Improvisations-Konzert des Musikers Christian Rose
Den "persönlichen Mix" finden

Christian Rose wird beim Konzert in der Evangelischen Kirche Lünern am 20. März zeigen, was durch Improvisation alles entstehen kann. | Foto: Martin Steinhoff
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  • Christian Rose wird beim Konzert in der Evangelischen Kirche Lünern am 20. März zeigen, was durch Improvisation alles entstehen kann.
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Der Organist und Kirchenmusiker Christian Rose aus Menden gibt am Sonntag, 20. März, ab 17 Uhr ein Improvisations-Konzert in der Evangelischen Kirche in Lünern. Inspiriert durch die Bilder des flandrischen Schnitzaltars, wird er auf musikalische Weise durch Szenen der Passionsgeschichte führen.

Lisa Bednarz, die selbst Musik im 4. Semester studiert, hat mit ihm über die Kunst des Improvisierens und seine Quellen der Inspiration gesprochen.

Improvisation will gelernt sein

Lisa Bednarz: Wie kann man sich das vorstellen, über bestimmte Bilder zu improvisieren?
Christian Rose: Improvisation ist ein sehr weites Feld. Im Grunde heißt das: aus dem Stehgreif spielen. Es kann Vorgaben geben, zum Beispiel Themen oder Motive aus der Musik. Die Inspiration bei dem Konzert in Lünern werden allein die sehr ausdrucksstarken Bilder des Schnitzaltars sein. Ich weiß selbst noch nicht, wie das passiert.

Lisa Bednarz: Kann man das irgendwie vorbereiten oder planen? Wie zum Beispiel im Jazz, wo es ein verbindliches Schema gibt?
Christian Rose: So genau kann man das nicht planen. Im Jazz gibt es ein harmonisches Grundschema, an das sich alle halten, so dass man beim Improvisieren zusammen spielen kann. Das ist an der Orgel sicher etwas leichter, weil man allein ist und sich an keine Taktzahlen und kein Harmonieschema halten muss.
Die Herausforderung ist dabei, dass man im Konzert so etwa 50 Minuten am Stück spielen muss, das macht man im Gottesdienst ja nie.
Die Darstellungen des Altars sind die vier Hauptszenen des Kreuzweges. Ich werde jedem Bild ein Choralvorspiel von Bach voranstellen, den jeweiligen Choral praktisch wie einen Rahmen dem Bild zuordnen. Danach werde ich in meinem eigenen Stil improvisieren. Das werden nicht nur Harmonien sein, die man kennt und die vertraut sind, sondern auch mal moderne harmonische Wendungen, aber gerade bei einem so drastischen Thema wie Kreuzigung, verbunden mit Schmerz, bietet sich das ja auch an. Auch wenn es am Ende natürlich auf die Auferstehung hinausläuft.

Das große Ganze

Lisa Bednarz:Sind das also dann am Ende vier einzelne Stücke, oder ist es ein großes Ganzes?
Christian Rose: Ich glaube, dass es ein großes Ganzes bilden wird, etwa wie ein großes Gemälde.

Lisa Bednarz: Wie ein Altar?
Christian Rose: Wie ein Altar, mit verschiedenen Szenen, aber insgesamt schon eingerahmt, und mit einem einheitlichen Stil.
Bei der Orgel, insbesondere bei der in Lünern, ist das schön, weil man da sehr viele unterschiedliche Klangfarben hat. So kann man hoffen, dass man den Zuhörer die ganze Zeit fesseln kann, weil immer wieder neue Klänge kommen. Es gibt ja unzählige Kombinationen mit den Registern. Und vielleicht findet sich ein Motiv, das sich wie ein roter Faden da durchziehen wird. So wie bei einer Beethoven-Sinfonie, die etwa eine Dreiviertelstunde dauert, aber das Motiv ist immer greifbar.

Der rote Faden

Lisa Bednarz: Inwieweit ist dieser „Rote Faden“ dann planbar?
Christian Rose: Das macht jeder anders, aber ich würde das nicht planen, ich würde mich inspirieren lassen. Die Inspiration kommt zum einen vom Instrument, zum anderen vom Bildwerk, und dann eben auch durch die Atmosphäre. Das Besondere bei dem Konzert ist, dass es Bilder auf einer Leinwand geben wird. Die Zuhörer schauen nicht nur auf den Altar, sondern es werden auf der Leinwand einzelne Szenen noch einmal herausgestellt, und jedes Bild kann durch viele verschiedene Details greifbar werden.

Lisa Bednarz:Das ist das Spannende an diesem Altar, dass man so unglaublich viele Details entdecken kann!
Christian Rose: Ja, ich bin selbst gespannt, wie das werden wird. Das ist tatsächlich für mich auch neu, mir so eine Aufgabe zu stellen.

Lisa Bednarz: Neu im Sinne von „zu solchen Bildern“?
Christian Rose: Genau. Ich glaube, das wird spannend und sicher auch anders als das, was man gewohnt ist vom Gottesdienst.

Eine lange Tradition

Lisa Bednarz:Klar, es wird ein Improvisations-Konzert! Kann man das eigentlich lernen? Gab es im Studium ein Fach Improvisation?
Christian Rose:Ja, genau. Lange Zeit war das eine katholische Eigenart, inzwischen wird das aber auch in der evangelischen Kirchenmusik gelehrt. Für die katholischen Organisten war es aber die pure Notwendigkeit, zu improvisieren. Früher, vor 25, 30 Jahren, da gab es in den Kirchen täglich einen Gottesdienst, an meiner ersten Stelle teilweise täglich zwei, drei Gottesdienste.

