7.000 Kilo Zeitung
Ehrenamtliche Archivare bewahren historische Ausgaben der Schwelmer Presse auf

Die "Kellerkinder" Jochen Tewes, Rolf Hartmann und Heino Schulte (v.l.) stemmten schon mehr als 10 Tonnen Zeitungspapier. Ehrenamtlich sichten, ordnen und archivieren sie historische Ausgaben der Schwelmer Presse, auch der wap. | Foto: Ingenlath-Gegic
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  • Die "Kellerkinder" Jochen Tewes, Rolf Hartmann und Heino Schulte (v.l.) stemmten schon mehr als 10 Tonnen Zeitungspapier. Ehrenamtlich sichten, ordnen und archivieren sie historische Ausgaben der Schwelmer Presse, auch der wap.
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Tief im Keller einer Schule lagert die Pressegeschichte der Stadt Schwelm von 1823 bis heute. Hier findet man tausende von Zeitungen. Hier liegt ein echter Schatz und eine Fundgrube für Geschichts- und Heimatforscher. Es ist spannend zu erfahren, wie über die Jahrzehnte Lokalpolitik und Weltpolitik beschrieben wurden, welche Stellenanzeigen 1870 in der Zeitung standen oder welchen Freizeitaktivitäten die Menschen vor 100 Jahren gerne nachgingen.

Von Lilo Ingenlath-Gegic

Dass es dieses große Zeitungsarchiv gibt, ist ehrenamtlichen Helfern zu verdanken, die bis heute mehr als 7000 kg Zeitungen gesichtet, sortiert, in stabile Kartons verpackt und archiviert haben. Geht man an den Regalen entlang, kann man ahnen, wie viel Arbeit hier drin steckt: Da stehen auf einer Regalseite fast 400 große Kartons, dazu kommen 180 kleinere. Wer den aufgeräumten und hervorragend geordneten Zustand dieses Archivraumes sieht, kann die beinahe unendliche Geschichte, die dem vorausging, kaum glauben.
Sie begann Anfang 2016, als der Stadtrat einer Senkung der Kosten für das Stadtarchiv zustimmte. Die Archivfläche im Haus Martfeld wurde verkleinert, denn der Platz war knapp. Einige Archivbestände sollten entsorgt werden, die meisten wurden in Außenlagern untergebracht. Jahrelang schien das Archiv ein „Stiefkind“ der Stadt gewesen und wenig gepflegt worden zu sein. Hier sei angemerkt, dass ein Stadtarchiv zu den Pflichtaufgaben einer Kommune zählt. Anfang Dezember 2016 suchte die Stadt dann dringend ehrenamtliche Helfer. Zum ersten Treffen kamen 25 Männer und Frauen, die am Archiv mitarbeiten wollten. 17 Ehrenamtliche halfen dann in der Anfangszeit an unterschiedlichen Einsatzorten. Im so genannten „Außenmagazin“, wie der Keller der Grundschule Ländchenweg genannt wird, musste erst einmal Ordnung geschaffen werden. „Wir wollten arbeiten“, sagt Heino Schulte, der von Anfang an dabei ist. „Aber was wir vorfanden, war ein großer Müllhaufen“, erinnert sich Rolf Hartmann, der auch heute noch jeden Donnerstag hier tätig ist. Es musste geräumt und sortiert werden, Zeitungen mussten gesichtet und zugeordnet, Buchbestände der historischen Bibliothek im Martfeld zugeführt werden. Den aufwendigen Abtransport der aussortierten Materialien leisteten die Ehrenamtler mit ihren privaten PKW. Hilfe von der Stadt gab es nicht. Im Treppenhaus standen Kartons mit etwa zwei Tonnen Doppelbänden der Zeitungen, die „in gute Hände“ abgegeben werden sollten.
Die Berufsgenossenschaft wäre in der Anfangszeit vermutlich entsetzt gewesen, denn einige Hochregale waren nicht standsicher aufgebaut. Lange mussten die Ehrenamtler auf entsprechende Maßnahmen warten. Ebenso auf die Reinigung des Raumes. 2018 dachten die Helfer darüber nach, mit Atemschutzmasken zu arbeiten, denn Regale und Betonboden waren voller Staub. Kurzerhand reinigten sie alles selbst. Die Arbeiten schritten voran. Auch Schulakten wurden sortiert, alte Klassenbücher erfasst, eine Einwohnermeldekartei aufgebaut und Schenkungen archiviert. Seit fast sechs Jahren sind die „Kellerkinder“, wie sie sich selbst augenzwinkernd nennen, nun schon unermüdlich im Zeitungsarchiv tätig. „Archiv 2020“ wurde das Projekt bei seinem Start genannt. „Das war sehr optimistisch gedacht“, meint Rolf Hartmann, „es sollte eher 2030 heißen.“ Immerhin bekamen die „Kellerkinder“ nach vierjähriger Tätigkeit einen eigenen Schlüssel für den Keller. Bis dahin hatten sie draußen vor der Tür darauf warten müssen, dass ihnen jemand öffnet.
Rolf Hartmann, Heino Schulte und Jochen Tewes sind immer noch dabei und auch Christiane Sartor ist oft im Archivkeller anzutreffen. Mitte 2018 konnten die Ehrenamtler (wieder mit ihren eigenen PKW) 500 Archivboxen für die sichere Aufbewahrung der Zeitungen zum Ländchenweg holen. Dort lagern nun der „Hermann“ von 1823 bis 1832, „Der Beobachter an der bergisch-märkischen Eisenbahn“, die „Schwelmer Zeitung“ sowie das Schwelmer Tageblatt, das von 1897 bis 1930 herausgegeben wurde. Die „Schwelmer Zeitung“ erschien von 1864 bis 1945 und durfte nach dem Krieg ab 1948 wieder gedruckt werden. Am 31.12.1980 erschien ihre letzte Ausgabe. Die Westfälische Rundschau und die Westfalenpost sind hier ebenfalls lückenlos archiviert.

