Kutschaty ist kein Neuanfang, Teil II
WEIL ES NICHT UM SCHOLZ GEHT

Kommentar von Stephan Leifeld

Ich habe bereits das Ergebnis der nächsten Landtagswahl in NRW vorweg genommen: Es bleibt Wüst in NRW. Thomas Kutschaty, der auf seinen Plakaten mit den jungen Menschen so jung aussieht, wie Harry Potter im dritten Teil, ist ja auch kein Neuanfang der SPD. Als Justizminister unter Hannelore Kraft ist der Essener bereits schon längst verbraucht. Es würde auf eine Briefmarke oder den berühmten Bierdeckel von Merz passen, was Kutschaty landespolitisch in der Zeit bewegt hat. Parteipolitik ist ihm scheinbar in jenen Tagen wichtiger gewesen. Karriere machen, eben dahin kommen, wo er nun ist. Von Renesse, Loveparade, und weitere ungeklärte „Baustellen“ hat der ehemalige Landesjustizminister hinterlassen. Auch derartige Schießereien, wie noch in Duisburg vor einigen Tagen, zwischen Clans und Rockern, wollte er eigentlich zu Beginn seiner damaligen Amtszeit bereits im Ansatz verhindern. Hat Kutschaty jedenfalls vollmundig der Rheinischen Post erzählt. Das ist schon Jahre her. Und möglicherweise scheitert er nicht nur an seiner erfolglosen Vergangenheit, der Möchtegern-Ministerpräsident von Morgen: die Deutschen wählen keinen Ministerpräsidenten oder Bundeskanzler mit einem Bart. Martin Schulz und Rudolf Scharping können davon ein Liedchen singen…

Wüst wirkt seriös. Man möchte diesem jungen Politiker glauben, dass seine Tochter zuhause strapaziert, weil sie Zähne bekommt. Er wirkt sympathisch, obwohl er unter der Landesregierung Rüttgers auch schon mal da gewesen ist. Auch ihn hat seinerzeit eine Parteiaffäre im Vorwärtskommen zunächst behindert. Er ist zu dieser Zeit aber nicht in einem öffentlichen Amt gewesen. Sponsoren Gespräche mit dem damaligen Landesvater zu vermitteln, war möglicherweise seiner Zeit einfach voraus … oder der junge Wüst war nicht hinterhältig genug, dieses Prozedere heimlich umzusetzen. Lobbyismus hat der amtierende Ministerpräsident jedoch nicht erfunden. Der damalige Schritt war konsequent, von beiden Seiten. Nun ist Wüst aber der Ministerpräsident von heute. Die Gegenwart scheint im zu liegen, macht er doch deutlich bessere Arbeit als sein Vorgänger. Außerdem ist er rhetorisch nicht so aggressiv unterwegs, wie sein Herausforderer. 

Kutschaty wirkt eher wenig seriös, finde ich. Eher Typ „ewiger Junge“, der ohne Bart noch jünger aussehen würde. Großer Kopf auf schmalen Schultern. Blick in die Ferne, auf seinen Wahlplakaten soll das vermutlich für Visionen und Zukunft stehen: der Möchtegern-Landesvater aus dem „Morgenland“.

Und was war mit Kutschaty eigentlich noch „gestern“? …In den insgesamt sieben Jahren als Landesjustizminister bleibt Thomas Kutschaty die gesamte Zeit doch eher blass. Ich habe bereits in meinem ersten Teil darüber berichtet, wie Kutschaty wenig umgesetzt hat, aber viel angekündigt. Stichwort „Ghettorente“ und die Affäre um Sozialrichter von Renesse, ist da ein Beispiel für seine schlechte Leistung als verantwortlicher Minister. Viele hatten den Essener Politiker daher auch schnell vergessen. Nicht einmal die Loveparade konnte Kutschaty ordentlich aufarbeiten…

