Pflege und Beruf vereinbaren: Netzwerk hilft
„Ich pflege meine Mutter.“ Hinter diesen vier Worten verbirgt sich für Andrea Lensker und Frank Przybilla ein Alttag, der häufig bis auf die letzte Minute durchgeplant ist. Tag für Tag gilt es für die beiden Berufstätigen, den Spagat zwischen Pflegebett und Arbeitsplatz zu bewältigen. „Menschen, die Angehörige pflegen, reden selten mit Kollegen oder Vorgesetzten über ihre Doppelbelastung. Der Einsatz für Eltern oder andere Verwandte, die nicht mehr allein zurechtkommen, ist nach wie vor eine sehr private Angelegenheit, für viele gar ein Tabuthema. „Viel wäre gewonnen, wenn es uns gelingt, die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf mehr in den Blickpunkt zu rücken“, begrüßt Landrat Dr. Arnim Brux die Offenheit von Lensker und Przybilla.
Die Gevelsbergerin und der Hattinger sind zwei Köpfe einer Informationskampagne, die vom Netzwerk W(iedereinstieg) initiiert wurde. Mit Postkarten und Plakaten soll im gesamten Ennepe-Ruhr-Kreis auf die mit dem Thema verbundenen Herausforderungen, vorhandene Hilfsangebote für Betroffene sowie beispielhafte Unternehmen hingewiesen werden. „Bereits heute werden bei uns im Kreis mehr als 7.000 Menschen zuhause gepflegt. Jede zehnte Beschäftigte kümmert sich um Angehörige. Die mit dem demografischen Wandel verbundenen Faktoren werden diese Zahlen in den nächsten Jahren weiter steigen lassen“, macht Christa Beermann, Demografiebeauftragte des Ennepe-Ruhr-Kreises und Koordinatorin des Netzwerk W, deutlich.
Auch Unternehmen haben längst erkannt, wie wichtig es ist, Antworten auf Fragen rund um die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf zu liefern. So lautet die Kampagnenbotschaft der Gevelsberger AVU und der Hattinger hwg: „Sie pflegen? Wir unterstützen Sie.“ Frank Reiber, AVU Personalleiter, sieht dafür gute Gründe: „Wenn wir unsere erfahrenen und eingearbeiteten Beschäftigten halten wollen, müssen wir sie als pflegende Angehörige so gut es geht unterstützen.“
Dabei setzen die AVU und die hwg beispielsweise auf individuelle Arbeitszeitreduzierungen, Telearbeit und Gleitzeit. „Wir haben unser Gleitzeitmodell seit gut drei Monaten noch weiter liberalisiert und bieten den Mitarbeitern an, ihre Tätigkeit zwischen 6.30 und 11 Uhr zu beginnen und entsprechend früh oder spät Feierabend zu machen“, nennt Erika Müller Finkenstein, Vorstandvorsitzende der hwg, ein konkretes Beispiel.
Während die Kampagne den Betroffenen Mut machen soll, offen über ihren tagtäglichen Spagat zu reden und Hilfsangebote zu nutzen, möchten die Initiatoren bei den Unternehmen dafür werben, sich den Herausforderungen ideenreich zu stellen. „Wir müssen mit dem Vorurteil aufräumen, dass es grundsätzlich teuer und aufwändig ist, Lösungen zu finden und anzubieten“, formuliert Beermann. Unternehmen, die vor allem an Praxistipps und konkreten Hinweisen für Unterstützungsangebote interessiert sind, empfiehlt sie den „Leitfaden mit Instrumenten zur Vereinbarkeit von Beruf und Pflege“, den das Netzwerk W im letzten Jahr veröffentlicht hat.
Für die Initiatoren wäre es ein Erfolg, wenn sich neben der AVU und hwg im Laufe des nächsten Jahres mindestens 20 weitere Unternehmen an der Kampagne beteiligen und mit der Botschaft „Sie pflegen? Wir unterstützen Sie“ an die Öffentlichkeit gehen. „Unternehmen oder Organisationen, die sich beteiligen wollen, haben dabei keine hohen Hürden zu nehmen: Sie verpflichten sich, das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Pflege zu bewegen, offen damit umzugehen und gemeinsam mit den Beschäftigten nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen“, so Beermann.
Stichwort Netzwerk W(iedereinstieg) Ennepe-Ruhr
Das Netzwerk ist eine Initiative regionaler Akteure. Es engagiert sich für den Wiedereinstieg von Frauen ins Erwerbsleben und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, seit 2009 insbesondere auch um die Vereinbarkeit von Beruf und Angehörigenpflege. Es wird koordiniert von der Demografiebeauftragten des Ennepe-Ruhr-Kreis, Christa Beermann, Tel.: 02336/93 22 23, Email: C.Beermann@en-kreis.de.
Autor:Lokalkompass Schwelm aus Schwelm |
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