Auf einmal ist man Kontaktperson der ersten Kategorie
Vorübergehend isoliert

Andrea Hügelmann. Noch bis mindestens Dienstag sitzt die Sprockhövelerin in Quarantäne. Foto: privat
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Andrea Hügelmann (48) hat gerade viel Zeit. Die Hasslinghausenerin sitzt in Corona-Quarantäne. Das liegt daran, dass sie Kontaktperson der 1. Kategorie ist – ihr Mann war im Skiurlaub in Ischgl und wurde positiv auf das Corona-Virus getestet. Er hatte etwas Halskratzen und leichtes Fieber. Andrea Hügelmann hat keine Symptome – ihr Sohn, der noch mit im Haushalt lebt, auch nicht. In Quarantäne sitzt auch er.

Die gelernte Kinderkrankenschwester macht zurzeit ein Bundesfreiwilligenjahr im Naturschutzhaus im Dortmunder Westfalenpark. Die AGARD, die Arbeitsgemeinschaft Amphibien- und Reptilienschutz in Dortmund e.V., ist Träger des Projektes. Also eigentlich wäre sie dort, denn sie sitzt ja in Quarantäne. „Am Freitag, den 13. März wurde mein Mann getestet. Das Ergebnis lag am Montag vor und es ist positiv. Also muss auch ich zuhause bleiben.“ Sie selbst wurde bisher nicht getestet – obwohl sie das durchaus befürwortet hätte. Soll aber nach offiziellen Angaben erst geschehen, wenn sie Symptome zeigt. Deshalb gibt es nur ein paar Anrufe von den zuständigen Behörden – und die auch nicht regelmäßig. „An einem Tag gab es vier Anrufe, die alle das gleiche gefragt haben. Dann gab es einen Tag überhaupt keine Anrufe und jetzt wurde ich das erste Mal überhaupt nach meiner Gesundheit gefragt. Aber eigentlich ist meine Quarantäne nächsten Dienstag schon wieder beendet – falls sich nicht doch noch Symptome zeigen.“ Ein Tagebuch muss sie auch führen, Fieber messen.
Auf die Frage, was sie denn im Moment überhaupt sonst so mache“, hat sie eine klare Antwort. „Putzen. Ist ja Frühjahr.“ Was ist mit einkaufen? „Das macht eine Nachbarin für mich. Ich darf ja die Wohnung nicht verlassen. Aber die Nachbarin wird jetzt selbst getestet und wenn sie in Quarantäne muss, dann wird das ab dem kommenden Mittwoch der Fall sein. Aber dann bin ich ja wieder draußen und könnte für die Nachbarin einkaufen.“ So gewinnt Andrea Hügelmann der Situation auch etwas Positives ab. „Na ja, jeder besinnt sich mal etwas und stellt sich vielleicht die Frage, ob diese ganzen Reisen und der Konsum wirklich sein müssen. Für den Klimaschutz ist das auf jeden Fall eine gute Sache. Und ohne diese Beschränkungen, die durch das Virus entstanden sind, hätte die Bevölkerung freiwillig niemals ihr Verhalten geändert. Man darf ja nicht vergessen, dass in über achtzig Prozent der Fälle die Erkrankung selbst harmlos oder milde verläuft. Es geht ja eher darum, dass das Gesundheitssystem nicht zusammenbricht.“ Die gelernte Kinderkrankenschwester weiß, dass über achtzig Prozent der Krankenhausbetten in der Regel mit Patienten anderer Krankheiten belegt sind. Einige von ihnen benötigen Intensivbetten mit oder ohne Beatmung. In Deutschland haben wir 28.000 Intensivbetten mit 25.000 Beatmungsgeräten. Italien hat mit rund 5100 Betten auf Intensivstationen eine weitaus geringere Kapazität zur Versorgung von Patienten in Lebensgefahr - fünfmal geringer als in Deutschland. Die kritische Situation in Italien mit einem Gesundheitssystem, welches zumindest im Norden vor dem Kollaps steht, ist bekannt.

Frühjahrsputz als Beschäftigung

Der zwangsverordnete wirtschaftliche Stillstand könnte allerdings massivere Auswirkungen haben als das Virus selbst. Das Institut für Weltwirtschaft in Kiel sagt eine Rezession für Deutschland voraus. Die EU-Kommission warnt, dass wegen der Coronavirus-Krise die Wirtschaft in Europa dieses Jahr schrumpfen könnte. Selbst von einer weltweiten Wirtschaftskrise ist die Rede. Davor hat Andrea Hügelmann Angst. „Vom Gesundheitsamt fühle ich mich gut beraten. Die persönlichen Dinge habe ich auch erstmal gut organisiert bekommen. Aber es stellen sich einfach sehr viele Fragen. Was ist zum Beispiel, wenn ich Quarantäne Zahnschmerzen bekomme oder aus anderen Gründen einen Arzt aufsuchen muss? Und wenn man die Wohnung nicht verlassen darf, aber in einem Mehrfamilienhaus wohne, dann darf ich noch nicht einmal den Müll runterbringen und brauche dafür Hilfe. Und wenn ich einen Hund habe? Es gibt auch Tiere, mit denen kann nicht so einfach jemand anders Gassi gehen. Das Sperren von Spielplätzen halte ich persönlich für übertrieben. Wer kleine Kinder hat, der muss doch mit denen mal an die frische Luft und es hat ja nicht jeder einen Garten.“
Zweifel hat sie an der ein oder anderen verordneten Maßnahme. Und vor allem ein mulmiges Gefühl im Hinblick auf die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung. Die könnte aus ihrer Sicht mehr Probleme machen als das Virus selbst.

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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