Zur Zukunft des Kesselhauses
Intensiver „Digitaler Bürgerdialog“ zwischen Stadtverwaltung und Schwelmern
Über zwei Stunden dauerte der „Digitale Bürgerdialog“ zum Thema „Zukunft des Kesselhauses“, und es war in der Tat ein intensiver Austausch, der sich zwischen Stadtverwaltung und interessierten Bürgern entwickelte. Im Vorfeld hatte sich Bürgermeister Stephan Langhard ein ausgeprägtes Bürgerinteresse gewünscht, und in der Tat hatten sich mit knapp 100 Personen mehr Bürger gemeldet, als aus Kapazitätsgründen teilnehmen konnten. Elektronisch zugeschaltet hatten sich schließlich 72 Frauen und Männer, von denen 69 bis zum Ende teilnahmen.
Schwelm. Die Stadt nutzte dazu das Format des von der Bertelsmann-Stiftung entwickelten „Digitalen Bürgerdialogs“, um trotz der Corona-Pandemie die 2019 beschlossene Bürgerbeteiligung einzuleiten. Schwelm ist eine von zehn Pilotkommunen, die dieses Online-Verfahren nutzen kann, um kreative Teilhabe der Bürgerschaft zu gewährleisten. Den Kontakt zur Bertelsmann-Stiftung hatte das Schwelmer CDU-Ratsmitglied Jürgen Lenz hergestellt. In seinem vorab versandten Grußwort an die Teilnehmer hatte Bürgermeister Stephan Langhard den Sachstand zum Kesselhaus mitgeteilt. Auch waren die Teilnehmer technisch eingewiesen worden. Moderiert wurden die sechs Kleingruppen von Wilfried Guthier/Thomas Michalski, Ralf Schweinsberg/Niklas Lippki, Andreas Tolksdorf/Nicole van Velzen, Simon Nowack/Marion Mollenkott, Evalena Greif/Claudia Lipka und Thomas Striebeck/Heike Rudolph. Die Gruppen waren sehr heterogen besetzt mit gebürtigen Schwelmern und Neu-Schwelmern im Alter von 18 bis 78 Jahren. In einer Gruppe war neben einem Vertreter einer ehrenamtlich organisierten Vereinigung auch ein Mitglied des Beirates für Menschen mit Behinderung vertreten.
Thematisch wurden zwei Themen vorgegeben. In Runde eins wurden die Teilnehmer aufgefordert, ihren persönlichen Bezug zum ehemaligen Kesselhaus darzustellen, in Runde zwei wurden sie um Nutzungsvorschläge für das Gebäude gebeten.
Eindeutiges Stimmungsbild
Ein Ergebnis kann an dieser Stelle vorweggenommen werden: In allen sechs Kleingruppen unterbreiteten die Bürger ähnliche Vorschläge, so dass sich ein recht einheitliches Stimmungsbild der Öffentlichkeit zum Kesselhaus ergab. Es gab nicht nur ein eindeutiges Bekenntnis der Teilnehmern zum Erhalt des historischen Schwelmer Gebäudes, es wurden auch vielfältige Möglichkeiten der Nutzung für das Kesselhaus vorgeschlagen. Für die Teilnehmer des „Digitalen Bürgerdialogs“ ist das Kesselhaus ein prägendes Gebäude der Innenstadt, eine Art „Trutzburg“, die noch die Atmosphäre der früheren Brauerei als einer besonderen Schwelmer Einrichtung ausstrahlt. Viele erinnern sich aus Kindheit und Jugend an den spezifischen „Duft“ in der Brauereigasse, schätzen die glänzenden Braukessel und loben die Brauerei und den Innenhof als Ort der Begegnung, der Geschäftigkeit und der urbanen Intensität.
Mit großer Mehrheit sprachen sich die Teilnehmer für den Erhalt des „charaktervollen“ Gebäudes auch in seiner bauhistorischen Substanz aus. Der Komplex soll wieder anschaulich hergerichtet und sinnvoll und behindertengerecht genutzt werden, weil er zu einer spürbaren Identifikation der Bürger mit Schwelm beiträgt und die Heimatbindung befördert („Das Brauereigebäude ist ein Stück Heimat wie Haus Martfeld“). Dem Gebäude, das Teil der Stadtgeschichte ist, wird mit einer elementaren Tradition die Kraft zugesprochen, Menschen zusammenbringen.