Lisa Bednarz:Täglich?!
Christian Rose: Täglich. Es gab viele Priester, und jeden Morgen um 8 Uhr waren Gottesdienste, und um 9 Uhr und abends um 18 Uhr. Und dann ist es manchmal auch nicht möglich, dass man für jeden Gottesdienst Literatur vorbereitet und für jedes Lied ein Choralvorspiel eines Komponisten dazu übt. Da muss ich das ein bisschen aus dem Stehgreif machen… einfach damit ich es schaffe! Aber Komponisten haben immer auch improvisiert. Große Komponisten wie Langlais und Messiaen haben Improvisationen in Konzerten gespielt, die anschließend aufgeschrieben wurden. Oft heißt es immer noch „Improvisation“, aber es gibt sie trotzdem als gedruckte Werke. Das gab es also immer schon.

Lisa Bednarz:Also mindestens in der katholischen Kirche eine lange Tradition.
Christian Rose: Ja.

Königin der Instrumente

Lisa Bednarz: Ich finde es immer noch unbegreiflich, dass man über die gesamte Zeitdauer eines Konzertes immer wieder etwas Neues erfinden kann, ohne den Zuhörer zu langweilen.
Christian Rose:Ja, genau, es darf nicht ermüden, auf der anderen Seite darf es auch kein „Organistenzwirn“ sein, so dass man eine Harmonie nach der anderen spielt und irgendwelche Kadenzen immer wiederholt. So ein „Roter Faden“ kann da schon helfen. Wie zum Beispiel bei „Bilder einer Ausstellung“, wo man die Promenade als verbindendes Element hat, kann man da eben auch ein verbindendes Motiv einbauen, so dass das Ganze eine Art großer „Inszenierung“ wird. Ja, ich glaube, das ist die Kunst.
Man muss sich in Tonarten etwas auskennen. In der H-Moll-Messe von Bach, die sehr lang dauert, wird ja auch nicht nur die Kadenz H-Moll und Fis-Dur verwendet. Es gibt Parallel- und Nebentonarten, zwischen denen man wechseln muss, so dass der Zuhörer zwischendurch immer wieder mal ein „Aha-Erlebnis“ hat. Und schließlich können die Tonarten und ihr emotionaler Inhalt dann auch dem Bildwerk zugeordnet werden.
Die Orgel hat natürlich klanglich unendlich viele Möglichkeiten. Sie wird ja als „Königin der Instrumente“ bezeichnet. Warum eigentlich? Ich glaube, weil sie so eine riesige Bandbreite hat von Höhen und Tiefen und Klangfarben. Und das dann zu mischen, wie ein Maler, der in seiner Palette auch nicht nur Rot-Gelb-Grün-Blau hat, das ist die Kunst.
Ich war schon zweimal in Lünern und habe die Orgel ein bisschen angeguckt. Das Besondere dort ist, dass die Orgel „auf Wechselschleife steht“, das heißt, dass jedes Register wechselweise sowohl vom zweiten als auch vom ersten Manual her gespielt werden kann. Durch Tricks wie Koppeln kann man dann auch Klangfarben ins Pedal ziehen.

Alle Register ziehen

Lisa Bednarz:Das ist also nicht normal, dass man alle Register auf allen Manualen spielen kann?
Christian Rose: Das ist schon eine Besonderheit. Und das ist eine gute Hilfe, um klanglich noch breiter aufgestellt zu sein an einem so kleinen Instrument. Es ist ja eine kleine bäuerliche Kirche.
Der Altar zeigt die Passionsgeschichte, und das passt jetzt sehr gut in die Jahreszeit. Bei den Bildern auf der Leinwand wird es eine feste Abfolge geben, und zusammen mit Bildern wirkt Musik nochmal ganz anders. Das kennen wir von guter Filmmusik. Wenn man die im Konzert hört, ist sie manchmal vielleicht unverständlich, aber sobald man das Bild dabei hat als zweite Ebene, wird das viel einfacher. Wenn Bild und Musik zusammenwirken, dann ist man plötzlich in einer anderen Welt.
In dieser Kombination kann dann auch eine Pause unendlich viel Ausdruck haben, wenn man das Bild alleine wirken lässt. Das sind so Stilmittel, die ich mir manchmal so abgeguckt habe, auch bei anderen Musikern. Auch zum Teil vom Jazz, obwohl ich im Jazz nicht zu Hause bin. Ich glaube, man kann das auch nicht nur lernen. Die Voraussetzung ist, dass man Literatur kennt, verschiedene Stile, und dann versucht, in diesem Stil zu improvisieren. Die ganz Guten improvisieren in ihrem eigenen Stil. Da weiß ich nicht (lacht), ob ich das von mir sagen kann, oder ob alles nur beeinflusst ist von anderen Medien oder anderer Kunst.

Lisa Bednarz: Nur weil man sich Inspiration von woanders holt, heißt das ja nicht, dass man nicht etwas Eigenes daraus macht.
Christian Rose:Also Handwerkszeug muss schon da sein. Und ich befasse mich eingehend mit den Bildern.

Lisa Bednarz:Und das ist ja dann der „persönliche Mix“, wenn man das so sagen kann.
Christian Rose:Ja, ich bin selber gespannt, wie es werden wird. Ich freue mich schon darauf.

Christian Rose wird beim Konzert in der Evangelischen Kirche Lünern am 20. März zeigen, was durch Improvisation alles entstehen kann. | Foto: Martin Steinhoff
Kirchenmusiker und Organist Christian Rose. | Foto: Ronald Pfaff
Autor:

Lina Widad Chaker aus Dortmund

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