Seltener Beruf: Heinrich Dechering wird Archivar
"Bitte alles über meine Oma"

Historische Schriftarten sind das Hobby von Azubi Heinrich Dechering. Hier hält er das "Brautweinbuch der Stadt Unna" aus dem Jahre 1623 in Händen, das in der Schriftart Korrent geschrieben ist | Foto: alle Bilder: Stefan Reimet
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  • Historische Schriftarten sind das Hobby von Azubi Heinrich Dechering. Hier hält er das "Brautweinbuch der Stadt Unna" aus dem Jahre 1623 in Händen, das in der Schriftart Korrent geschrieben ist
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Unna`s Gedächtnis liegt wohl behütet im Stadtarchiv. Die Sammlung ist nie vollständig und abgeschlossen, laufend müssen Akten und Urkunden neu aufgenommen, erfasst und konserviert werden. Damit das auch in Zukunft klappt bildet die Stadt Nachwuchs aus. Heinrich Dechering (26) steckt seit Dezember 2020 in der Lehre zum Fachangestellten für Medien- und Informationsdienstleistungen. Für ihn ist das Archiv alles - nur nicht langweilig.

„Denn jeder Tag ist anders“, berichtet Heinrich Dechering. Er wird schon mal gefragt „Bitte einmal alles über meine Oma“. Anfragen zu Personenstandsurkunden sind üblich, aus der Archivbibliothek stellt er Material nach Themengruppen zusammen. Behörden fordern Unterlagen an, Ratsprotokolle müssen in den Bestand genommen werden. „Was eine Verwaltung produziert darf nicht weggeschmissen werden, es wird dem Archiv angeboten.“ Aber wie ist eine Akte aufgebaut, in jedem Fachbereich etwas anders und das lernt Heinrich Dechering in der Berufsschule. Wird die angenommen erfolgt die „Aufbereitung für die Ewigkeit“. Heft- und Büroklammern sowie Kunststoffteile müssen entfernt werden, die Schriftstücke werden entkernt und auf das Wesentliche reduzieren.
Familienbande
Digitalisierung ist dann ein Weg der Archivierung. „Urkunden zu Personen, rund 100 Tsd., werden digital erfasst, weil sie häufig benötigt werden“, hat er gelernt. Und sie bleiben auch in Originalform erhalten. „Denn Technik ist veränderlich.“ Interessante Anfragen bekommt er direkt von den Bürgern, etwa zu internationalen Familienverknüpfungen. „Das bereitet vielen Menschen eine Freude.“ Die Begeisterung für Archivarbeit ist in der Familie von Heinerich Dechering, aus Verden im Münsterland, tief verankert. Eigentlich wollte er in Richtung Lehramt Geschichte studieren, aber die Archivierung, insbesondere mit historischen Originalen macht ihm mehr Spaß. Der wurde richtig entfacht im Staatsarchiv Marburg, wo er seinen Bundesfreiwilligendienst leistete. Dort blieb er zunächst und war mit der Verzeichnung von Akten befasst. „Da stand mein Entschluss fest.“ Aktenerschließen, verfasssen, aufbereiten, hat viel Spaß gemacht. „Da bleibe ich bei.“
Ziel: Archivar
In Unna fand er seinen Ausbildungsplatz. Er schätzt die Übersichtlichkeit des Archivs wie auch der Stadt. „Hier fühle ich mich wohl.“ In der Berufsschule Dortmund lernt er alles über die Anlage von Dokumentationen, das Bibliothekenwesen und im Fach SBL (Spezielle Betriebslehre) die Besonderheiten in Archiven und Magazinen. Was bedeutet die Laufzeit, Sperrfristen, wie erschließt man eine Akte, welche Methoden es gibt ein Buch möglichst gut zu verzeichnen. Aber auch wie sieht eine Patientenakte aus.
Fan alter Schriften
Nicht selten hält Heinrich Dechering sehr alte Schriften in Händen. Das Entziffern der historischen Schrift bereitet ihm wenig Mühe. Sein Hobby ist die Paläographie, (Wissenschaft von den (…) im Altertum und Mittelalter gebräuchlichen Schriften). Das Stadtarchiv bietet ihm einen wahren Schatz. Eines der ältesten Bücher stammt aus dem Jahr 1623, das sog. „Brautweinbuch der Stadt Unna“. Tabellarisch sind Namen von Ehepaaren aufgeführt, die sich im Kalenderjahr zuvor das Eheversprechen gaben. Das Brautweinbuch wies nach, dass sie „den zeitlichen Herren Burgermeisteren, Camerarien und Secretario uff der Rahtcammer auff einem sicheren Tag in der Wochen vor Petri“ den sogenannten Brautwein eingezahlt hatten. Der „Brautwein“ sei dann wohl vom Rat gemeinsam verzehrt worden.“ So zitiert es Historiker Willy Timm in seiner Publikation Bürger- und Brautweinbuch der Stadt Unna 1623/68 – 1808.
Interessant ist für Heinrich Dechering die Schriftart „Kurrent“, die neben Kanzlei (für Urkunden) bis ins 19. Jahrhundert gängig war. Erst im 20. Jahrhundert kam die Sütterlinschrift auf. Sein Ausbilder im Stadtarchiv, Dr. Frank Ahland, kann also zu jeder Zeit sicher sein, das jedes historische Dokumente auch entziffert werden kann.

Autor:

Stefan Reimet aus Holzwickede

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