Orgel-Serie Teil 3
In der Christuskirche Schwelm steht eine Königin

Vier Manuale hat die Orgel, an der hier Organist Henrik Weiss sitzt.  | Foto: Lilo Ingenlath-Gegic
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Die Orgel gilt als Königin der Instrumente. „Königin“, weil sie das größte und prächtigste Instrument ist und weil ihr Klang mehr Tiefe und einen größeren Umfang hat als alle anderen Instrumente. Vielleicht aber auch, weil es nicht leicht ist, das Orgelspiel zu erlernen. Doch vor allem, weil die Orgel ein ganzes Orchester in sich vereint.

Von Lilo Ingenlath-Gegic

Wenn die Organistin am Spieltisch die Tasten anschlägt und dazu Register zieht oder drückt, spielt sie gleichzeitig mehrere Instrumente, die sie hervorheben oder zurücknehmen kann und deren Klangfarbe sie gestaltet. Der Klang der Orgel ist mal weich, mal aufbrausend. Sie kann sanft den Gesang der Gemeinde untermalen oder triumphierend und majestätisch erklingen.
All das trifft auf die Orgel in der Schwelmer Christuskirche zu. Ihr schlichtes Äußeres ist in feiner Symmetrie vor der großen Westrosette aufgebaut. Ihr klarer frischer, ja fast jugendlicher Klang beeindruckt.
Vom Orgelbaumeister Reinhart Tzschöckel gebaut, wurde die Orgel im September 1992 eingeweiht. Damals hatten die Verantwortlichen der Kirche den Mut, in eine repräsentative Orgel zu investieren. Seit 1977 war gesammelt worden, und dank vieler Spenden konnte für 750.000 DM eine große Orgel mit vier Manualen und Pedal gebaut werden. Die Auftraggeber wünschten sich einen klassischen Orgelklang und vielseitige Einsatzmöglichkeiten.
Mit rund 4.200 Pfeifen in 62 Registern ist diese Orgel die größte, die die Werkstatt Tzschöckel je gebaut hat und zugleich auch die größte Orgel in der weiteren Umgebung. Sie bietet eine immense Fülle von Klangfarben und Spielmöglichkeiten.
Orgelbaumeister Tzschöckel (1939-2003) verwendete so viel wie möglich vom vorhandenen guten Pfeifenmaterial und baute ein Instrument, das perfekt der der Akustik der Christuskirche entspricht. Mit großem Feingefühl gelang es ihm, die Orgel mit vielen Facetten und einem warmen, ausgewogenen Klang auszustatten. Die Klänge mischen sich auf dem Weg von der Empore in das Kirchenschiff, und die Zuhörer können sich vom Orgelklang angenehm eingehüllt fühlen.

Orgel eignet sich für Konzerte

„Diese Orgel eignet sich auch hervorragend für Konzerte, die es hoffentlich bald wieder geben wird“, sagt Henrik Weiss. Er kennt die Orgel sowie ihr kompliziertes mechanisches Innenleben in- und auswendig, denn mit 14 Jahren begann er hier, unter Anleitung der langjährigen Kantorin Sabine Horstmann, das Orgelspiel zu erlernen. Später studierte er unter anderem Kirchenmusik, ist aber heute als Lehrer für Latein und Musik am Märkischen Gymnasium tätig. Die Tzschöckel-Orgel liebt er immer noch und er spielt regelmäßig im Orgeldienst oder bei Konzerten. „Auf dieser Orgel kann man alles darstellen“, sagt Weiss begeistert, und lässt bei einem Werk von Johann Sebastian Bach Barock-Trompeten erklingen. Bei einer Toccata von Dubois präsentiert er mit anderen Registern schwungvoll viele weitere Facetten der Orgel.
Register sind häufig nach klassischen Instrumenten wie Flöten, Trompeten oder Violinen benannt, deren Klang durch entsprechende Metall- oder Holzpfeifen nachgeahmt wird. Durch die Kombination verschiedener Register lassen sich Millionen von Klangfarben erzeugen. Mit Hilfe einer elektronischen Setzeranlage mit 192 Speicherplätzen können auf dieser Orgel Registerkombinationen „vorprogrammiert“ werden.
Eine Besonderheit, vielleicht eine kleine musikalische Spielerei, sind die Spanischen Trompeten, die waagerecht aus der Orgel hervorragen. Sie sind bestens geeignet, musikalisch große Freude zu verkünden, und das gehört schließlich auch zu den originären Aufgaben einer Kirchenorgel.

Geschichte der Kirche und ihrer Orgeln

Die Schwelmer Christuskirche wurde von 1842 bis 1849 erbaut. An ihrer Stelle hatten zuvor schon mindestens fünf Vorgängerkirchen gestanden. Die letzte dieser Kirchen war 1739 erbaut und 1836 durch ein Feuer zerstört worden. Im Dezember 1849 wurde die neue Kirche, die Sitzplätze für mehr als 2.000 Menschen bot, eingeweiht. Für diese Kirche baute die Orgelbaufirma Gebrüder Ibach aus Barmen eine große Orgel.
1912 baute der Schwelmer Orgelbauer Paul Faust eine neue Orgel für die Kirche, die erst seit 1931 den Namen Christuskirche trägt. Durch einen Brandbombenangriff im März 1945, zwei Monate vor Ende des Zweiten Weltkrieges, brannte die Christuskirche völlig aus. Auch die Orgel wurde zerstört.
Nach dem Wiederaufbau konnte die Christuskirche 1952 wieder eröffnet werden. Mit 1.200 Sitzplätzen ist sie noch heute die zweitgrößte evangelische Kirche in Westfalen.
Erst im Mai 1968 konnten mit Hilfe von Spenden die Turmhelme aufgesetzt werden. In zwei Etappen, 1961 und 1965 baute Carl Bürkle, der Nachfolger von Paul Faust, eine neue Orgel. Durch Kälte, Feuchtigkeit und Heizungsluft nahm die Orgel jedoch schon bald so großen Schaden, dass sie ab 1976 kaum noch zu bespielen war. Ab 1977 wurden Spenden für eine neue Orgel gesammelt, die von Reinhart Tzschöckel gebaut und im September 1992 eingeweiht wurde. Das Stimmen der Orgelpfeifen und die Wartung der Technik obliegt heute Friedrich Tzschöckel, dem Sohn des Orgelbauers. Er war bereits 1992 beim Bau der Orgel dabei.

Vier Manuale hat die Orgel, an der hier Organist Henrik Weiss sitzt.  | Foto: Lilo Ingenlath-Gegic
Die Orgel in der Christuskirche Schwelm ist die größte "weit und breit". | Foto: Lilo Ingenlath-Gegic
Autor:

Lokalkompass Schwelm aus Schwelm

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