Schülerhilfe wunderbar – Trennung um so schwerer

Sie blieb absichtlich zurück, ließ die anderen gehen, stand plötzlich vor mir, suchte nach Worten aber schaute mich nur einfach an mit Augen, in denen ich Dank sah und ihren Wunsch, mir das zu sagen.

Ja, gestern war das. Es war ihre letzte Mathe-Stunde in der Schülerhilfe. Sie hatte bis zur letzten Minute Abituraufgaben gelesen und zu lösen versucht. Zu zwei kleinen Fragen rief sie mich. Nun war alles Geschichte, würde sie die Schülerhilfe verlassen und mit dem Schließen der Tür einen Lebensabschnitt unwiderruflich hinter sich lassen. Das alles schien in ihren strahlenden Augen zu stehen.

Auch ich hatte mich schon eine Weile mit ihrer letzten Schülerhilfe-Stunde beschäftigt, denn sie ist eine engagierte immer eifrig gearbeitete und dabei ihr Wissen wesentlich vergrößert habende wahrlich beachtenswerte junge Frau, wie sie mir in meinen ganzen fünfeinhalb Jahren in der Schülerhilfe noch nicht begegnete.

Normalerweise kein Wunder, wenn ich meine Freude über ihre Entwickung ihr auch mitteilen wollte. Aber in der Schülerhilfe – sollte man nicht davon Abstand nehmen?
Es war das erste Mal, dass ich mit mehr als einem Dankeschön für das gemeinsame Ringen um Wissenserweiterung tschüss sagen wollte – und es nun auch tat.

So staden wir uns gegenüber und wussten beide, dass zahlreiche Stunden über viele Monate nun zu Ende gegangen waren. Ein Mädchen ist in dieser Zeit eine junge Frau wurde, die kommende Woche ihr Mathe-Abitur machen wird – und gar nicht aufgeregt sein muss, weil sie auf ein gutes Wissen zurückgreifen kann.

Es fiel uns beiden schwer, einfach zu gehen – sie in ihren neuen Lebensabschnitt und ich heim mit der Vorfreude auf die kommendn Stunden wieder in der Schülerhilfe.

Kurz vor dem Unterrichtsschluss hatte ich ihr ein kleines Couvert über den Tisch geschoben. Sie nahm es, schaute mich an mit fragendem Blick, ob sie es gleich öffnen solle?
Mein fast unmerkliches Kopfschütteln verstand sie sofort und legte es in ihre Unterlagen. Später wird sie es öffnen und meinen kleinen Dank und Wünsche für sie lesen.

Ja, ich habe zu danken, wenn Schüler auch durch mich erweitern konnten, bessere oder gute Noten dies beweisen und beiderseits die Arbeit damit erfolgreich resümiert werden kann.

Es gibt eine Reihe dieser Schüler, welche meine Schülerhilfetätigkeit in erfolgreichem Licht erscheinen lassen und die Freude daran immer wieder auffrischen.
Diesmal jedoch machte mich dieser Augenblick der Trennung sehr nachdenklich und auch ein wenig traurig.

Heute, gleich früh, ging mir das alles durch den Kopf und zeigte mir, wie sehr ich mich mit den Schülern verbunden fühle, die auf meine Hilfe hoffen und mir immer wieder neu ihr Vertrauen schenken.
Ist mein Denken und Fühlen gut, um weiter in der Schülerhilfe richtg zu sein, oder nehme ich mir das alles zu sehr zu Herzen?
Ich weiß es heute noch nicht.

Wenn ich diese junge Frau wieder treffen sollte, werde ich nicht mehr „Du“ sondern „Sie“ sagen dürfen und gerne wissen wollen, welchen Lebensweg sie beschritten hat und ob es ihr gut geht?
Ob Mathematik weiter eine Rolle spielt in ihrem Leben, werde ich nicht fragen – das ist für sie und mich seit dem gestrigen Verabschieden einfach nur noch Geschichte.

Autor:

Uwe Zerbst (Gotha/Thüringen) aus Bochum

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