Ralf Schweinsberg, Beigeordneter der Stadt Schwelm, in der Corona-Krise:
"Jeder Einzelne ist die Lebensversicherung seines Nächsten"
Wie geht ein Stadtoberhaupt in der aktuellen Situation und vor dem Hintergrund der Kommunalwahl im September im Alltag mit den Herausforderungen um? Wir haben nachgefragt. Für Schwelm haben wir von dem Ersten Beigeordneten Ralf Schweinsberg in Vertretung von der erkrankten Bürgermeisterin Gabriele Grollmann-Mock Antworten bekommen.
Was sind/waren die wesentlichen Veränderungen im beruflichen Alltag des Beigeordneten in der Corona-Krise?
SCHWEINSBERG: Da war zunächst die Zugangsbeschränkung der Stadtverwaltung zu organisieren. Einerseits musste die Sicherheit der Mitarbeiter/innen und Bürger/innen mit Verwaltungsanliegen gewährleistet sein, andererseits wollten wir den Bürger/innen auch unter den neuen schwierigen Bedingungen so viel Dienstleistung wie möglich anbieten. Ein Teil der Mitarbeiter/innen nutzt(e) das Homeoffice (für das wir mitunter schnell technische Voraussetzungen schaffen mussten). Extrem wichtig war und bleibt die Beschaffung von Schutz- und Hygienematerial bis hin zum „Spuckschutz“ aus Plexiglas. Stark gefragt war die Bürgerhotline, die wir eigens verstärkt haben. Die sukzessive Öffnung der Schulen war auch für uns als Schulträger die nächste Herausforderung. Mit jeder weiteren Öffnung – Geschäfte, Spielplätze usw. - wuchs überdies der Kontrolldruck durch das Ordnungsamt. Der Stab außergewöhnliche Ereignisse (SAE) treibt die Befassung mit den wichtigsten Erfordernissen rund um Corona konsequent voran.
Mit der Politik wurde ein Weg gefunden, die Fachausschüsse übergangsweise ausfallen zu lassen. Der Stadtrat hat in dieser Zeit zweimal getagt, natürlich unter strengsten Auflagen. Bald werden die Fachausschüsse auch wieder im Rathaus tagen.
Insgesamt erfordert die Corona-Krise einen immens hohen Organisationsaufwand. Ich möchte mich hier bei all meinen Mitarbeiter/innen in der Stadtverwaltung herzlich bedanken, weil sie gemeinsam an einem Strang zogen und ziehen. So haben auch Kolleg/innen, die coronabedingt weniger Arbeit auf dem Tisch hatten, die Ärmel hochgekrempelt, um dort zu helfen, wo es nötig war.
Sorgen bereitet uns natürlich besonders der städtische Haushalt. Wir waren so stolz, als Stärkungspaktkommune mehrere Jahre hintereinander einen ausgeglichenen Etat vorgelegt zu haben. Nun sind uns mit der Corona-Krise elf Millionen Euro Gewerbesteuer weggebrochen; zahlreiche Firmen haben ihre Steuervorauszahlungen für dieses Jahr ausgesetzt.
Hier hoffen wir fest auf Programme von Land und Bund, um den Kommunen angemessen unter die Arme zu greifen. Ein Rettungsschirm wurde angekündigt, und speziell Stärkungspaktkommunen sollten nicht im Regen stehen bleiben.
Gleichzeitig haben wir in der Verwaltung alle wichtigen Aufgaben weiter vorangetrieben, seien es die Planung neuer Kitas, sei es die Zentralisierung der Verwaltung, wo wir gleich zwei sehr großzügige Förderbeiträge vom Land erhalten haben. Die Pandemie hat das „Wie“ der Arbeit erst einmal verändert, nicht aber die Arbeit selbst.
Glauben Sie an den Termin der Kommunalwahlen am 13. September 2020?
SCHWEINSBERG: Ja.
Ist überhaupt ein Wahlkampf möglich?
SCHWEINSBERG: Das ist eine Frage für die Schwelmer Ratsparteien bzw. die antretenden Bürgermeister-Kandidaten.
Was tun Sie als Beigeordneter konkret, um der Wirtschaft vor Ort Mut zu machen?
SCHWEINSBERG: Wir hatten schon vor Corona ein gutes Verhältnis zur Schwelmer Unternehmerschaft – das hat auch der Kommunikation in der Krise sehr geholfen. Der Wirtschaftsförderer, die Kämmerin und ich per sprechen per Telefon oder über Videokonferenz mit Unternehmer/innen, die uns aktuell über ihre Lage berichten und denen wir, wo dies möglich ist, Hilfestellung anbieten. Die Kämmerin bedient sich aller Instrumente aus ihrem finanztechnischen Werkzeugkasten, um Unterstützung zu leisten, z.B. zinslose Stundungen. Außerdem haben wir zunächst für drei Monate die Sondernutzungsgebühr für öffentliche Flächen ausgesetzt.
