Tatort Gevelsberg: die Ermordung Engelberts

Umstrittener Kirchenfürst: Erzbischof Engelbert. Foto: Jarych
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Es wird schon dunkel gewesen sein, aber ob es ein trockener oder eher regnerischer Tag war, ist nicht überliefert. Am Abend des 7. Novembers 1225 befand sich der Erzbischof von Köln mit seinem Gefolge auf dem Weg nach Schwelm, um dort eine Kirche zu weihen. Doch den Ort erreichte er nie. In einem Hohlweg bei Gevelsberg wurde der Kirchenfürst ermordet

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Engelbert von Berg wurde entweder 1185 oder 1186 auf Schloss Burg im heutigen Solingen geboren. Er war der Sohn des Grafen von Berg, einer der mächtigsten Familien im mittelalterlichen Nordwesten Deutschlands. Der wohl berühmteste Sproß der Familie, Graf Adolf V. – ein Urenkel von Engelberts Bruder Adolf III. –, siegte 1288 in der Schlacht von Worringen und verlieh daraufhin einem bis dahin unbedeutenden Dorf an der Düssel die Stadtrechte.

Adolfs Urgroßonkel Engelbert war wohl ein Mann von ambivalentem Charakter. Sein Biograph, der Zisterziensermönch Caesarius von Heisterbach, schreibt ihm zwar eine glaubwürdige Frömmigkeit zu. Als Kind seiner Zeit war Engelbert vor allem ein machtbewusster Politiker. Das hängt mit der Verantwortung zusammen, die das Amt inne hatte. „Er hatte mit der Wahl zum Erzbischof auch territorial etwas übernemen müssen“, erzählt Günter Fischer vom Arbeitskreis Engelbert der Stadt Gevelsberg. Der 1990 gegründete Arbeitskreis begibt sich heimatkundlich auf die Spuren Engelberts und seine Auswirkungen auf Gevelsberg.

Bereits 1198 war Engelbert Propst des bergischen Hausstifts St. Georg in Köln und wurde 1199 zum Dompropst gewählt. Um Engelberts Wahl gab es Streit. 1202 und 1203 reiste er deswegen nach Rom. Papst Innozenz III. ordnete schließlich eine Neuwahl an, die Engelbert eindeutig gewann. Weitere Kirchenämter fielen auf ihn, bis er schließlich 1216 Als Engelbert I. zum Erzbischof von Köln gewählt wurde. Nach dem Tod seines Bruders Adolf III. wurde er 1218 als Engelbert II. Graf von Berg; dabei brachte er seine Nichte um ihr Erbe.

Den Höhepunkt seiner Macht erreichte er 1220. Kaiser Friedrich II. machte Engelbert zum Vormund seines Sohnes Heinrich und zum Reichsverweser. „Damit kontrollierte er den gesamten Teil des heilgen römischen Reiches deutscher Nationen nördlich der Alpen“, sagt Günter Fischer.

Seit seiner Ernennung zum Erzbischof hatte Engelbert seine Macht weiter ausgebaut. Zu Beginn des 13. Jahrhunderts hatte das Erzbistum Köln aufgrund der Auseinandersetzung zwischen Staufern und den Welfen um die Nachfolge Kaiser Heinrichs IV. an Macht verloren. Engelbert stellte diese wieder her, indem er die Stadtherrschaft über Köln und Soest wiedererlangte.

Nicht ohne Grund war Engelbert für diverse Städtegründungen verantwortlich: Geseke (um 1217), Brilon (um 1217/20), Medebach (1220), Marsberg, Volkmarsen, Wipperfürth (alle 1222), Attendorn (1222) und Schmallenberg wurden gegründet, um die Macht des Kölner Erzbischofs in Westfalen zu sichern. Auch der Stammsitz der Grafen von Berg, Schloss Burg, hatte für ihn weiterhin Bedeutung. „Engelbert hat die Burg als seinen weltlichen Sitz angesehen und noch ausgebaut“, erläutert Günter Fischer.

Die Machtansprüche des Erzbischofs und die gewaltsamen Mittel, die er einsetzte, um seine Ziele zu erreichen, machten Engelbert viele Feinde – auch in der eigenen Familie. Bei dem Zankapfel, der ihn das Leben kosten sollte, spielte er eigentlich die Rolle des Vermittlers: Anfang November 1225 weilte Engelbert in Soest, um einen Streit zwischen seinem Neffen Graf Friedrich von Isenberg und den Essener Stiftsdamen zu schlichten. Dabei ging es um die Ansprüche Friedrichs als Vogt des Stiftes; das Reichsstift Essen erwirtschaftete große Reichtümer.