Vorschläge zur Nutzung
Ein Teil der Bürger könnte sich einen Marktplatz unter Einbeziehung der Außenfläche sowie die Unterbringung einer Markthalle und des Feierabendmarktes im Kesselhaus vorstellen; andere verwarfen diesen Vorschlag, weil man unter anderem keine Konkurrenz zum Wochenmarkt und Feierabendmarkt unter freiem Himmel erzeugen will. Außerdem wird die Sinnhaftigkeit eines Marktes hinterfragt, der durchgehend von montags bis freitags geöffnet hat. Immer wieder wurde als Nutzungswunsch eine Innen-/Außen-Gastronomie angeregt, gegebenenfalls auch mit kleineren, vielfältigen Angeboten. Während die einen eine Gastronomie mit familienfreundlicher Atmosphäre wünschen, wäre für andere eine Eventgastronomie erstrebenswert oder aber ein Format „oberhalb der Kneipe und unterhalb der Erlebnisgastronomie“. Auch ein Brauereimuseum mit Schaubrauen und Verköstigung wurde vorgeschlagen. Vorstellbar ist für einige Bürger auch ein kleines Brauhaus bzw. eine Kombination von Museumsbrauerei und zünftiger Gastronomie. Neue Gastronomie wird überwiegend positiv gesehen als Ergänzung zur bestehenden Gastronomie und Frequenzbringer für den Einzelhandel. Es gibt aber auch die Befürchtung, ein Verdrängungsprozess könnte in Gang gesetzt werden. Weniger gewünscht wird konfektionierte Brauhausgastronomie.
Zu den weiteren Vorschlägen für eine künftige Nutzung zählt zum Beispiel das Schaffen eines Kulturraumes für Kleinkunst und Ausstellungen oder Schwelms Industriekultur an diesem Ort in die Zukunft zu überführen.
Quer durch alle Kleingruppen hindurch wird ein Angebot für Ältere, Kinder und Jugendliche gewünscht (ein Haus für „Jung und Alt“), ein Treffpunkt für Bürger. Die Räumlichkeiten im Kesselhaus sollen multifunktional genutzt werden. Auch von einem Mehrgenerationenhaus ist die Rede.
Häufig angeregt wurde die Schaffung von Räumen zum Anmieten für Meetings oder Ideenentwicklungen, allgemeine Vereinstreffen und generell für kleinere Veranstaltungen sowie z.B. auch für Musiker.
Denkbar scheint nicht wenigen Bürgern eine Nutzung von Räumen für Co-Working, Startups und Unternehmensgründer. Kritisch bis ablehnend wird das Wohnen im Kesselhaus gesehen, auch wegen des Zielkonfliktes mit anderen Nutzungen wie Gastronomie. Einzelhandel möchte man dort mehrheitlich nicht untergebracht sehen, um keine Kaufkraft aus der Fußgängerzone abzuziehen. An der Unterbringung einer Großtagespflege im Kesselhaus besteht kein Interesse.
Nicht zum Nulltarif
Die Zukunft des Kesselhauses gibt es nicht zum Nulltarif. Wer soll aktiv werden, die Stadt oder ein Investor? Bürger äußerten die Überzeugung, dass Kultur und Geselligkeit für Attraktivität sorgen, aber wenig Gewinn erwirtschaften. So möge die Stadt Schwelm das Gebäude entwickeln, aber mit einem Konzept, das Prioritäten setze, zumal auch viele andere Projekte in Schwelm verwirklicht werden müssten. Die Wirtschaftlichkeit dürfe nicht aus dem Auge verloren werden, die Umsetzbarkeit von Vorschlägen müsse sorgfältig geprüft werden.
Als Stephan Langhard die Teilnehmer gegen 20.15 Uhr aus dem „Digitalen Bürgerdialog“ verabschiedete, war ihm die Freude über einen ergebnisreichen Abend anzumerken. „Die Zukunft des Kesselhauses ist ein Bestandteil des gesamten Innenstadtpaketes. Wir sind nun nach intensiver Diskussion ein Stück weiter in der Meinungsbildung. Alles wird aufgenommen, strukturiert und der Lokalpolitik zur Kenntnis gegeben. Danke, dass Sie bis zum Schluss mitgewirkt haben! Danke für Ihre Impulse, dieser Abend macht Lust auf mehr!“
Autor:Lokalkompass Schwelm aus Schwelm |
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