Nachhaltig und gesund: Zu Fuß unterwegs sein
Check den Fußgänger
Das liebste Kind der Deutschen ist das Auto. Vielleicht gehört dieser Satz bald in die Mottenkiste, denn in Sachen Mobilität geht richtig etwas ab. An der Spitze der Neuerungen stehen nicht mehr Daniel Düsentrieb und PS-starke Motoren, sondern Fragen zur Nachhaltigkeit und die beste Ökobilanz. Die nachhaltigste Art der Fortbewegung ist der Fußverkehr und um den geht es beim „Fußverkehrs-Check“. Sprockhövel ist eine von zwölf Kommunen, die vom Landesverkehrsministerium NRW und dem Zukunftsnetz Mobilität NRW den Zuschlag zur Teilnahme 2022 erhalten haben. Beworben hatten sich 32 Kommunen. Im Mittelpunkt stehen die Belange der Fußgängerinnen und Fußgänger.
Der ein oder andere wird den Film mit Heinz Erhardt in der Titelrolle „Der letzte Fußgänger“ noch kennen. Als Rucksack-Wanderer durch den Schwarzwald war die Komödie ein Klassenschlager und präsentierte sich mit einem launigen Seitenhieb auf die Hektik des modernen Lebens. Vom Aussterben bedroht ist der Fußgänger heute nicht – im Gegenteil. Keine Art der Fortbewegung ist beliebter. Laut Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) gehen mehr als 80 Prozent der Deutschen gerne zu Fuß. Das gilt vor allem für Frauen, Kinder und ältere Menschen. Den höchsten Fußgängeranteil haben die über 80jährigen mit 34 Prozent. Die Erhebung „Mobilität in Deutschland“ des Verkehrsministeriums bestätigt außerdem, dass Gehen (im Alter) zur eigenen Mobilität beiträgt. Es ist gesund. FUSS e.V., der Fachverband Fußverkehr Deutschland, gegründet 1985, weiß: tägliches Gehen von 20 Minuten steigert die Lebenserwartung im Durchschnitt um rund acht Monate. Außerdem spart es Geld und schon die Umwelt. Der Verband lobt übrigens erstmalig in 2022 den Fußverkehrspreis aus. Er prämiert Städte und Gemeinden für gehfreundliches Bauen oder Erneuern. Das Bundesumweltministerium und das Umweltbundesamt unterstützen das Projekt.
Aber: der Fußverkehr lebt gefährlich. Noch immer ist er im Straßenverkehr die gefährdetste Gruppe. Außerdem sind fußgängerfreundliche Wege und Plätze häufig Mangelware. Hier setzen seit 2019 die Fußverkehrs-Checks NRW ein. Sie unterstützen die kommunale Fußverkehrsförderung mit mehreren Bausteinen. Die Begehungen auf zuvor abgestimmten Routen bilden das Kernstück. Hier werden auch in Sprockhövel Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus Politik, Verwaltung und Bürgerschaft erwartet. Sie geben allen Teilnehmenden vor Ort die Gelegenheit, Probleme und Sichtweisen zur aktuellen Fußverkehrs-Situation auszutauschen und neue Lösungsansätze und Ideen gemeinsam zu diskutieren. Durch den Dialog zwischen Verwaltung, Politik, Anwohnern und verschiedenen Zielgruppen stärkt die Verwaltung die Beteiligungskultur in der Kommune. So können Städte, Kreise und Gemeinden in NRW in die Fußverkehrsförderung einsteigen und gleichzeitig die Bürgerbeteiligung vorantreiben. Ein Fußverkehrs-Check inklusive Moderation und Auswertung erhält jedes Jahr eine ausgewählte Anzahl von Kommunen, die sich in einem landesweiten Wettbewerb dafür beworben haben. Sprockhövel erhielt jetzt den Zuschlag und Verkehrsministerin Ina Brandes persönlich brache Bürgermeisterin Sabine Noll die Teilnehmerurkunde.
Hier geht man gerne
Begleitet durch die Planungsbüros Via und Planersocietät geht’s jetzt ans Eingemachte. Veranstaltungen, gebündelte Themen und zusammengefasste Ergebnisse – alles mit Bürgerbeteiligung – und zum Schluss soll es eine Auswertung und Handlungsempfehlung geben. Auch die Generierung möglicher Fördermittel steht dann im Raum. Die Kosten für die Fußverkehrs-Checks werden vom Ministerium für Verkehr Nordrhein-Westfalen übernommen.
Beim Blick auf die Kommunen, in denen der Check bereits stattgefunden hat, zeigt sich die ganze Palette möglicher Inhalte. So kann es um den Konflikt zwischen Fußgängern und Radfahrern gehen, aber auch um bestimmte Strecken, wie man fußgängerfreundlich die Innenstadt oder andere Ziele erreichen kann. Querungshilfen sind ein mögliches Thema und natürlich auch die Aufenthaltsqualität. Auch mögliche Orte der Unfallhäufigkeit oder das Gehwegparken kommen zur Sprache. Die Corona-Pandemie hat die Durchführung der Checks erschwert und Präsenzveranstaltungen mussten abgesagt oder auf digitale Formen umgestellt werden. Jetzt hofft man aber auf möglichst viele persönliche Begegnungen mit Bürgerschaft und Interessenvertretern.
Autor:Dr. Anja Pielorz aus Hattingen |
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