DEKADENZ UND MORALISCHER VERFALL
Teil II: WENN DAS EINKOMMEN NICHT ZUM AUSKOMMEN REICHT
Bevor ich die europäischen Staaten Deutschland, Italien und Griechenland mit afrikanischen und asiatischen Staaten in den Punkten Einkommen und Lebenshaltung vergleichen kann, mache ich einen Zwischenstopp auf dem Balkan. Das Verhältnis zwischen Bruttoverdienst und Lebenshaltungskosten in Serbien kann mindestens als herausfordernd, aber auch regional unterschiedlich als prekär beschrieben werden. Im Vergleich zu westeuropäischen Ländern sind die Lebenshaltungskosten in Serbien für Grundnahrungsmittel und serbische Produkte relativ niedrig, jedoch sind auch die Löhne signifikant niedriger, was das Verhältnis insgesamt sehr angespannt macht. Dabei ist der Bürgerkrieg in ehemals Jugoslawien lange vorbei… was man beispielsweise an der wirtschaftlichen Entwicklung von Kroatien sehen kann.
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1. Bruttoverdienst in Serbien:
Durchschnittliches Monatsgehalt: Das durchschnittliche Bruttogehalt lag 2023 in Serbien bei etwa 105.000 RSD (Serbische Dinar), was etwa 890 Euro entspricht.
Nettoverdienst: Nach Steuern und Sozialabgaben liegt das durchschnittliche Nettoeinkommen bei etwa 750 Euro, abhängig von der Branche und dem Wohnort. In größeren Städten wie Belgrad, Novi Sad oder Niš sind die Gehälter höher als in ländlichen Gebieten.
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2. Lebenshaltungskosten:
Miete: Die Mietpreise variieren stark nach Region. In Belgrad kann eine Einzimmerwohnung im Stadtzentrum etwa 300 bis 500 Euro kosten, während sie in kleineren Städten oder ländlichen Gebieten deutlich günstiger sein kann.
Lebensmittel: Serbien hat relativ günstige Lebensmittelpreise im Vergleich zu Westeuropa. Der durchschnittliche Preis für Grundnahrungsmittel (Brot, Milch, Eier) liegt unter dem EU-Durchschnitt.
Nebenkosten (Strom, Wasser, Internet): Die monatlichen Nebenkosten für eine Wohnung betragen etwa 100 bis 150 Euro.
Transport: Öffentliche Verkehrsmittel sind erschwinglich, ein Monatsticket in Belgrad kostet um die 30 Euro. Benzinpreise sind im Vergleich zu den Löhnen jedoch relativ hoch.
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3. Verhältnis von Einkommen zu Lebenshaltungskosten:
Herausforderung für Geringverdiener: Für Menschen mit niedrigen Einkommen (z. B. im Dienstleistungssektor oder der Landwirtschaft) können die Lebenshaltungskosten in Großstädten eine erhebliche Belastung darstellen. Viele Serben kämpfen mit einem geringen verfügbaren Einkommen, insbesondere, wenn sie in städtischen Zentren leben, wo die Mietkosten hoch sind.
Vorteil für höhere Einkommen oder inländische Digitalarbeiter: Personen, die überdurchschnittlich verdienen oder im internationalen digitalen Bereich arbeiten, haben oft eine bessere finanzielle Situation. Sie profitieren von den relativ niedrigen Lebenshaltungskosten.
Das Verhältnis von Bruttoverdienst zu Lebenshaltungskosten in Serbien ist angespannt, insbesondere für Menschen mit durchschnittlichem oder niedrigem Einkommen. Während die Lebenshaltungskosten im Vergleich zu westeuropäischen Ländern niedriger sind, reicht das durchschnittliche Einkommen meistens nicht aus, um ohne finanzielle Einschränkungen zu leben. Allerdings bieten die geringeren Lebenshaltungskosten diametral andere Möglichkeiten für Personen mit überdurchschnittlichem Einkommen oder internationale Arbeitnehmer.
Serbien leidet in gewisser Hinsicht unter seiner geopolitischen Lage, insbesondere da es ein Nicht-EU-Land ist, das von EU-Mitgliedstaaten umgeben ist. Diese Isolation wirkt sich auf verschiedene Bereiche wie Wirtschaft, politische Beziehungen und die Lebensqualität der Bevölkerung aus. Es gibt jedoch auch Faktoren, die die Situation Serbiens differenzierter gestalten.