Engelbert hatte von seinem Neffen die Aufgabe der Vogtei bzw. eine deutliche Reduzierung seiner Ansprüche gefordert. Zum einen handelte der Erzbischof damit auf päpstliche Anordnung. „Er musste Ordnung schaffen“, wie Günter Fischer betont. Zum anderen verfolgte er wohl eigene Interessen. Zum Ärger des rheinischen und des westfälischen Adels – nicht nur Friedrich von Isenberg war betroffen – wollte Engelbert seinen Machtbereich weiter ausdehnen. Möglich dass Engelbert selbst Hand an die Reichtümer des Essener Stifts legen wollte.

Die endgültige Lösung des Streits sollte am 10. November in Köln, Engelberts Machtzentrale, erfolgen. Von Soest aus machte sich Engelbert auf den Weg zu seinem Bischofssitz; unterwegs sollte die Schwelmer Kirche geweiht werden. Friedrich von Isenberg und andere Adlige lauerten Engelbert im Gevelsberger Wald auf – mutmaßlich, um ihn gefangen zu nehmen. Die versuchte Geiselnahme misslang. Engelbert setzte sich zur Wehr und wurde von den Verschwörern ermordet.

Caesarius von Heisterbach, der Augenzeugen befragt hatte, zitiert Friedrich mit den Worten: „Ergreift und haltet ihn! Der Mann wird uns jetzt zu mächtig.“ Als Engelbert um Gnade gefleht habe, solle sein Neffe gerufen haben: „Tötet den Räuber, tötet ihn, der die Adeligen enterbt und keinen schont!“ Haben die Zeugen, die der Tat anwesend waren, die Worte wahrheitsgemäß wiedergegeben? Oder war Caesarius bei der Abfassung seiner Engelbert-Biographie etwas frei? Der Mönch schrieb seinen Text immerhin im Auftrag von Engelberts Nachfolger, Erzbischof Heinrich I. Forensische Untersuchungen bestätigten 1979 den gewaltsamen Tod des Kirchenfürsten. An den Gebeinen des Erzbischofs konnten 40 bis 50 Einhiebe und Stiche nachgewiesen werden.

Friedrich von Isenberg ging anschließend nach Rom, um Papst Honorius III. um Verzeihung für die Tat zu bitten. Nach seiner Rückkehr wurde der Graf in Lüttich aufgegriffen und an Erzbischof Heinrich I., ausgeliefert. Am 13. November 1226 wurde Friedrich vor den Toren der Stadt Köln grausam hingerichtet: Ihm wurde Arme und Beine zertrümmert; anschließend wurde er gerädert. Sein Herrschaftssitz, die Isenburg bei Hattingen, wurde geschleift. Auch die Folgen für die Region, in der Engelbert ermordet wurde, waren groß. In unmittelbarer Nähe zum Hohlweg wurde gegen 1230 ein Sühnekloster errichtet – die Keimzelle der späteren Stadt Gevelsberg.

Die Umstände von Engelberts Tod wiederum führten dazu, dass der Kirchenfürst und Machtpolitiker zum Märtyrer erklärt wurde. Seit dem Jahr 1618 wird er im Erzbistum Köln als Heiliger veehrt. Der Nachwelt erhalten geblieben ist er in zahlreichen künstlerischen Darstellungen, meistens in Skulpturen, Gemälden oder Kirchenfenstern. Von Walter von der Vogelweide bis hin zu Annette von Droste-Hülshoff haben viele namhafte Dichter Engelberts Schicksal lyrisch verarbeitet.

Am Samstag, 7. November, dem 790. Todestag Engelberts, zeigt der Arbeitskreis Engelbert im „filmriss“-Kino, Rosendahler Straße 18, einen rund 15-minütigen Film über Engelbert.

Umstrittener Kirchenfürst: Erzbischof Engelbert. Foto: Jarych
Das Relief in der Kirche St. Engelbert in Gevelsberg stellt die Ermordung des Erzbischofs dar. Foto: Jarych
Autor:

Sascha Ruczinski aus Schwelm

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