In Sprockhövel treffen sich tamilische Schüler
Dreißig Jahre tamilische Schule

Mahithini Saravanamuthu (stellv. Schulleiterin), Janardaan und Kandasamy Thileepan (Schulleiter) sowie Sarah Biet Sayah von der Stadt Sprockhövel, Flüchtlingsberatung. Foto: Pielorz
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  • Mahithini Saravanamuthu (stellv. Schulleiterin), Janardaan und Kandasamy Thileepan (Schulleiter) sowie Sarah Biet Sayah von der Stadt Sprockhövel, Flüchtlingsberatung. Foto: Pielorz
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Am 12. Februar 1992 war es soweit: an diesem Tag vor dreißig Jahren besuchten junge Tamilen fern der Heimat zum ersten Mal die tamilische Schule in Sprockhövel. Im ersten Jahr ihres Bestehens war die Schule noch in kirchlichen Räumen in der Kortenstraße untergebracht. Danach bot die Stadt Sprockhövel über die Räume in der Grundschule Hasslinghausen jungen Tamilen die Möglichkeit, jeden Samstag von 9 bis 13 Uhr in ihrer Herkunftssprache und ihrer Kultur unterrichtet zu werden. Der Unterricht wird von ehrenamtlichen Lehrern und Lehrerinnen durchgeführt. Von Vorschulunterricht bis zur 12. Klasse ist alles dabei – inklusive anerkannten Abschlussprüfungen.

Kandasamy Thileepan ist dort Schulleiter und sein Sohn Janardaan (18) ist mittlerweile nach dem Besuch der Schule auch in lehrende Fußstapfen getreten. Mahithini Saravanamuthu hat die Stellvertretung des Schulleiters übernommen. „Wir haben vor dreißig Jahren mit etwa vierzig Schülern begonnen und heute sind es 56 Schüler und Schülerinnen, die wir von der Vorschule an unterrichten. Jeden Samstag besuchen sie die Schule. Unterrichtssprache ist Tamil. Allein unsere Schriftsprache hat 250 Buchstaben“, erzählt der Schulleiter. Der Unterricht findet in zwei Blöcken statt – von 9 bis 11 Uhr und nach der Pause von 11.30 bis 13 Uhr. Die jüngeren Schüler werden im zweiten Block zunehmend mit Spielen oder Musik beschäftigt. Ziel ist es, den jungen Tamilen die Traditionen ihrer Herkunft bewusst zu machen und ihnen natürlich auch die Möglichkeit zu geben, in ihrer Landessprache mit der Familie daheim in Sri Lanka zu kommunizieren. „In Deutschland leben mehr als 65.000 Tamilen. Die meisten von ihnen sind aufgrund des Bürgerkrieges von 1983 bis 2009 in Sri Lanka hierher ausgewandert“, erzählt Janardaan. Sie haben hier ein neues Zuhause gefunden, wollen aber die Kultur ihrer Heimat nicht vergessen. Er selbst wurde hier geboren. „Tamilen leben über die ganze Welt verstreut. Es ist schön, an unserer Schule Tamil zu lernen und etwas über unsere Kultur zu erfahren. Die Schüler und Schülerinnen kommen aus Wuppertal und dem ganzen Ennepe-Ruhr-Kreis.“ Manche Schüler wachsen so völlig bilingual auf und sprechen auch mit ihren Eltern zuhause Tamil und Deutsch im bunten Wechsel.

Traditionen bewahren

Janardaan ist mittlerweile Student. Der 18jährige will Diplom-Finanzwirt werden und befindet sich derzeit im dualen Studium. In seiner Freizeit kommt er jetzt samstags als Lehrer in die tamilische Schule und gibt das weiter, was er hier selbst gelernt hat. Acht Lehrer und vier Aushilfslehrer unterrichten im Moment. Um der Schule und den kulturellen Bemühungen mehr Struktur zu geben, wurde 2021 der Verein „Tamilalayam Schule und Kultur Hasslinghausen e.V.“ gegründet.
Sozialarbeiterin Sarah Biet Sayah, bei der Stadt Sprockhövel zuständig für Flüchtlingsberatung Abteilung Soziales/Integration, hat selbst einen Migrationshintergrund. Sie kommt aus dem Iran und lebt seit 2006 in Deutschland. „Gemeinsam mit dem tamilischen Verein habe ich im November letzten Jahres einen Kulturabend organisiert. Neben der Begrüßungszeremonie konnten die Besucher unterschiedliche Gewürze, typische Gebrauchsgegenstände, aber auch Tänze und kulinarische Raffinessen kennenlernen. Dabei wurden bei den Tänzen Herkunft, kulturelle Bedeutung und Tradition erläutert.“ Der Pferdetanz beispielsweise wurde in bunten Kostümen durch Schüler und Lehrer der tamilischen Schule präsentiert. „Der Tanz hat in unserer Kultur eine lange Tradition. Er ist ein Ausgleich für die harte Arbeit, zeigt zugleich aber auch die Eleganz und die Wildheit der Pferde. Mit Tänzen feiern die Tamilen auch ihre Gottheiten. Viele unserer Tänze werden noch heute in Tempeln getanzt“, erklärt Janardaan. Neben speziellen Kostümen lernen die Tamilen in ihrer Schule auch die Alltagskleidung kennen und wie sie getragen wird. Regelmäßig kommt man zusammen, um sich auszutauschen und die eigene Kultur zu leben. Die Schüler und Schülerinnen messen sich sogar in Wettbewerben untereinander, aber auch mit anderen tamilischen Schulen in Deutschland.
Zu den Kulturfesten trifft man sich auch über den Ennepe-Ruhr-Kreis hinaus. Im September wird es wieder ein neuntägiges Fest geben zu Ehren dreier Götter. Gefeiert wird dann wieder in Sprockhövel, wahrscheinlich in der Sporthalle in Haßlinghausen.
„Unsere Stadt bietet viele multikulturelle Eindrücke. Das versuche ich auch durch Veranstaltungen wie ,Die Farben meiner Heimat‘ zu präsentieren. Hier werden wir im Oktober ein Land aus dem Balkan vorstellen“, verrät Sarah Biet Sayah. Gemeinsam mit der Stadtbücherei finden mehrsprachige Kinderlesungen statt. Auch hier hat es bereits Veranstaltungen mit dem tamilischen Verein gegeben. Das Aufwachsen mit zwei Kulturen und zwei Sprachen hat für Janardaan viele Vorteile. „Ich denke, man kann dann leichter Fremdsprachen lernen. Am wichtigsten ist aber, sich seiner Wurzeln und Traditionen zu erinnern und die Verbindung zu ihnen zu behalten.“

Autor:

Dr. Anja Pielorz aus Hattingen

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