Aus seiner Zeit als Minister bleibt dagegen in Erinnerung der desolate Zustand vieler Gefängnisse in NRW. Schon in seine erste Amtszeit bis 2012 fallen mehrere Gefängnisausbrüche. So kann etwa 2012 ein Schwerkrimineller aus der JVA Bochum fliehen, indem dieser ein renovierungsbedürftiges Oberlicht aushebelt. Kutschaty muss daraufhin im Landtag unter anderem Baupfusch an zahlreichen Gefängnissen einräumen und ein fehlendes Konzept für diese Probleme. Aber auch danach werden die Zustände in den Gefängnissen in NRW immer wieder Thema: 2016 begeht ein Häftling in der JVA Bochum Selbstmord, im selben Jahr wird in der JVA Wuppertal-Ronsdorf ein Häftling erwürgt - wegen 40 Euro Spielschulden. Einem 22-Jährigen gelingt unterdessen eine spektakuläre Flucht aus der JVA Heinsberg. Kutschaty bleibt Antworten als Minister schuldig… profiliert sich lieber 2016 als Chef der Essener SPD, die kommunal aber gegen die CDU dieser Zeit keine Chance hat.
Weil eben auch hier die Inhalte fehlen.

Von Kutschaty heißt es da auch, er habe bereits deutlich vor 2016 gewusst, wie es um die Ausbildung und den Lebenslauf von Petra Hinz gestellt war. Ehemalige Führungspersönlichkeiten der Essener SPD haben über die Jahre öffentlich mitgeteilt, dass der damalige Parteivorsitzende Kutschaty immer genau über jeden Kandidat und Abgeordneten im Bilde war. Dem Informer gegenüber hatte Kutschaty immer erklärt, dass er nicht gewusst habe, dass Hinz ihren Lebenslauf gefälscht haben soll. Immerhin kam es nicht zu Strafermittlungen gegen Petra Hinz, die den Wahlkreis im Essener Süden für die SPD direkt gewonnen hatte. Aber nicht nur ihre angebliche Rechtsanwaltstätigkeit war gelogen, sondern auch das Abitur. Der Jurist Kutschaty soll das in allen Gesprächen mit der „Juristin“ Hinz nicht bemerkt haben. Ja, nee, ist klar.

Kutschaty kommuniziert gerne modern, heißt es in seiner Partei. WhatsApp und emails gehören seit Jahren zu seinem „Werkzeug“ seine Leute zu erreichen. Virtuelles Hinterzimmer kommt mir in den Sinn. So weit ich persönlich selber noch weiß, nutzte er für diese parteiinterne Kommunikation auch bisweilen seine Dienstemail als Landesjustizminister.

Wasser predigen und Wein trinken, könnte aber auch eine Spezialkompetenz des Kandidaten sein:
Während er als Landesjustizminister eher blass und planlos wirkte, hat er sich verbal zumindest zum angriffslustigen Fraktionsvorsitzenden entwickelt, der nun vorübergehend nach der ganzen Macht in der NRW-SPD greifen konnte. Kurz vor einem entscheidenden Parteitag im Frühjahr 2021 zieht der bisherige Landesvorsitzende der SPD, Hartmann, entnervt und enttäuscht seine Kandidatur zurück - der Weg für Kutschaty ist frei. Auf einem digitalen Parteitag wird er mit 90,5 Prozent an die Parteispitze gewählt. Damit strebt er als stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD auch sicher schon nach mehr. Das weiß jeder, der ihn kennt. Dabei hat er jedoch eines nicht in seinem in die Ferne gerichteten Blick: Das Ergebnis von Olaf Scholz in NRW bei der letzten Bundestagswahl ist das Ergebnis von Olaf Scholz gewesen. Gestern schon hat die SPD in Schleswig-Holstein sehen dürfen, dass Scholz nur ein Wellenbrecher war. Der Trend der Sozialdemokraten, durch fehlende Ideen und Konzepte, mit viel Machtkämpfen sich innerlich zu verbrennen, hält an. Die SPD kann den nächsten Ministerpräsidenten so nicht stellen…

Autor:

Stephan Leifeld aus Schermbeck

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