Demonstration für die Demokratie
2.500 Schwelmer trotzen Regen und Intoleranz

Rund 2500 Menschen bewiesen am Samstag eindrucksvoll, was ihnen der Rechtsstaat, die Demokratie und alle damit verbundenen Werte für ihr Leben in Freiheit und Frieden bedeuten. Fotos: Stadtverwaltung Schwelm / Heike Rudolph
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  • Rund 2500 Menschen bewiesen am Samstag eindrucksvoll, was ihnen der Rechtsstaat, die Demokratie und alle damit verbundenen Werte für ihr Leben in Freiheit und Frieden bedeuten. Fotos: Stadtverwaltung Schwelm / Heike Rudolph
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Mit 500 Teilnehmern hatte man gerechnet, am Ende waren es 2500 Menschen aller Generationen, die am Samstag in Schwelm ein unmissverständliches Zeichen „Für Rechtsstaat und Demokratie“ setzten.

Mit diesem „überwältigenden Echo“, so Bürgermeister Stephan Langhard in seiner Ansprache, habe das innerhalb kurzer Zeit auf 42 Partner angewachsene Veranstalterbündnis aus Einrichtungen, Gruppen und Einzelpersonen nicht gerechnet.

Aus allen Richtungen strömten die Menschen allein, als Paare, Familien oder Gruppen herbei, um durch ihre Teilnahme unübersehbar zu zeigen, dass sie Rechtsstaatlichkeit, Toleranz und weitere wichtige Werte als Grundlage ihres Lebens ansehen.

Von der Polizei und Ordnern begleitet, setzte sich der Menschenzug vom Bahnhof aus über die Bahnhofstraße Richtung Innenstadt in Bewegung, während immer weitere Bürgerinnen und Bürger sich ihm aus Nebenstraßen anschlossen.

Ein "Ja" zur Demokratie

Hinter einem großen Banner, das den Aufdruck „Für Rechtsstaat und Demokratie“ trug und das die Logos des Veranstalterbündnisses abbildete, versammelten sich die Menschen, viele von ihnen mit Transparenten und Schildern, auf denen sie ihr „Ja“ zur Demokratie bekräftigten und „Hass und Hetze“ eine Absage erteilten.

Auf dem Märkischen Platz dankte Bürgermeister Stephan Langhard im Namen des Veranstalterbündnisses allen Demonstrierenden „von ganzem Herzen für Ihre Teilnahme, mit der Sie unserer Demokratie und unserem Rechtsstaat den Rücken stärken“.

Seit die freie Presse ein Treffen von Mitgliedern rechtsextremer Kreise aufgedeckt habe, auf dem man Pläne zur Vertreibung von Millionen Menschen aus unserem Land besprochen habe, habe sich etwas verändert. „Ich glaube, wir alle haben sofort begriffen, was das bedeutet und woran es uns erinnert“, führte das Stadtoberhaupt aus. „Ich glaube, wir haben alle einen ganz tiefen Stich in uns gespürt, weil uns sofort klar war, wie weit entwickelt Absichten von Gegnern unserer Demokratie sind, die unsere freiheitliche Gesellschaft zu spalten versuchen und sie damit zerstören würden. Auch die geradezu selbstverständliche Schamlosigkeit, mit der über die ersten Zielgruppen, die man angehen will, gesprochen wird, hat uns schockiert und noch klarer: Sie hat uns aufgerüttelt“.
Wohl niemand unter uns habe bei dem Wort „Remigration“ nicht sofort an die Deportation von Millionen Juden, Sinti, Roma, queeren Menschen und anderen gedacht, die dem nationalsozialistischen Regime zum Opfer fielen.

Baukasten rechtsextremer Stimmungsmache

Und Stephan Langhard weiter: ,Wir gegen die‘ – dieses von Populisten überall auf der Welt genutzte Schema gehört nach wie vor zum Baukasten rechtsextremer Stimmungsmache; die Unterscheidung zwischen uns hier und denen dort. Die anderen sind grundsätzlich die Bedrohung. Mal sind es Menschen mit Migrationshintergrund, jüdischen Glaubens oder muslimischen Glaubens, gerne auch
zivilgesellschaftliche Gruppen, demokratische Parteien, Klimaaktivisten oder gerne am Anfang auch die Medien oder die unabhängige Justiz, usw. Fällt Ihnen was auf? Das sind wir, wir alle!“

Deswegen laute die Botschaft an die Protestwähler, die es „denen da oben mal zeigen wollen“: „Die, die ihr trefft, sind wir alle und damit trefft ihr euch selbst! Macht euch nicht zum Werkzeug der Spaltung unserer Gesellschaft“.

Er verstehe Sorgen, Verzweiflung und Verärgerung, die viele Menschen in Deutschland verspüren würden, und auch er sei als Bürger wie als Bürgermeister unzufrieden mit manchen Umständen und Entwicklungen und wünsche sich daher auf manchen Gebieten Reformen, Entwicklungen und Perspektiven. Doch die zu lösenden Probleme der Multikrisen dürften nicht Demokratie und Rechtsstaat infrage stellen. „Auf der Basis der Erfahrungen des Dritten Reiches“, so Stephan Langhard, „haben die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes eine Verfassung geschaffen, die stabile Verhältnisse als Grundlage für eine Erfolgsgeschichte unserer Nation in Einigkeit und Recht und Freiheit garantiert“.

