Suizidversuch im Amt - ein authentischer Fall
Ich war während meiner Arbeit bei der Stadtverwaltung XXX in einer überaus prekären Situation, und zwar in einer Außenstelle des Ordnungsamtes, wo ich einmal monatlich alleine im Amt mit Publikumsverkehr meinen Dienst verrichtete.
An manchen Tagen arbeitete noch ein Ombudsmann in den gegenüber liegenden Räumen des Flurs, um streitende Parteien zu beruhigen.
Doch an diesem Tag hatte er keinen Termin, so dass nur ich mich auf der Etage aufhielt.
Inzwischen kamen einige Bürger mit ihren Anliegen.
Gegen Ende der Dienstzeit endet auch langsam der Publikumsverkehr.
Es war zwischenzeitlich totenstill,
…, bis plötzlich kurz vor Dienstschluss ein etwa 40-jähriger Mann zu mir ins Büro kam.
Er hatte kein Anliegen und redete gleich über seine geschiedene Frau, die ihm das Kind vorenthalte und dass er zurzeit kein Geld hätte, um sich irgendetwas kaufen zu können, geschweige zu seinem Bruder mit dem Bus zu fahren, der 20 km entfernt wohne und ihm als einziger helfen könne.
Nach diesem belasteten Gespräch gestaltete sich mein Feierabend schlagartig anders als erwartet. Denn der Mann hielt plötzlich eine Rasierklinge in der Hand und drohte, sich damit die Pulsadern aufzuschneiden. Ihm bliebe nur noch Selbstmord als einziger Ausweg übrig, so sagte er es mir unmissverständlich. - Ich musste erst einmal sehr tief durchatmen.
Ich fasste meinen ganzen Mut zusammen. Und redete voller Überzeugung auf ihn ein, die Klinge nicht anzusetzen, es doch immer irgendeine Lösung für sein Problem gäbe, sein Kind evtl. keinen Vater mehr hätte und so weiter.
Währenddessen merkte ich, dass eine seltsame Angst in mir hoch kroch. Meine Gedanken assoziierten sich mit eskalierender Situation und letztlich Gefahr für mich selbst, was nervlich schwer zu ertragen war. Ich durfte nicht in Panik geraten und musste mich gänzlich unter Kontrolle halten.
Zur Not hätte ich die Polizei verständigen können, aber ich ließ es lieber sein. Wer weiß, was dann passiert wäre.
Es war einiges an Einfühlungsvermögen und Überzeugungsarbeit von mir erforderlich, wobei ich die Rasierklinge mit Herzklopfen und Anspannung ständig im Auge behielt.
Um diese schreckliche Situation schnell zu beenden, versprach ich ihm, das nötige Kleingeld für die Busfahrt zu seinem Bruder zu geben.
Als er das hörte, gab er endlich sein lebensgefährliches Vorhaben auf und war sehr dankbar über die Hilfe in höchster Not.
Die quälende Angst, die sich plötzlich in Luft auflöste, war unbeschreiblich befreiend.
Ob das seine eigentliche Absicht war, war mir in dem Moment auch völlig egal.
Die Hauptsache, ich kam aus dieser Situation unbeschadet heraus, brauchte keinen Krankenwagen und Polizei zu rufen und konnte >endlich< nach Hause fahren.
Und das Busgeld hat mich nicht ärmer gemacht.
Ob ich ihm tatsächlich helfen konnte; das habe ich nie herausgefunden, weil er auch nicht mehr ins Amt kam.
Autor:Elisabeth Jagusch aus Schermbeck |
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