sagenwelt, weil sie keine Ruhe findet. Bei Ausschachtarbeiten zum Teich wurden Mauerreste des Fundamentes gefunden.

Seit 1955 im Besitz der Familie Schulte

Quasi als Ersatzdomizil für die zerstörte Burg wurde das heutige Haus Westhemmerde im 16. Jahrhundert erbaut. Im Laufe der Jahrhunderte lebten einige Adelsgeschlechter in dem Wasserschloss bis es schließlich im Jahr 1955 vom Großvater von Susanne Schulte erworben wurde. Heute betreiben Michael Schulte und seine Familie moderne Landwirtschaft in den alten Gemäuern. In dem Hofladen im Schlosshof kann man zahlreiche regionale Produkte aus eigenem Anbau erwerben. Dazu zählt nicht nur Obst und Gemüse sondern auch Fleisch und Wildbret aus dem eigenen Revier. Wie alle Landwirte, müssen auch die Schultes mit der Zeit gehen, um ihren Betrieb überlebensfähig zu machen.

Bei der Renovierung des Herrenhauses legte man aber trotzdem großen Wert auf seine Ursprünglichkeit. So gibt es im Inneren noch einen Rittersaal mit großem offenen Kamin und Ritterrüstungen. Im Rahmen einer Renovierung kamen die Eigentümer dem Kunstfehler eines Bildhauers des 18.Jahrhunderts auf die Spur. Über dem Portal des Haupthauses befindet sich ein so genanntes „Allianzwappen“ von 1595 anlässlich des Ehepaktes zwischen Hermann von dem Broel gen. Plater und Mechthilde von der Reck. Die Überlieferung sagt, dass der Steinmetz 1770 den Auftrag erhielt, für die Grabplatte in der evangelischen Kirche von Hemmerde auch das Wappen des Freiherrn von Elspe zu meißeln, muss dem Handwerksmeister damals eine Leiter gefehlt haben. Statt sich das bereits verwitterte Wappen über dem Portal aus der Nähe zu betrachten, nahm der Restaurator aus der Ferne Maß. Aus zwei Ritterhelmen wurden so irrtümlich zwei Kugeln. Ein Steinmetzmeister aus dem benachbarten Werl hat nach Vorlagen aus den Archiven das Wappen aus Anröchter Steinmehl gefertigt, sodass er erstmals zum Tag des Denkmals 1995 im Eingangsbereich von Haus Westhemmerde bewundert werden konnte.

In direkter Nachbarschaft zum Haus Westhemmerde liegt der zweite Adelssitz, das „Haus von der Reck“. Blickt man in die Historie der Besitzer, tauchen viele bekannte Namen auf wie „von Vaerst“ oder auch „Hugenpot“. Ende des 18.Jahrhunderts fiel das Gut an Clemens Carl v.d. Recke zu Oberfelde , dessen Mutter in erster Ehe mit Adolf Friedrich Wilhelm von Vaerst verheiratet gewesen war. Aus diesem Grund trägt das Haus noch heute den Namen von der Recke. In der jüngeren Vergangenheit tauchen dann auch Namen auf, die einigen von uns geläufig sein könnten. So befand sich unter den Besitzern auch der Landwirt von der Beck aus Kamen-Heeren oder auch ein gewisser Schulze-Beckinghausen. Heute würde man das Gut als Mehrgenerationenhaus bezeichnen, da die Familie Busch mit ihren Kindern und Enkelkindern darauf lebt.

Das Adelsgut soll die erste Wasserburg am Hellweg gewesen sein. Auf alten Katasterplänen von 1828 sieht man noch die ursprüngliche Form des Gebäudeensembles, von dem nur noch der Wehrturm übrig geblieben ist. Der Turm ist nicht nur der einzige seiner Art, sondern soll auch der älteste Profanbau im Kreis Unna sein, erklärt Dr. Alfred Pobloth. „Die Anordnung der Fenster ist übrigens bewusst so gewählt, dass sie nicht in einer Achse liegen. Bei einem Angriff konnten die Bogenschützen nicht durch das ganze Stockwerk schießen. Das macht den besonderen Wehrcharakter des Gebäudes aus“, erklärt der Ortsheimatpfleger hierzu. Von einer Gräfte ist heute leider nur noch ein schmaler Graben übrig. Trotzdem hat der Besucher an manchen Stellen hier das Gefühl, dass die „gute alte Zeit“ hier stehen geblieben ist.

Auch wenn Dr. Alfred Pobloth nicht vorhat, sein Ehrenamt in absehbarer Zeit zu beenden, ist für die Nachfolge schon gesorgt: Ein Schwiegersohn möchte diese Aufgabe irgendwann einmal übernehmen.

Autor:

Jörg Prochnow aus Kamen

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