Die Demokratie habe sich als wehrhaft erwiesen und sei immer auch Teil der Lösung der Probleme. Aber Demokratie lebe aus jedem einzelnen von uns heraus und erfordert Engagement, Dialog und Respekt. Jede und jeder einzelne verkörpere die Demokratie, die nur so stark sei, wie unsere Bereitschaft, uns für sie einzusetzen.

Der Bürgermeister: „Selbsternannte Heilskünder wollen, wie in jeder Diktatur, bestimmen, wen sie aus dem Land jagen wollen. Und das in deutschem Namen! Millionen Menschen sollen aus Deutschland vertrieben werden. Ich sage: Diese Millionen Menschen - ob mit oder ohne Migrationshintergrund - sind wir alle. Wir alle sind Deutschland, wir lassen uns nicht auseinanderdividieren und wir verteidigen unsere Werte und die Art, wie wir zusammenleben wollen. Das machen wir heute und wann immer wir gebraucht werden!“

Für die dem Bündnis angeschlossenen zahlreichen Schwelmer Kirchengemeinden unterstrich Propst Norbert Dudek von der Katholischen Kirchengemeinde St. Marien Schwelm, dass „Hass keine Meinung“ sein könne und daher kein Mittel der Auseinandersetzung: „Lasst uns versuchen, jene mit Antworten, mit guter Politik und mit guten Argumenten von der Demokratie zu überzeugen“. Radikaler Protest sei kein probates Mittel.

Lebenswirklichkeit ist bunt

Die Lebenswirklichkeit in den Betrieben sei eine bunte, unterstrich Ralf Stoffels als Schwelmer Bürger und Unternehmer, der für die Arbeitgeberseite im Bündnis sprach. „Demokratie sichert Vielfalt, Meinungsfreiheit, Toleranz und Frieden!“ Es sei unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass dies auch so bleiben würde, nicht zuletzt durch Teilnahme an der Europawahl.

„Die Chance und die Dynamik dieser Demonstration müsse jetzt genutzt werden“, appellierte Mathias Hillbrandt, Vorsitzender des DGB Kreisverbandes Ennepe-Ruhr, an die Teilnehmer der Veranstaltung, über den Tag hinaus aktiv zu bleiben. Auch er unterstrich, wie wichtig die Teilnahme an Wahlen sein. Die Politik müsse die Vorlage nutzen, die die Bürger ihr durch ihren Einsatz für Demokratie auf die Fußspitze legen worden.

Katharina Vogt, Leiterin des Märkischen Gymnasiums, zitierte aus dem Schulgesetz NRW, in dem es heißt, dass die Schulen junge Menschen auf der Grundlage des Grundgesetzes und der Landesverfassung unterrichten und erziehen. Doch was vermittelt werde, müsse auch außerhalb der Schule gelebt werden und zur Wirklichkeit kommen. „Je länger wir zu den Angriffen auf die Demokratie schweigen, desto mehr Mut wird es brauchen, dagegen anzugehen“.

Für unsere Zukunft zusammenhalten

An ihrer Seite sprach die amtierende Schülersprecherin Samantha Schoppet, die im Namen der Schülerinnen und Schüler die Teilnehmer der Demonstration wie überhaupt die Öffentlichkeit darum bat, das Wirken rechtsextremer Kräfte nicht zuzulassen oder wegzuschieben, „sondern vielmehr zu handeln und für unsere Zukunft zusammenzuhalten“.

Zum Abschluss verlas Stephan Langhard ein Grußwort von Schwelms Ehrenbürger Wilhelm Erfurt, der sich mit seinen 93 Lebensjahren den Schwelmern auf besondere Weise verbunden fühlt, „denn wir tragen alle große Verantwortung für unser Land. Unsere Bundesrepublik, die uns Freiheit, Frieden und in hohem Maße persönliche Entwicklung ermöglicht, braucht uns“.

Er sei in die Weimarer Republik hineingeboren worden, 14 Jahre alt gewesen, als die Nazizeit endete und habe zunächst das lange bleierne Schweigen über den zurückliegenden Weltkrieg und den Massenmord an Juden und anderen Menschen erlebt, das die Täter noch lange gedeckt und die Opfer noch einmal zu Opfern gemacht habe.

Auf moralischem Abgrund aufgebaut

Schwelms Ehrenbürger: „Über dem moralischen Abgrund der Nazizeit wurde unser Rechtsstaat aufgebaut und mit echtem, wahrem Leben erfüllt. In diesem Land lässt sich niemand manipulieren, um zum Verräter an seinen Mitmenschen zu werden. Das sollte uns mit Stolz erfüllen. Die Sicherheit, die uns die Demokratie gibt, haben wir genutzt zur Aufarbeitung und um Freiheit und Frieden für alle Menschen zu garantieren“.

Er habe viele Krisen in Deutschland erlebt, aber auch große Hoffnung und Entschlossenheit, um Nöte zu bewältigen. Gelungen sei dies auf dem Boden unserer besonderen Gesellschaftsform, die den einzelnen achte und schütze und uns immer zum Miteinander anhalte.

„Wir müssen uns unserer Demokratie als würdig erweisen und sie schützen, damit sie uns beschützt“, steht für Wilhelm Erfurt fest: „Es ist ganz und gar nicht lächerlich, sich für Werte einzusetzen. Denn aus deutscher Geschichte wissen wir, was geschieht, wenn Werte wie Freundschaft, Anstand und Menschlichkeit zerstört werden“. Es mache ihn daher glücklich, dass auch „wir als Schwelmerinnen und Schwelmer ein Bild der Geschlossenheit abgeben, unabhängig von Herkunft und Lebensgeschichte“.

Autor:

Lokalkompass Schwelm aus Schwelm

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