Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt...*
IST DAS WAHR? ... Politiker im Landtag schützen sich mit teuren Trennwänden aus Acryl
Es gibt Geschichten, die kann man sich so nicht einmal ausdenken. Da beschließt die NRW-Schulministerin Gebauer (FDP) die weitgehende Öffnung der Grundschulen noch vor den Sommerferien. Für etwa zehn Tage soll in Sachen Corona für die Lehrerinnen, Lehrer und Kinder alles egal sein. Da zieht sogar das Argument, dass zur Monatsmitte die Corona-Einschränkungen weiter gelockert werden. Es ist der Schulministerin klar, dass die Abstandsregeln zwischen den Kindern ebenfalls nicht eingehalten werden können. Und nun diese Schlagzeile in der BILD...
NRW-ABGEORDNETE ERHALTEN
KABINEN AUS ACRYL
Der nordrhein-westfälische Landtag könnte demnach noch vor der Sommerpause - und damit erstmals seit Beginn der Corona-Krise - wieder in voller Besetzung zusammen kommen. Allerdings sollen die Politiker getrennt durch Acrylglas-Kabinen ab dem 24. Juni wieder im Plenum vor einer gegenseitigen Corona-Infektion geschützt werden. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Fraktionskreisen. Mehrere Tageszeitungen berichten aktuell darüber.
Entgegen dem dringenden Appell eines breiten Bündnisses aus Lehrergewerkschaft GEW, zahlreichen weiteren Eltern- und Fachverbänden, sowie der LandesschülerInnenvertretung zieht Ministerin Gebauer den Regelbetrieb für die Grundschulen landesweit durch. Die FDP-Politikerin ersetzt damit für die Schulen der Primarstufe die individuelle Abstandswahrung von 1,50m durch ein Konzept, mit dem konstante Lerngruppen gebildet werden. Dieses sogenannte Konzept könnte aber auch eher ein Einknicken vor den klagenden und schimpfenden Alleinerziehern und Eltern sein, die ihre eigenen Kinder in der Krise nicht persönlich betreuen möchten. Dabei ignoriert das Land möglicherweise zahlreiche Forderungen von getrennt lebenden Vätern, die durchaus bereit wären, in der Corona-Krise ihre Kinder nicht nur endlich mal wieder zu sehen, sondern auch zu betreuen. Dabei finde ich spannend, dass beim Shutdown manche Menschen protestiert haben, "für Wenige das alles zu veranstalten". Nun soll aber für Wenige der Salto Mortale gemacht werden...
Ministerin Gebauer will Handlungsfähigkeit demonstrieren, um jeden Preis
Es gibt Elternverbände aber auch Fachleute, die offen kritisieren, dass weder das Lehrpersonal dafür ausgebildet wird, digitalen Unterricht erteilen zu können, noch werden ordentlich die Lerninhalte elektronisch übermittelt. Teilweise antworten Lehrer nicht einmal auf emails ihrer Schüler. Oder Lehrmaterialien sind lieblos zusammengestellt, als wäre alles "normal". Einzelne Schulen bilden hier offenkundig die Ausnahme, wie beispielsweise auch das Gymnasium Petrinum in Dorsten. Dort funktioniert die Kommunikation mit den Schülerinnen und Schülern hervorragend, wie ich betroffener Vater attestieren kann.
Den sozialen Medien und der Presse in diesen Tagen ist weiter zu entnehmen, dass Gebauer mit diesem Schnellschuss lediglich gerichtlichen Entscheidungen zuvor kommen möchte. Die gelernte Rechtsanwaltsgehilfin ist in dieser Frage vielleicht entsprechend vorgebildet - oder hat genügend Juristen um sich herum, die ihr zu diesem Schritt geraten haben könnten. Wie wir allerdings seit Armin Laschet ganz klar wissen, sind Juristen keine Virologen...
Da verblüfft dann doch die andere Seite zu diesem Thema: In der sogenannten Corona-Krise hat der Landtag NRW nur mit einem Drittel der Abgeordneten tagen können, um dadurch den gebotenen Mindestabstand zueinander einzuhalten. Vor etwa vier Wochen hatte dann der Ältestenrat einstimmig die Anschaffung von Acrylglas-Trennwänden beschlossen. Eigentlich sollten diese Kabinen in der Sommerpause aufgebaut werden. Nach dpa-Informationen sind sich die Fraktionen aber einig, dass der Start bereits Ende Juni sein soll. In Sachen Corona gibt es im Landtag also noch keine Entwarnung. Das Geld für die teuren Kabinen wird ausgegeben.
Nun bekommen die Kinder an den Grundschulen in NRW nicht solche teuren Trennwände beziehungsweise Kabinen. Möglicherweise findet Ministerin Gebauer sich und die Abgeordneten in Düsseldorf auch viel wichtiger. Oder der ehrgeizigen Hilfsjuristin, die parallel zu ihrem einzigen Sohn immer in der Politik aktiv und erwerbstätig gewesen ist, leuchtet die mögliche Gefahr andererleuts Kinder nicht wirklich ein. Jedenfalls beruft sich Gebauer auf Zahlen aus Skandinavien, laut denen dort den Schülerinnen und Schülern nicht viel passiert, in Zeiten von Corona.
Gebauer orientiert sich bei Anordnung an skandinavischem Vorbild ...
Wer nun Angst hat, Gebauer schielt nach Schweden (die mit ihrem Sonderweg inzwischen hart bestraft werden, durch hohe Infektions- und Todesraten) sieht sich getäuscht. Die FDP-Politikerin beruft sich auf so dicht besiedelte Staaten, wie Dänemark und Finnland. Bis ich diesen Kommentar fertig geschrieben hatte, lagen mir keine Nachrichten vor, ob dänische oder finnische Politiker in ihren Parlamenten durch Acrylglas-Trennwände bzw. -Kabinen vor dem Virus geschützt werden. Allerdings habe ich mal nachgeschaut, was die Klassengrößen angeht. Durchschnittliche Schulklassen in Dänemark oder Finnland sind nicht einmal halb so groß wie die Schulklassen in NRW. Allerdings in Sachen ortsunabhängig lernen und digitale Bildung sind ALLE skandinavischen Länder weiter als Nordrhein-Westfalen ... Hier ist aber nicht bekannt, ob die Ministerin sich ein Beispiel nehmen wird.
Mir persönlich erscheint das Verhalten auch von Ministerin Gebauer, als wäre sie zufällig über dünnes Eis geschildert, ohne einzubrechen. Weil Menschen wie Gebauer ihr Glück und das Eis dann aber nicht wirklich wahrnehmen, geht sie sprichwörtlich (mit ihrer Entscheidung) den ganzen Weg zurück, um dann auf diese Weise doch noch unters Eis zu kommen. Keine Studie dieser Welt belegt nämlich, dass Kinder nicht so infektiös sind, wie Erwachsene... (Politiker zum Beispiel)
* Die oben zitierte Volksweisheit ist das Motto der Schulministerin...
Autor:Stephan Leifeld aus Schermbeck | |
Webseite von Stephan Leifeld |
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