Damit die Schwelmerinnen und Schwelmer sowie die teilnehmenden Gastronomen trotz Corona nicht auf ihren Feierabendmarkt verzichten müssen, haben Bürgermeisterin Grollmann-Mock, die Werbegemeinschaft Schwelm, das Stadtmarketing Schwelm und die städtische Wirtschaftsförderung den Digitalen Feierabendmarkt erfunden. Wirtschaftsförderer, WGS und Stadtmarketing haben aktiv die Plattform „#schwelmliefert – Heimat shoppen in der Corona-Krise“ unterstützt. Außerdem berät unser Wirtschaftsförderer intensiv zu Fördermitteln und Liquiditätshilfen.
Halten Sie die bisherigen Maßnahmen, die von Land und Bund getroffen wurden, für ausreichend?
SCHWEINSBERG: Wenn Sie damit zunächst die Lockdown-Maßnahmen meinen, so denke ich, es war wichtig, alle zu Gebote stehenden Maßnahmen zu treffen, um die Ausbreitung des Virus zu minimieren und die bestehende Infrastruktur – auch des Gesundheitswesens – zu gewährleisten. Wir waren durch das Schicksal anderer Staaten vorgewarnt. Seien wir ehrlich: Die Bilder aus Bergamo haben uns gezeigt, was es mit allen Mitteln zu verhindern galt und gilt. Wenn Sie mit den bisherigen Maßnahmen die aktuellen Lockerungen meinen, so war manches davon sicher angezeigt.
Sofern Sie die bisherigen Maßnahmen zur Unterstützung der Wirtschaft meinen, so bin ich froh, dass Bund und Land schon sehr früh Programme aufgelegt haben, die vielen Unternehmen in unterschiedlichen Branchen das Durchhalten erleichtern dürften – wovon letztendlich wiederum die Städte profitieren würden, wenn wieder umfänglich produziert werden kann.
Wie nehmen Sie die Einhaltung der bisherigen Maßnahmen in der Corona-Krise wahr? Halten sich die Schwelmer überwiegend daran?
SCHWEINSBERG: Die Schwelmerinnen und Schwelmer halten sich in sehr an die Regeln, wie die intensive Kontrolle durch unser Ordnungsamt belegt. Aber natürlich gibt es auch unwillige Menschen, die sogar ausfallend werden, und wir mussten wegen gravierender Verstöße auch Bußgelder verhängen. Das Herunterfahren der sozialen Kontakte, die Verfolgung der Infektionsketten, die Fülle der Tests und die starke Disziplin der Schwelmer/innen, das alles hat erfolgreich zusammengewirkt und zu einem Zwischenergebnis geführt, das uns mit gewisser Hoffnung erfüllt.
Wie gehen Sie privat mit den Einschränkungen um und was fällt Ihnen besonders schwer?
SCHWEINSBERG: Klar geworden ist mir noch einmal in aller Deutlichkeit, wie sehr wir alle Gemeinschaftswesen sind und das soziale Miteinander auf eine ganz tiefsitzende Weise brauchen.
Als jemand, der gern von Mensch zu Mensch spricht, ist die Verlagerung des größten Teils der Kommunikation auf Telefonat und Mail unbefriedigend. Auch wenn ich privat gern mehr Sport getrieben hätte: Die verordneten Einschränkungen waren sinnvoll und haben mir meine Freiheit nicht genommen. Außerdem gibt es auch eine Freiheit zur Verantwortung. In einer Pandemie sitzen alle im selben Boot. Wer da versucht, auf Biegen und Brechen individuelle Wünsche durchzusetzen, bringt alle anderen akut in Gefahr und das Boot zum Kentern.
Zu guter Letzt: Ein paar aufmunternde Worte an die Schwelmer:
SCHWEINSBERG: Ich bedanke mich bei den Bürgerinnen und Bürgern für ihre Disziplin und bitte darum, sich auch weiterhin an alle Regeln zu halten. So, wie wir in der Stadtverwaltung vieles zunächst einmal umorganisieren mussten, so haben auch Schwelms Bürger/innen und deren Familien sowie Schulleitungen, Lehrer/innen, Ärzt/innen, Pflegefachkräfte, Händler/innen und Unternehmer/innen Wege gesucht, um in schwieriger Zeit zu bestehen. Das ist auch eine menschliche Stärke, die mich sehr berührt, dass uns in der Not etwas Konstruktives einfällt, damit das Rad sich weiterdreht. Unser Leben in Schwelm geht weiter, auch und gerade mit Abstandsgebot und Schutzmaske vor dem Gesicht. Sagen wir es klar: Jeder Einzelne ist die Lebensversicherung seines Nächsten – die Schwelmer wissen das! Wir sind noch nicht über den Berg, aber wir sollten zuversichtlich sein.
Autor:Dr. Anja Pielorz aus Hattingen |
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