30 Jahre Ambulanter Hospizdienst
Bis zuletzt Hand in Hand
Viele Menschen möchten bis zum Schluss zuhause leben. Gerade bei schweren Erkrankungen ist das nicht einfach und pflegende Angehörige kommen hier schnell an ihre Grenzen. Vor dreißig Jahren, 1992, gründeten sieben Ehrenamtliche nach einem Vortrag über bürgerschaftliches Engagement in der Hospizarbeit einen Arbeitskreis mit dem Ziel, Sterbende an die Hand zu nehmen und Angehörige in ihrer Arbeit zu entlasten. Daraus entwickelte sich der Ambulante Hospizdienst Witten/Hattingen, der auch für Sprockhövel zuständig ist. In der inhaltlichen Arbeit der Ehrenamtlichen hat sich in dreißig Jahren viel verändert.
Seit der Gründung dabei sind Christel Kleinebrecht und Karin Klemt. Damals war es noch kein Verein, sondern „nur“ eine Initiative, die kurz nach seiner Gründung der bundesweiten Vereinigung „Omega – mit dem Sterben leben e.V.“ beitrat. Doch schnell wünschte man sich vor Ort eine engere, regionale Vernetzung mit anderen Hospizlern. Daraus entstand der „Ambulante Hospizdienst Witten/Hattingen.“ In dreißig Jahren entstand ein intensives Netzwerk, dass heute auch Kinder und Jugendliche in Kindergärten und Schulen mit dem Thema Sterben und Tod berührt.
Jeder Bürger und jede Bürgerin kann den Ambulanten Hospizdienst anrufen. „Unser Dienst ist kostenlos, wir unterliegen der Schweigepflicht und helfen unabhängig von der Religion“, erzählt Silvia Kaniut, Koordinatorin der Regionalgruppe Hattingen, die ihre Aufgabe von Beate Achtelik übernommen hat. Wichtig sei es für die Erkrankten und die Angehörigen, dass jemand zuhört und es jemand ist, der sich mit dem Prozess des Sterbens auskennt. Das Ziel sei es, Leben und Lebendigkeit in das Zuhause zu bringen. „Unsere älteste, aber nicht mehr aktiv arbeitende Hospizlerin ist Ella Spychalski. Die heute 94jährige war bis 2009 aktiv dabei. Lisel Schleimer, weit über 70 Jahre, arbeitet bis heute bei uns mit. Eine hospizliche Begleitung mit Hunden hat Barbara Blankenagel übernommen. Gerne hätten wir noch mehr Menschen, die sich eine solche Aufgabe vorstellen können“, sagt Silvia Kaniut. Gewünscht sind auch weitere Männer, die ehrenamtlich mitarbeiten. Mit Werner Lutzke, Bernd Lauenroth, Ludger Böhmer, Michael Radtke und Wieland Naß begleiten fünf Männer.
Hospiz macht Schule
Um das Thema Tod und Sterben nicht aus dem Leben zu nehmen, entwickelte sich das Projekt „Hospiz macht Schule“. Hier engagieren sich die Hospizler in der Grundschule mit einem mehrtägigen Schulprojekt, um bereits jungen Kindern Möglichkeiten der Trauerbewältigung und des Verstehens an die Hand zu geben. „Hospiz macht Schule“ wurde von der Hospizgruppe Düren entwickelt und von 2005 bis 2008 vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert. 2008 wurde das Modellprojekt mit dem Pulsus-Preis in der Kategorie „Kampagne des Jahres“ ausgezeichnet. „Das Projekt wird von uns für Grundschulen angeboten,“, erklärt Silvia Kaniut. „Fünf Tage gehen wir gemeinsam mit ehrenamtlichen Hospizlern in eine Klasse und führen die Schüler altersgerecht an das Thema heran. Am ersten Tag ging es um persönliche Wandlungserfahrungen, am zweiten Tag um Krankheit und Leid, am dritten Tag um Sterben und Tod, am vierten Tag um Traurig sein und am letzten Tag um Trost und Trösten. Wir glauben, dass es wichtig ist, mit Kindern altersgemäß und wahrheitsgetreu über Sterben und Tod zu sprechen. Erwachsene wollen Kinder oft beschützen und dazu gehört auch, mit ihnen nicht über traurige Themen sprechen zu wollen. Tritt der Tod in das Leben eines Kindes, beispielsweise durch den Tod der Großeltern, so wird den Kindern das Ereignis oft mit anderen Worten erklärt. Opa oder Oma sind verreist, sie schlafen im Grab, sie waren krank oder Gott hat sie zu sich geholt, weil er sie so liebte. Aber Kinder machen sich ihre eigenen Bilder zu diesen Worten: Wenn er verreist ist, warum hat er sich dann nicht von mir verabschiedet und wann kommt er wieder? Wenn er in seinem Grab schläft, wie bekommt er den schweren Deckel auf, wenn er wach wird? Wenn er starb, weil er krank war, können Mama und Papa dann auch sterben, wenn sie Schnupfen haben? Und wenn Gott ihn geholt hat, weil er so lieb war – holt mich Gott dann auch, wenn ich lieb bin? Solche Fragen stellen sich Kinder, wenn man mit ihnen nicht ehrlich spricht.“ Ehrlichkeit ist ein großer Schwerpunkt bei „Hospiz macht Schule“. Beim „Traurig sein“ hören die Kinder beispielsweise die Geschichte von Löwenzahn, der sein gelbes Blütenkleid verliert, ein weißes Tanzkleid bekommt, mit dem Wind spielt und ohne Wurzel vergehen muss, bevor neues Leben entstehen kann. Nach der Geschichte dürfen die Kinder selbst eine Pflanze eintopfen.
Aus all diesen Erfahrungen entstand die Idee, mit elf großen Tafeln eine Wanderausstellung zu konzipieren, die im November 2019 erstmalig in der St. Georgs-Kirche zu sehen war. Die Ausstellung wandert. Aktuell befindet sie sich bis auf weiteres in den ehemaligen Räumen vom Blumenhaus Teich in Niedersprockhövel an der Hauptstraße. Reinhard Teich stellt die Räume kostenlos zur Verfügung. „Ich finde die Idee gut und unterstütze den Ambulanten Hospizdienst gern“. Offiziell eröffnet wird die Ausstellung am Donnerstag, 19. Mai, ab 16 Uhr während der Sprockhöveler Extrazeit. Wer Interesse an der Ausstellung, einer Beratung oder Mitarbeit hat, kann sich beim Ambulanten Hospizdienst Witten-Hattingen melden unter 0174/9797029, Koordination Silvia Kaniut, Mail AHD-Hattingen@gmx.de
Autor:Dr. Anja Pielorz aus Hattingen |
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