Markus Lüpertz und Boris Becker stellten in der Alten Mühle aus
"Hinter die Dinge schauen" - Kunstverein Unna feiert 50 Jahre im "1968er"-Stil
(SR)Nichts ist so beständig wie der Wandel, die Lebensweisheit ist für den Kunstverein Unna von besonderer Bedeutung. Vom Wechsel des Domizils über neue Formate bis zum Wandel des Publikums. Geblieben ist das Leitbild "Raum für junge und experimentierfreudige Kunst". Jetzt blickt der Kunstverein auf ein halbes Jahrhundert seines Bestehens und über 300 Ausstellungen mit Schaffenden, die alles sind, nur nicht gewöhnlich.
Installationen und Präsentation von, meist ausgefallenen, Kunstobjekten stellt für den Verein heute kaum Probleme dar. Im historischen Ambiente der alten Kornmühle in der Mühlenstraße 4c finden Maler, Skulpturen- und Illustrationskünstler ein angemessenes und über die Grenzen Unna bekanntes und beliebtes Darstellungsfeld. Helle, großzügige und vor allem bezahlbare Räumlichkeiten zu haben war am Anfang nicht selbstverständlich für den Kunstverein. Von der Kleinen Burgstraße zog der Verein 1982 in die heutigen Räumlichkeiten, die zunächst umgebaut werden mussten. Der Geist des Kunstvereins ist bis heute mitgeprägt von Willi (verst. 2007) und Marijanne Fless, damals Eigentümer des Gebäudes. Der Jurist wollte stets hinter die Dinge schauen und hauchte dem Kunstverein einen philosphischen Odem ein. Künstler sollten sich in umfassenden Werkschauen vorstellen, die Sicht auf die Kunst sollten die Besucher entwickeln, die Richtung ist nicht vorbestimmt. Marijanne Fless (88) besuchte das Jubiläumsfest. "Ich bin beruhigt, dass es weitergeht und das die Linie fortgeführt wird." Sie übernahm die Leitung des Vereins 1976 in schwerem Fahrwasser. "Er sollte in Konkurs gehen."
Ambiente
Bis heute bereiten aktive Mitglieder des Vereins die Ausstellungsräume vor. Nahezu für jede Schau müssen Aufhängevorrichtungen angepasst, die Beleuchtung verändert werden. Dabei bietet die Zweiteilung in einen großflächigen, lichtdurchfluteten Raum und ein rundliches Turmzimmer mit Nischen eine reizvolle Möglichkeit der Darstellung.
Werkschauen
An mehr als 300 Ausstellungen hatte wohl kaum einer der Gründer gedacht, als im Herbst 1968 im Anschluss an die Ausstellung „ Zeitgenössische Grafik aus Unnaer Privatbesitz“ eine Gruppe von Kunstsammlern unter dem Vorsitz von Dieter Lohl den Verein ins Leben rief. Ziel war es von Beginn an, jungen und möglichst aus der Region stammenden Künstlern die Möglichkeit zur Präsentation ihrer Werke zu bieten. Auch ausgefallene Darstellungsformen und Interpretationen finden bis heute im Kunstverein eine Bühne. Ein vergleichbares Angebot gab es damals und bis heute in Unna nicht. Heute zählt der Verein 129 Mitglieder. Unterstützung erhält er durch die Sparkasse Unna/Kamen. Daher ist eine von jährlich vier Einzel- oder Gruppenausstellungen den ehemaligen Stipendiaten der Kulturstiftung vorbehalten. Die Bürgerstiftung Unna hat jetzt die Jubiläumsausstellung besonders gefördert. Den Abschluss bildet meist die „Jahresverkaufsausstellung“ , bei der mehrere Künstler bevorzugt kleinere und damit günstigere Formate präsentieren, die zum Verkauf angeboten werden. Sie steht diesmal unter dem Motto "1968". Der kritische Geist der 68er soll in verschiedenen Themenbereichen wieder erwachen. Ausgestellt sind Werke von 17 Künstlern, von denen der Kunstverein Arbeiten aus den Bereichen Malerei, Collage, Grafik und Skulpturen kuratiert hat. Und erstmalig nehmen auch acht Kunstschaffende aus Unna teil. In der Laudatio zur Eröffnung der Jubiläumsfeier lenkte DR. Martin Gesing, Kunsthistoriker im Stadtmuseum Beckum, den Blick auf die Geschichte der Kunstvereine. "Es waren die ersten Vereine überhaupt, ihr Beginn liegt in der Zeit um 1815." Ziel der ursprünglichen Gemeinschaften war die Erhaltung historischen Kulturgutes. "Mit dem Kunstverein befinden sie sich in einer langen Traditionsgeschichte."
Lesungen und Konzerte
Die Geschicke des Kunstvereins wurden 30 Jahre bis 2006 gelenkt durch Marijanne Fless, Dr. Karl-Heinz Biller und Dr. Dröge. In ihre Zeit fiel der Umzug des Kunstvereins. Agnes Bonmann-Sobbe, Anne Katrin Peck und Dr. Biller lösten die Riege 2006 ab. Seit vier Jahren übernehmen Friederike Mühlbauer und Martin Kesper Verantwortung in dem Verein, Agnes Pester (vormals Bonmann-Sobbe) zog sich in diesem Jahr aus der Leitung zurück. Vom Besucher zum Vorstand führte der Weg von Martin Kesper. Seine Begeisterung weckten Collagen und Malerein der Künstlerin Friederike Vahlbruch, die Land- und Stadtansichten in überrealistischer Art verbindet. Kesper erwarb direkt eines der Bild. "Seitdem bin ich dem Verein verbunden."
Zu den bekanntesten Ausstellern zählt sicherlich der Skulpturenkünstler Prof. Dr. Markus Lüpertz. Seine Holzschnitte begeisterten 1989 ein breites Publikum. Die Namensgleichheit mit dem einstigen Tennisstar kommt dem Kölner Fotografen Boris Becker entgegen, der 2005 eine Werkschau seiner Arbeiten präsentierte. Die Räumlichkeiten in der Alten Mühle werden auch genutzt für Lesungen und Performances, kleine Konzerte und ergänzende Musikdarbietungen zu den Ausstellungen. Mit Blick auf die Zukunft haben die Kunstförderer ein Ziel: Die Beleuchtung der Räume ist mittlerweile in die Jahre gekommen und soll erneuert werden. Leuchtmittel sind nur noch schwer erhältlich, daher soll ein neues Lichtkonzept erarbeitet werden, das vdurch Mitgliedsbeiträge und Sponsoren finanziert werden müsste.
Info
Die Jubiläumsausstellung des Kunstvereins, in „der Alten Mühle“, Mühlenstraße 4c, hat besondere Öffnungszeiten: Do 19 -21Uhr, Sa 15 – 17 Uhr und So 14 – 17 Uhr. Der Eintritt ist frei.
Autor:Stefan Reimet aus Holzwickede |
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