Auch die WAP liegt im Archiv

Neben den Zeitungen von 1823 bis heute liegen auch alle Ausgaben der WAP seit 1985 gebunden und geordnet in Archivboxen. Die meisten Kartons sind 45x60cm groß. Gefüllt mit Zeitungen, wiegt jeder 15 kg. In kleineren Boxen, 40x28 cm groß und 10 kg schwer, lagern Zeitschriften, die auch noch genauer geordnet werden sollen. Rechnet man Bücher und Karteien der Schulen hinzu, haben die „Kellerkinder“ sicherlich bisher eine Gesamtpapiermenge von 10 Tonnen „gestemmt“. Zu den Stunden im Keller kommen viele weitere Stunden „Heimarbeit“ hinzu. Heino Schulte druckte am heimischen PC die Etiketten, mit denen die Archivkartons beschriftet werden, und er erstellte eine Tabelle aller Zeitungen und Zeitschriften. Rolf Hartmann legte für sämtliche Archivalien und deren Lagerorte im Ländchenweg Excel-Tabellen an, die er fortlaufend aktualisiert und an den Archivar im Haus Martfeld weiterleitet. Jens Möllenbeck, seit Ende 2017 hauptamtlicher Stadtarchivar, ist den Ehrenamtlern für die „in jeder Hinsicht hervorragende Arbeit“ äußerst dankbar.  Der Keller im Ländchenweg ist ausdrücklich nicht als Besucherraum ausgewiesen. Das Material ist äußerst empfindlich, das alte Papier in manchen Fällen brüchig und die großformatige Bindung der Zeitungen ist keineswegs handlich. Auch im Sinne des Bestandsschutzes ist eine öffentliche Nutzung nicht ohne weiteres möglich.
 Die Zeitungen „Hermann“, „Der Beobachter an der bergisch-märkischen Eisenbahn“ und die „Schwelmer Zeitung“ von 1864 bis zu ihrer letzten Ausgabe sind jedoch als Mikrofilm vorrätig und können an einem entsprechenden Lesegerät eingesehen werden.
 Der Besucherraum befindet sich im Haus Martfeld, ein Anruf bei Jens Möllenbeck (Tel. 02336 6990) genügt, und sogleich wird ein zeitnaher Besuchstermin vereinbart. Bei nachvollziehbarem Interesse am Lesen der Originalzeitungen will das Archiv diesem Wunsch gerne nachkommen. Für Fotos wird ein Entgelt erhoben.
 Es ist geplant, den Inhalt der Zeitungen in digitalisierter Form einer größeren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Autor:

Lokalkompass Schwelm aus Schwelm

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