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4. Wirtschaftliche Auswirkungen:
Handelsbarrieren und Investitionen: Da Serbien nicht Teil der EU ist, hat es nicht die gleichen Handelsvorteile wie die EU-Mitgliedstaaten. Während es Freihandelsabkommen mit der EU gibt, genießt Serbien nicht den vollen Zugang zum Binnenmarkt. Dies kann Investitionen und den Handel erschweren. Serbien erhält jedoch Unterstützung durch Beitrittshilfen und Förderprogramme der EU, was die Lage etwas abmildert.
Direktinvestitionen: Trotz der Isolation zieht Serbien weiterhin ausländische Investitionen an, insbesondere von EU-Staaten. Die niedrigen Lohnkosten und der Wunsch der Unternehmen, Produktionsstandorte außerhalb des teureren EU-Raums zu etablieren, spielen eine Rolle. Dennoch sind die Investitionen nicht auf dem Niveau, das für ein stärkeres Wirtschaftswachstum notwendig wäre.
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5. Politische Isolation und Integrationsprozess:
EU-Beitrittsperspektive: Serbien befindet sich seit 2012 in Beitrittsverhandlungen mit der EU, aber der Prozess verläuft schleppend. Einer der Hauptgründe ist der ungelöste Konflikt mit Kosovo sowie innenpolitische Herausforderungen wie Korruption und Rechtsstaatlichkeit. Der EU-Beitritt würde Serbien ökonomische Vorteile und mehr politische Stabilität bringen, aber der Prozess ist langwierig.
Geopolitische Spannungen: Serbien versucht, eine Balance zwischen seiner traditionellen Bindung zu Russland und dem Wunsch nach engeren Beziehungen zur EU zu halten. Diese „multi-venezianische“ Außenpolitik ist oft eine Quelle der Isolation. Die Nähe zu Russland macht es für Serbien schwieriger, sich voll in die westlichen Strukturen zu integrieren, insbesondere in Zeiten von geopolitischen Spannungen, wie im Ukraine-Konflikt.
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6. Soziale und kulturelle Auswirkungen:
Migration und Brain Drain: Viele Serben verlassen das Land, um in der EU Arbeit zu suchen. Die wirtschaftliche Unsicherheit und die begrenzten Möglichkeiten im Land führen zu einer Abwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte. Dies verschärft den Fachkräftemangel und schwächt das Wirtschaftswachstum langfristig.
Lebensstandard und Lebensqualität: Im Vergleich zu EU-Ländern ist der Lebensstandard in Serbien niedriger, insbesondere in Bezug auf Einkommen, soziale Sicherheit und öffentliche Dienstleistungen. Die Abwesenheit von EU-Fördermitteln, wie sie in den Nachbarländern Kroatien oder Bulgarien genutzt werden, trägt dazu bei, dass die Lebensqualität langsamer wächst.
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7. Strategische Vorteile:
Flexible Handelsbeziehungen: Obwohl Serbien nicht Teil der EU ist, kann es auch von dieser Isolation profitieren, indem es eigenständige Handelsbeziehungen zu Russland, China und anderen nicht-westlichen Ländern pflegt. Das ermöglicht Serbien eine gewisse Unabhängigkeit und strategische Flexibilität.
Tourismus und Landwirtschaft: Serbien hat auch Potenziale im Bereich Tourismus und Landwirtschaft. Die nicht-europäische Position kann es für bestimmte Sektoren attraktiv machen, da die Preise für Dienstleistungen und Waren niedriger sind als in der EU. Allerdings bleibt der volle Zugang zum EU-Binnenmarkt ein bedeutender Vorteil, den Serbien derzeit nicht hat.
Zwischenfazit für den zweiten Teil:
Serbien leidet in vielerlei Hinsicht unter seiner Isolation inmitten von EU-Mitgliedstaaten, vor allem wirtschaftlich und politisch. Der langwierige EU-Beitrittsprozess, ungelöste politische Konflikte und die wirtschaftliche Abhängigkeit von Russland und China erschweren die Situation. Die Abwanderung von Arbeitskräften und der niedrigere Lebensstandard belasten das Land zusätzlich. Gleichzeitig bietet die strategische Lage aber auch gewisse Vorteile, besonders in Handelsbeziehungen mit Nicht-EU-Ländern. Langfristig dürfte jedoch ein EU-Beitritt für Serbien der Schlüssel zu wirtschaftlicher und sozialer Stabilität sein, um auf eine Ebene mit Nachbarn wie Griechenland zu kommen.
Autor:Stephan Leifeld aus Schermbeck | |
Webseite von Stephan Leifeld |
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