"Es geht auch um den Ruf unserer Stadt": Neue Erkenntnisse zu Nellius - Bürgermeister enttäuscht von Reaktion der BI
Jetzt liegen die neuesten Ergebnisse zur Rolle von Georg Nellius in der Weimarer Republik und zur Zeit des Nationalsozialismus vor. Die Autoren Peter Bürger und Werner Neuhaus kommen in Zusammenarbeit mit Stadtarchivar Michael Gosmann zu einem eindeutigen Ergebnis: „Nelliusstraße - das geht nicht mehr.“ Die Hachener Bürgerinitiative Nelliusstraße dagegen hält an ihrer Forderung, den Straßennamen beizubehalten, fest.
Am Mittwoch stellten Werner Neuhaus (Heimatbund Sundern) und Michael Gosmann (Stadtarchiv Arnsberg) die Forschungsarbeit im Rathaus Sundern vor. Das neue historische Gutachten enthält u.a. „Dokumente zur Judenfeindschaft des Musikfunktionärs Georg Nellius“, die bislang in der öffentlichen Diskussion größtenteils noch gar nicht berücksichtigt worden sind. Auf der erweiterten Quellengrundlage konnten nun nicht nur die bisherigen Forschungsergebnisse vollauf bestätigt werden - „vielmehr wurden die Dinge bei fortschreitender Quellenkenntnis immer schlimmer“, erklärte Neuhaus. „Es zeigte sich eine noch viel weitergehende „Verstrickung“ von Georg Nellius in Ideologie und Kulturapparat des Nationalsozialismus.“
Die Autoren kommen zu dem Fazit: „Georg Nellius hat als Komponist, Dirigent und Kulturfunktionär während der Weimarer Republik und in der NS-Zeit wesentliche Bestandteile der NS-Ideologie bejaht; er hat über Jahrzehnte den `Führer´ Adolf Hitler und dessen Politik durch seine Kompositionen und in Selbstzeugnissen verherrlicht; er hat, wie jetzt nachzuweisen ist, als Funktionsträger im Musikwesen der NS-Zeit eine rassistische Judenfeindschaft an den Tag gelegt und Chorleitern negative Konsequenzen angedroht, falls `jüdische Musik´ nicht aus dem Programm genommen würde. Georg Nellius gehört somit nicht zu den Persönlichkeiten, die durch einen Straßennamen öffentlich geehrt werden können.“
Stadtarchivar Michael Gosmann erklärte, Nellius sei häufig als „Vorzeigemusiker und -komponist“ bezeichnet worden. „Ich kann die Bürgerinitiative verstehen, dass die einen positiven Eindruck hatten - die konnten das nicht wissen.“ Die neuen Dokumente hätten ihn selbst tief betroffen gemacht. Anfang Januar hatte die Hachener Bürgerinitiative „Nelliusstraße bleibt Nelliusstraße“ knapp 2700 Unterschriften gegen eine Umbenennung der Straße an Bürgermeister Detlef Lins überreicht (der WA berichtete).
"Eine Nelliusstraße - das geht einfach nicht mehr!"
„Ich habe Fehler gemacht“, räumte Peter Bürger (Christine-Koch-Mundartarchiv Eslohe) ein, „die Kritik der Bürgerinitiative an meiner ersten Arbeit war berechtigt. Das war wirklich noch keine gute Expertise.“ Er habe auch zu sehr dem unstimmigen Bild einer Doktorarbeit von 1991 vertraut.
„Das Informationsbedürfnis der Straßenbewohner hat uns aufgerüttelt, noch einmal selbst gründlich nachzuforschen“, so Bürger. „Das Ergebnis ist so schlimm, dass wir mit Bestimmtheit sagen müssen: Eine Nellius-Straße - das geht einfach nicht mehr!“
Das Wichtigste sei es nun, Ruhe und Vernunft in die Diskussion zu bringen. „Die Bürgerinitiative hat geackert. Wir haben uns auch die Nächte um die Ohren geschlagen. Wir brauchen uns jetzt nicht wie Streithähne zu fetzen. Man kann über das traurige Ergebnis auch gemeinsam traurig sein.“
Sunderns Bürgermeister Detlef Lins bezeichnete die Arbeit der drei Autoren als wichtigen Beitrag für die aktuelle Diskussion. Jeder Demokrat, der nur einen Blick hineingeworfen habe, könne nur für eine Umbenennung sein. „Eine Kompromisslinie sehe ich hier nicht.“
BI will weitermachen
Die Hachener Bürgerinitiative ihrerseits will nicht einlenken. „Wir werden das durchziehen - auf jeden Fall!“, kündigte Ulrich Lübke an. Eine Gedenktafel wäre nach Meinung der BI eine Kompromisslösung, „dann wäre die Sache aus der Welt. Wir sind nicht rechts, davon distanzieren wir uns ausdrücklich. Aber wie mit uns umgegangen wird, das geht nicht!“
Sunderns Bürgermeister enttäuscht von Reaktion der BI
Bürgermeister Detlef Lins bezeichnete die Reaktion der Bürgerinitiative als „sehr enttäuschend“. Seiner Meinung nach ist es in erster Linie das Verfahren, dass die BI beklagt.
„Das kann man kritisieren“, erklärte Lins im Gespräch mit dem Wochen-Anzeiger, „das ist ein gutes Recht der Anlieger - aber das führt am eigentlichen Thema vorbei. Die vorliegende Arbeit über Nellius gerät völlig aus dem Blickfeld.“ Man müsse klar trennen zwischen dem Verfahren und den Inhalten. „Über Inhalte brauchen wir nicht zu diskutieren - die Fakten liegen auf dem Tisch“, so Lins. Er habe der BI erneut das Gespräch angeboten und hoffe auf ein Einlenken. Bürgerwille sei ein hohes Gut, aber die Politik habe auch andere Dinge mitzubewerten. „Es geht auch um den Ruf der Stadt“, gab Lins zu bedenken. „Wenn darauf bestanden wird, werden wir den Bürgerentscheid natürlich durchführen.“
Die Entscheidung wird in der nächsten Ratssitzung am 6. Februar fallen.
Autor:Diana Ranke aus Arnsberg-Neheim |
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